Gunter Pirntke

 

Das erste Konklave des Rodrigo Borgia


Impressum

 

Texte: © Copyright by Gunter Pirntke
Umschlag: Gunter Pirntke

Verlag: Brokatbook Verlag Dresden Gunter Pirntke



Gunter Pirntke

Altenberger Straße 47

01277 Dresden

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Inhalt

Prolog

Calixt III.

Der Kardinaldekan

Das Konklave

Der Favorit

Weitere Mitglieder im Kardinalskollegium

Enea Silvio Piccolomini

Isidor von Kiew

Bessarion

Prospero Colonna

Juan de Torquemada

Pietro Barbo

Latino Orsini

Filippo Calandrini

Luis Juan del Milà

Jaime de Portugal

Giacomo Tebaldi

Domenico Capranica

Giovanni Battista Cibo

Rinaldo Piscicello

Rodrigo Borgia

Antonio Cerdà i Lloscos

Alain de Coetivy

Juan de Mella

Der 1. Tag

Papst Pius II.

Nachfolger

Paul II.

Sixtus IV.

Innozenz VIII.

Alexander VI.

Der Film

 

Prolog

 

Rom, im Jahre des Herrn 1458. 33 Jahre nach der Invasion der Mauren im Spanien, 271 Jahre, nachdem Jerusalem von den Moslems zurück erobert wurde und fünf Jahre, nachdem Konstantinopel an die Türken fiel.

Vor der Treppe des Vatikans sank Ende Juli der greise Papst Papst Calixt III. plötzlich zu Boden. Die ihm begleitenden Mönche riefen in höchster Erregung nach Hilfe. Bedienstete trugen den ohnmächtigen Papst in seine Gemächer.

Über die Brücke des Tibers reitet im Galopp der junge Bischof Giuliano della Rovere. Er weiß, wohin sein Weg ihm führt, nämlich zu einem kleinen Haus, mehr eine Hütte, am Stadtrand von Rom.

Dort wohnt die wunderschöne Vanozza de’ Cattanei, ein 16jähriges Mädchen und stadtbekannte Geliebte des jungen Kardinals Rodrigo Borgia. Vanozza stammt aus Mantua und war die Tochter des Malers Jacopo Pinctoris aus dem Ponte-Viertel in Rom, linke Tiberufer im ehemaligen Marsfeld gegenüber der Engelsburg, und seiner Frau Menica war, die seit 1438 bereits verwitwet war. Vermutlich hatte sich der Vater – wie damals viele andere wenig begüterte Handwerker und Künstler – wegen der größeren beruflichen Möglichkeiten in der Tiberstadt niedergelassen.

Materielle Sorgen brauchten sich Mutter und Tochter nach Jacopos Tod mit Sicherheit keine mehr zu machen, da Vanozza damals schon mit dem Kardinal Borgia liiert war. Dieser war 27 Jahre alt und seit 1457 päpstlicher Vizekanzler.1

Der junge hübsche Spanier zog Jung- und Ehefrauen , genauso an, wie ein „Magnet Eisenspäne“ in sein Bett und hatte schon zuvor einige Mätressen gehabt und war bereits Vater von drei illegitimen Kindern. Vanozza war jedoch die einzige Frau, mit der er eine dauerhafte Beziehung unterhielt.

Giuliano della Rovere klopft mehrfach an die Tür, doch niemand öffnet. Nur lautes Stöhnen und Lustschreie dringen nach draußen. Endlich öffnet sich die Tür und ein Dienstmädchen fragt nach seinen Begehr.

„Ich muss sehr dringend Kardinal Borgia sprechen“, erklärt della Rovere.

Das Dienstmädchen führt ihm in die Schlafkammer der Herrin. Rodrigo und Vanessa waren noch immer im Liebesakt verbunden. Erst als Rodrigo aufblickte und den Besucher sah, befreite er sich aus der Umklammerung von Vanessas Schenkeln.

„Ich komme im Auftrag von Kardinal d’Estoutevill und soll eure Exzellenz in den vatikanischen Palast bringen“, erklärte der ungebetene Besucher.

„Wer seit ihr?“

„Ich bin Bischof della Rovere.“

„Schön für euch, doch nun könnt ihr gehen.“

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Vanozza de’ Cattanei; Ausschnitt des Porträts von Innocenzo Francucci; Galleria Borghese, Rom

„Verzeiht bitte, aber ihr müsst jetzt sofort zum Vatikanpalast.“

„Ich gedenke nirgends hinzugehen“, sagte Borgia. „Könnt ihr mir auch erklären, warum ich das sollte?“

„Kardinal d’Estoutevill möchte euch in einer dringenden Angelegenheit sprechen. Es geht um den Gesundheitszustand eures Onkels.“

Aus diesen beiden Männern sollten später lebenslange Todfeinde werden.

Widerstrebend lässt sich Rodrigo von seiner Geliebten in die Kleider helfen und das Panzerhemd schnüren.

„Falls mein Leben sich ändert und nicht zum besseren“, erklärt er seiner Geliebten, „wir beide bleiben zusammen. Du musst an meiner Seite bleiben, ich brauche dich.“

„Wenn sie dich töten, zünde ich eine Kerze an und bete für Dich“, sagte die schöne Römerin. „Bleibst du am Leben, erwarte ich Dich in unserem Bett.“

Rodrigo, von seinem Leibdiener begleitet, reitet zum Vatikan.

Jahre später wird Rodrigo sagen: „Ich hatte in meinem Leben viele Frauen. Aber nur eine war mir wichtig: Vannozza. Ich war Kardinal, als ich sie kennenlernte, ich kann mich noch daran erinnern, wie ihr blondes Haar in der Sonne leuchtete. Ich begehrte nicht nur ihren Körper, ich wollte, dass sie mich liebt. Und ich habe sie geliebt, so sehr! Dieses Gefühl hat mein Handeln bestimmt.“

Auch als die fünfzehnjährige Giulia Farnese die neue Mätresse von Rodrigo Borgia wurde und 1492 die Tochter Laura gebar, blieben er und Vanozza freundschaftlich verbunden. (Vanozza de‘ Catanei überlebte Rodrigo Borgia: Sie starb 1518 im Alter von sechsundsiebzig Jahren.)

***

Der Bischof bleibt zurück. Er war zwar bi-sexuell, aber den Reizen Vanessas durchaus zugängig und sie war ohnehin noch nackt.

„Bevor euch der Trottel wieder besteigt, sollt ihr meinen Schwanz spüren“, kommentierte er.

Obwohl Rodrigo sie zuvor mit seinem nicht erlahmenden spanischen Temperament mehrfach befriedigte, duldete Vanessa, wie der feiste Bischof ihre Brüste umfasste und ihre Schenkel spreizte.

***

Im Vatikan herrschte helle Aufregung. Rodrigo erteilte die Weisung, alle spanischen Krieger im Vatikan zusammen zu ziehen und rief seinen Bruder.

„Lebt er noch?“

„Ja.“

„Ich brauche 10000 Dukaten in Gold, jetzt und sofort.“

Pedro, der jüngere Brüder Bruder von Rodrigo wurde von Calixt III. mit dem Fürstentum Spoleto ausgestattet und bekam von ihm das Kommando über die Engelsburg übertragen.

Die Brüder traten an das Sterbebett des Papstes und nahmen Abschied vom Onkel.

Gemeinsam mit seinem Bruder, Hauptmann Pedro Luis Borgia, schwebt Rodrigo jetzt in Todesgefahr, da vor allem die Familie Orsini ihre verlorengegangenen Privilegien zurückgewinnen will, indem sie die Familie Borgia bekämpft.

Kardinal d’Estouteville sagte pietätlos zu Rodrigo, dass der Heilige Vater nicht mehr lange die Kardinäle mit seiner Anwesenheit quälen wird und fragte den Papstneffen, welche Gedanken er zum Ableben des Papstes gefasst hat.

 

Calixt III.

 

Calixt III. wurde am 31. Dezember 1378 in Can (Königreich Valencia) als Alonso de Borja geboren. Er war vom 8. April 1455 bis zu seinem Tode Papst der katholischen Kirche und stammte aus dem spanischen Adelsgeschlecht der Borgia, das dem niederen Landadel angehörte und im Laufe der Zeit verschiedene Führungspositionen in Valencia eingenommen hatte. Seine Schwester war Isabella de Borja y Llançol, die Mutter des späteren Papstes Alexander VI. Er studierte zunächst kanonisches Recht in Lleida und begann 1408 seine kirchliche Laufbahn. 1411 wurde er zum Kanoniker an der Kathedrale von Lleida ernannt – ein Amt, für das der Familie Borja offensichtlich ein Vorschlagsrecht zustand. Um diese Zeit prophezeite der dominikanische Bußprediger Vicente Ferrer dem jungen Kleriker, dass er einmal Papst werden würde. Alonso, der einen hervorragenden Ruf als Kenner des kanonischen Rechts genoss, wurde zunächst vom Gegenpapst Benedikt XIII. als Berater an seinen Hof gerufen. Benedikt war einer von damals drei rivalisierenden Päpsten, die allerdings durch das Konzil von Konstanz enthoben und durch den 1417 neugewählten Martin V. ersetzt wurden. Alonso trat deshalb in die Dienste des Königs von Aragón, Alfons V. Dort fiel ihm vor allem die Aufgabe zu, in den Verhandlungen mit der Kurie die Interessen des Königs durchzusetzen. So verlangte Alfons für die Einstellung seiner Unterstützung der Gegenpäpste (Clemens VIII. und Benedikt XIII. hatten sich geweigert, zurückzutreten) zahlreiche Zugeständnisse. Alfons konnte durch den Einsatz des versierten Juristen die Durchsetzung seiner Ansprüche beim Papst erreichen; Clemens, dem Alonso die Botschaft persönlich überbracht hatte, trat daraufhin zurück.

 

 

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Calixt III. erhebt Enea Silvio Piccolomini zum Kardinal – Fresko von Pinturicchio

Auf Fürsprache des Königs wurde Alonso 1429 zum Bischof von Valencia erhoben; wie damals üblich, musste der neue Bischof dem König die Würde finanziell ablösen.

Für Alfons, der den Thron von Neapel zu usurpieren gedachte (das Königreich Neapel war ein päpstliches Lehen) und die französischen Anjou vertrieben hatte, verhandelte Alonso mit dem Papst, mittlerweile Eugen IV., und erreichte 1439 einen Waffenstillstand mit Rom. Alonso führte sowohl im Auftrag des Königs die Verhandlungen mit dem örtlichen Adel um die Anerkennung der neuen Herrschaft als auch 1443 mit dem Papst, der schließlich die Herrschaft Alfons’ über Neapel anerkannte; im Gegenzug entzog der König dem Konzil von Basel – Sammelpunkt der innerkirchlichen Opposition gegen den Papst – seine Unterstützung.

Als Anerkennung für seine Dienste erreichte Alfons die Verleihung der Kardinalswürde, die Alonso 1444 als Kardinal von Valencia erhielt. Entsprechend den Sitten der Zeit begann er nun, die Karriere zweier Neffen zu fördern, dabei handelte es sich um die Söhne seiner Schwester Isabel, Rodrigo de Borja und Pedro Luis de Borja. Ersteren holte er 1449 zu sich nach Rom.

Unter dem 1447 zum Papst gewählten Humanisten Tommaso Parentucelli, der den Namen Nikolaus V. annahm, kam es in Italien zu weitreichenden Veränderungen: die Sforza bestiegen den mailändischen Herzogsthron und mit dem Fall Konstantinopels am 29. Mai 1453 gewann die Kreuzzugsidee neue Bedeutung.

Nach dem Tod Nikolaus’ V. 1455 standen sich im Konklave, das am 4. April des Jahres begann und an dem 15 Kardinäle teilnahmen – so wenige wie danach nie mehr –, die Fraktionen der Colonna und der Orsini gegenüber. Doch keine der beiden Seiten war imstande, ihren Favoriten durchzusetzen. Der zunächst als Kompromisskandidat eingeführte Kardinal Bessarion scheiterte, damit schlug die Stunde des mittlerweile 76-jährigen Katalanen. Alt und von untadeligem Ruf, dazu ein versierter Jurist, schien der Kardinal von Valencia keine ernsthafte Bedrohung der herrschenden Interessen zu sein. Am 8. April 1455 erfüllte sich die Prophezeiung Ferrers und Alonso wurde gewählt.

Sein Pontifikat stand zwar unter den Zeichen des Kampfes gegen die Türken, die das Abendland bedrohten, und zunächst erwartete man von dem greisen Katalanen, der in der Tradition der Reconquista, der Rückeroberung der iberischen Halbinsel von den Mauren, stand, einen frommen Pontifikat ohne Nepotismus. Seine anfängliche Zurückhaltung in dieser Hinsicht gab Calixt 1456 auf. Im Februar 1456 wurden Rodrigo de Borja und sein Neffe Luis Juan de Milà zu Kardinälen ernannt. Bald zeigte sich, dass Calixt III. in übergroßem Maß Verwandte und katalanische Landsleute förderte, was den ohnehin wenig volksnahen Spanier in Rom geradezu verhasst machte. Bereits 1457 wurde Rodrigo zum Vizekanzler der Kurie ernannt – einem Amt auf Lebenszeit, das als das wichtigste Amt nach dem Papst gilt und jedenfalls als das einträglichste der Kurie. Dazu wurde er zum Hauptmann der päpstlichen Truppen bestellt, während Pedro Luis die Kommandantur der Engelsburg und zahlreiche kirchliche Lehen übertragen erhielt.

Bald geriet Calixt in einen Konflikt mit seinem früheren Förderer, dem König von Aragón, der als Alfons I. auch den Thron von Neapel innehatte. Während die Auseinandersetzungen eskalierten, sah der Papst im neapolitanischen König das Haupthindernis für sein größtes Anliegen, nämlich die Rückeroberung Konstantinopels und einen neuen Kreuzzug. Der König drohte dem Papst mit einem Konzil zu seiner Absetzung und der Papst mit dem Entzug des kirchlichen Lehens Neapel. Als Alfons auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen am 27. Juni 1458 starb, verweigerte Calixt dessen Sohn Ferrante (dem späteren König Ferdinand I.) die Krone und zog das Lehen ein. Sein Neffe Pedro Luis wurde mit den Vikariaten von Terracina und Benevent belehnt, die bislang der verstorbene König innegehabt hatte, dazu wurde er mit der Führung der Truppen im Krieg gegen die Aragonesen betraut – das Königreich Neapel sollte, so Calixt’ Absicht, seiner Familie zufallen. Rodrigo sollte diese Idee für seinen Sohn Cesare Borgia neuerlich aufgreifen.

Calixt III. war nicht nur ein hervorragender Jurist, sondern auch den Glaubensanliegen verpflichtet, wie sein Engagement in Sachen Konstantinopel beweist. Er führte ein einfaches Leben, war jeder Prunksucht abgeneigt, hielt eine einfache Tafel und hatte keine Affären – und auch keine Kinder, was ihn aus der Vielzahl geistlicher Würdenträger der damaligen Zeit heraushob. Dies alles war auch ausschlaggebend für seine Wahl, dazu war er bereits alt. Auch hatte er als Kardinal seine Verwandten nicht mehr als üblich gefördert, was sich aber während seines Pontifikats änderte.

Den gewählten Päpsten wurde zugestanden, zumindest einen Verwandten zum Kardinal zu erheben und auch die Belehnung von Verwandten mit kirchlichen Lehen und die Vergabe von einträglichen Pfründen war durchaus üblich und wurde akzeptiert. Da er bis zu seiner Papstwahl keinerlei Anzeichen der damals üblichen Macht- und Geldgier gezeigt hatte, meinte man, Alonso werde seine Zurückhaltung auch als Papst beibehalten.

Tatsächlich enthielt sich Calixt weiterhin aller Affären oder eines aufwendigen Lebenswandels, nicht jedoch des Nepotismus. Auch seine Vorgänger – etwa Bonifatius VIII., der seine zahlreiche Verwandtschaft mit einer Vielzahl von Lehen bedacht hatte – huldigten diesem Prinzip, doch keiner tat es so aggressiv wie Calixt. Kleinere erbliche Güter den Verwandten zukommen zu lassen, war durchaus verbreiteter Brauch. Zum ersten Mal aber waren unter Calixt die Bestrebungen des Papsttums darauf ausgerichtet, einem Papstnepoten ein über eine Grafschaft hinausreichendes Herrschaftsgebiet (in diesem Falle das Königreich Neapel) zu verschaffen.

Das Machtgefüge der Borgia stürzte zusammen: Pedro Luis musste die Engelsburg übergeben, während die Orsini2 ihre verlorenen Kastelle zurückeroberten.

Die Stadt wimmelte von Waffenträger im Sold der Orsini. Im Vatikan wurden Gespräche geführt.

Für den jungen Kardinal Rodrigo Borgia wäre es das erste Konklave, an dem er teilnahm. Der Neffe des Papstes und Vizekanzler der Heiligen Römisch-katholischen Kirche musste hier den Weg für seine Zukunft bestimmen.

„Ihr lebt, achtet genauestens darauf, wem ihr eure Stimme gebt. Die Zukunft hängt davon ab, vor allem die eure. Denkt an euren Bruder.“, sprach warnend Guillaume d’Estouteville zu Rodrigo.

„Ich bin von der Entscheidung der anderen Kardinäle abhängig.“

„Nicht der Anderen, sondern der richtigen Kardinäle.“

„Wem meint ihr damit?“

„Pietro Barbo ist ein richtiger Kardinal. Er wird vom Senat von Venedig unterstützt und verfügt über 5000 Bewaffnete, kaum ein Tagesritt von Rom entfernt.“