Gunter Pirntke

 

Savonarola - Der schwarze Prophet

 

aus der Reihe „Historisches“

 

 


Impressum

Covergestaltung: Irene Repp

Illustrationen: Gunter Pirntke

Digitalisierung und Druckvorbereitung: Gunter Pirntke

BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke


© 2017


ISBN:

9783961185535


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Gunter Pirntke, Altenberger Str. 47

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Savonarola

Unter der Herrschaft der Medici war Florenz im 15. Jahrhundert zu einer der reichsten Städte Europas aufgestiegen. Bis der fanatische Mönch Savonarola seinen Kreuzzug gegen den Luxus begann.

 

Savonarola stand an der Spitze des von der Herrscherfamilie Florenz gestifteten Klosters San Marco. Der Förderer bekam dafür keinen Dank. Savonarolas Predigten ziehen den Gönner der Verschwendung, der Ungerechtigkeit. Den Einfall des Franzosenkönigs Karl VIII. und die Flucht der Medici nutzte er 1494, die republikanische Verfassung wieder in Kraft zu setzen und Gott als Regenten über Florenz zu inthronisieren. Er selbst fühlte sich als dessen Statthalter berufen.

 

Selten wird ein Mann auch von fernen Nachgeborenen derart unterschiedlich beurteilt wie Savonarola. Die 1848 erschienene erste Fassung jener katholischen Enzyklopädie, die heute "Lexikon für Theologie und Kirche" heißt, hält ihm noch wenig freundlich "Schwärmerei und Selbstüberschätzung" vor. Der Autor attestiert ein "gewalttätiges Temperament". Jakob Burckhardt ist noch härter. "Überhaupt war er nichts weniger als liberal; gegen gottlose Astrologen z. B. hält er denselben Scheiterhaufen in Bereitschaft, auf welchem er hernach selbst gestorben ist." In einer gelungenen Kurzbeschreibung formuliert der Schweizer Historiker: "Wie gewaltig muss die Seele gewesen sein, die bei diesem engen Geiste wohnte!" Thomas Mann wurde literarisch kaum verbrämt noch deutlicher. Der besorgte Demokrat sah in dem Mann nichts als einen düsteren, verbohrten Vorboten der zeitgenössischen Bücher- und Menschenverbrenner. Die Erzählung "Gladius Dei" transferiert Savonarola wohl nicht zufällig in das München der Vorkriegszeit, das Wirkungsfeld des jungen Adolf Hitler. Mann bezieht sich vor allem auf den unsanften Versuch des Ordens- und Staatsreformators, der lebensfrohen Bevölkerung rigide Sittenstrenge zu oktroyieren.

 

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Es ist Winter, und den Italienern bietet sich ein merkwürdiges Schauspiel. Zahlreiche Jugendliche ziehen im Namen Christi durch Metropolen wie Florenz. Sie beschlagnahmen Bücher und Kunstwerke, Schmuck, Musikinstrumente, wertvolle Kleider oder Spiele. Diese Luxusgegenstände, die ihnen zum Teil auch freiwillig übergeben werden, landen auf der Piazza della Signoria im Zentrum von Florenz – und werden angezündet. Mehrmals brennt dieses „Feuer der Eitelkeiten“.


Die Jugendlichen folgten im Namen Christi einem einzigen Kopf, einem Mönch. Es waren die Februarmonate 1497 und 1498, in denen sogenannte „Fanciulli“ durch die Straßen zogen und auf alles Jagd machten, was irgendwie nach Geld aussah. Es wurde gesammelt und verbrannt.

 

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Am Ende steht der Scheiterhaufen

 

Der Karneval 1497 kam der unerbittliche Moralist gerade recht. Porträts schöner Florentinerinnen, Tand, Spiegel, aber auch erotische Literatur von den Römern über Petrarca bis Boccaccio. Stellvertretend für die von ihm verabscheute Lebenskultur seiner Zeitgenossen ließ er den Haufen, für den ein venezianischer Zeuge 22 000 Dukaten zu geben bereit gewesen wäre, vor den Augen der Bevölkerung auf ein pyramidales Gerüst schichten. Obenauf saß eine Karnevals-Puppe. Dann legten die Mönche Feuer an die Konstruktion. Auch die Bruderschaft der "Fanculli" zur Überwachung der Sittlichkeit war nicht sonderlich beliebt in der Stadt. Vornehmlich Kinder und Jugendliche.

 

Zeitgenossen berichten von 10 000 solcher Spitzel zogen sonntags nach der Vesper durch Florenz, um als "Inquisitori" Spielkarten und Würfel zu beschlagnahmen, wo sie sie fanden. Aufgeputzte Frauen mussten damit rechnen, auf der Straße aufgefordert zu werden, sich schlichter zu kleiden.

 

All das war Munition für die wachsende Schar der Gegner, die die Wiederkehr der Medici oder jedenfalls das Ende der "Theokratie" herbeisehnte. Freundlichere Urteile sind jüngeren Publikationen vorbehalten. "Die subjektive Gutgläubigkeit Savonarolas steht außer Zweifel", urteilt das Lexikon für Theologie und Kirche aus den sechziger Jahren. Das schließe jedoch die Möglichkeit eines "Irrtums" nicht aus.

 

Daher bleibe die "Frage nach einer materialen Schuld offen". Die schrittweise Umdeutung des Apokalyptikers in ein reines Vorbild der Tugendhaftigkeit scheint in August Franzens "Kleiner Kirchengeschichte" aus den achtziger Jahren abgeschlossen: "Savonarola war kein Ketzer, er war ein Heiliger", steht dort ohne Umschweife.

 

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Im Grunde würde Savonarola wesentlich besser als Identifikationsfigur für die Gegenwart taugen. Dafür steht schon seine Herkunft. Sein Vater war ein verarmter Geschäftsmann aus Ferrara. Die Welt des großen Geldes war weit. Also beschloss Savonarola, Intellektueller zu werden, und begann ein Studium der Philosophie und Medizin. Das brach er allerdings bald ab, weil er „nicht wie ein Tier unter Schweinen, sondern als vernünftiger Mensch“ leben wollte. Er ging zu den Dominikanern und trat in das Kloster S. Domenico in Bologna ein. Denn die Dominikaner waren ein renommierter Predigerorden, der sich in der Inquisition Meriten erworben hatte. Hier fand Savonarola bald seine Bestimmung als Bußprediger.

 

Was Lorenzo di Medici, den starken Mann von Florenz, bewogen hat, 1485 ausgerechnet diesen Hitzkopf zum Prior seines Hausklosters San Marco zu machen, ist unklar. Wahrscheinlich hoffte er, mit dem damals 33-Jährigen seinem eher verschnarchten Konvent eine intellektuelle Auffrischung bieten zu können. Schließlich hing die Reputation des Geldhauses der Medici nicht zuletzt auch von derartigen Äußerlichkeiten ab.