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Alexandre Dumas

 

 

Gräfin und Bäuerin

 

 

 

Diese Erzählung ist eine der letzten, vielleicht die letzte Arbeit des bekannten Romanschriftstellers vor seinem Tode. Einzelne Abschweifungen und Episoden, die nicht zur Geschichte gehören, haben wir uns erlaubt, wegzulassen. (A. d. R.)

 

 

 

 

Impressum

Covergestaltung: Olga Repp

Digitalisierung: Gunter Pirntke

BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke




2017 andersseitig.de


ISBN

9783961184538 (ePub)

9783961184545 (mobi)


andersseitig Verlag

Dresden


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Inhalt

Impressum

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

 

Erstes Kapitel.

 

Seltene und seltsame Gegenstände waren in waren in Abraham Parasols Kuriositäten-Laden in einer gewissen alten Stadt in der Provence zu verkaufen. Alte Silbersachen aller Art, Stücke chinesischen Porzellans, geschnitzte Möbel aus der Zeit Ludwigs XIV., alte Kupferstiche und Gemälde, seltene Bücher und dgl. mehr.

 

»Ich finde seit meinem letzten Besuche nichts Neues hier, Madame Parasol,« sagte ein alter Herr, welcher den Inhalt ihrer Glaskästen und Tische besichtigte. »Nein, ich habe alle diese Dinge schon gesehen und werde diesmal nach Hause zurückkehren, ohne das Vergnügen zu haben, einen einzigen Sou bei Ihnen auszugeben.«

 

»Oh! bitte, sagen Sie das nicht, Monsieur,« sagte die junge Jüdin. »Ah, Sie haben diese Tassen von Sevres-Porzellan noch nicht gesehen; sie sind wirklich etwas Auserlesenes,« und die Besitzerin des Ladens deutete auf einen kleinen Tisch, der an der Seite des Eingangs stand.

 

Als der Kuriositäten-Jäger der Richtung ihres Fingers folgte, fiel sein Blick plötzlich auf ein Bild in einem ovalen Rahmen. Es war ein Pastellgemälde, das die Zeit etwas gebleicht hatte. Es stellte ein Mädchen im vollen Glanze der ersten Jugend und von bezaubernder Schönheit dar. Ihr Anzug bestand aus einem langen mit blauen Bändern verzierten Spitzenkleid. Ihre Gestalt war rund und von tadellosem Bau, ihren Arm, der bis zum Ellbogen bloß war, umspannte statt des Bracelets ein Band von Sammet und ihr leicht gepudertes Haar fiel ohne weiteren Schmuck in Locken auf ihre Schultern nieder. Die großen Augen waren braun und ihr feuchter Glanz verlieh ihnen einen besonderen Reiz. Der Mund war voll und feingebildet und die reifen Lippen schienen zum Kuss einzuladen.

 

Einige Sekunden stand Michael Laubarrie in der Anschauung versunken da. Er hatte kein Wort gesprochen, sondern nur seine Brille abgewischt und den Finger erhoben, um der Frau anzudeuten, dass sie schweigen solle. Diese verstand das stumme Zeichen ihres Kunden und beachtete es. Sie sah seine Augen glänzen und wusste, dass er das Bild kaufen werde und sie besann sich darauf, welchen Preis sie dafür verlangen werde.

 

»Als Kunstwerk hat es viele Fehler,« sagte endlich Monsieur Laubarrie, »aber trotz dieser Fehler bewundere ich es sehr und wünsche es zu besitzen. Nennen Sie ihren Preis.«

 

Madame Parasol zögerte.

 

»Es geht zusammen mit diesen hübschen Tassen von Sevres-Porzellan,« antwortete sie.

 

»Gut, Madame. Wie viel verlangen Sie für Beides zusammen?«

 

Die Jüdin nannte einen höchst übertriebenen Preis, welchen der alte Herr ohne Einwendung bezahlte.

 

»Ich bedaure, dass ich sonst nichts habe, was Ihnen gefällt, Monsieur,« bemerkte die Jüdin, indem sie die Gegenstände einpackte.

Michael Laubarrie lächelte vergnügt.

 

»O, ich bin sehr zufrieden mit meinem Tagwerk,« war seine Antwort. Und, mit altmodischer Höflichkeit sich verbeugend, nahm er sein Paket und verließ den Laden.

Michael Laubarrie war ein ausgezeichneter Gelehrter. Er war für die Kirche bestimmt gewesen, aber die Revolution hatte ihn aus dem Kloster vertrieben, noch ehe er sein Noviziat vollendet. Von seinem Gelübde entbunden, zog er sich auf ein kleines väterliches Gut zurück, entschlossen, den Rest seines Lebens dem Studium und der Einsamkeit zu widmen.

 

Seine Wohnung lag am Fuße der Alpen, auf der sonnigen Seite dieser Gebirgskette. Es war ein wilder, aber lieblicher Platz. Mann erreichte das Haus auf einem ansteigenden, vielfach gekrümmten Weg, der auf beiden Seiten mit Gebüsch und schlanken Bäumen eingefasst war. Wenn man sich dem Gebäude näherte, so fiel einem die weiße Front und das rote Ziegeldach und der Garten mit seinen bunten duftenden Blumenflor und die Obstbäume, welche ihre Äste unter der Last ihrer saftigen Früchte zur Erde neigten, in die Augen, während sich im Hintergrunde das stolze Gebirge erhob, dessen grüne Abhänge von Herden blökender Schafe belebt waren.

 

Michael Laubarrie war kaum nach Hause zurückgekehrt, als er seiner Haushälterin gebot, ihm einen Hammer und einige Nägel zu bringen.

 

Der alte Mann stieg dann auf einen Orgelstuhl und nachdem er einen Nagel über dem Kamin in die Wand geschlagen hatte, ließ er sich durch Madelon das Packet reichen, das den Einkauf enthielt, den er in der benachbarten Stadt gemacht hatte.

 

»Nun Madelon,« sagte er, als er das eingehüllte Portrait aus ihrer Hand nahm, »bereite Dich auf eine wirkliche Überraschung vor.«

 

Mit diesen Worten enthüllte M. Laubarrie das Gesicht eines kostbaren Bildes.

 

Kein Wort der Bewunderung, keine Bemerkung fiel von den Lippen des Weibes.

 

Mit sichtbarer Enttäuschung blickte der Gelehrte von seinem neuen Kauf auf seine Haushälterin. Madelon stand unbeweglich da, ihr runzeliges Gesicht zeigte nicht die geringste Erregung. Ihre dünnen Lippen waren fest geschlossen, als ob sie irgendeinen Ausdruck von Schmerz zurückzuhalten suchte.

 

»Was, nicht ein Wort, Madelon?« rief ihr Herr. »Ich habe gedacht, Du würdest beim Anblick von so viel Schönheit und Anmut in Entzücken geraten. Ist denn nichts im Stande, Dich Deiner Teilnahmslosigkeit zu entreißen? Willst Du immer so leben, für nichts Interesse hegend, als für die bloßen Interessen Deines Dienstes?«

 

Die Frau runzelte die gefurchte Stirne und ein tiefer Seufzer entwand sich ihrer Brust, aber sie sagte nichts.

 

Madelon, die seit zehn Jahren sich in M. Laubarries Dienst befand, war eine der hässlichsten Frauen in der Umgegend; aber sie war dabei eine höchst wertvolle Dienerin: tätig, reinlich, gehorsam und geräuschlos. Ihr Gebieter schätzte und achtete sie deshalb, wie sie es verdiente.

 

Da er fand, dass sie ihm nicht antwortete, so sagte Laubarrie nichts mehr, sondern hing stillschweigend sein Bild auf. Er war an Madelons düsteres Wesen gewöhnt und achtete selten darauf.

 

Wenige Minuten danach verließ sie das Zimmer, kehrte aber nach einer kleinen Weile mit einem Brief in der Hand wieder zurück.

 

»Für Monsieur,« sagte sie, ihn auf den Tisch legend.

 

Briefe waren seltene Gegenstände bei den alten Gelehrten.

 

Man kann sich deshalb denken, mit welcher Begierde er das Siegel erbrach und das Blatt entfaltete.

 

Als er den Inhalt desselben vollständig gelesen hatte, rief er, lebhaft erregt, seine Haushälterin.

 

Madelon erschien sogleich.

 

Ihr Gebieter stand in der Mitte des Zimmers und sah aus, als ob er vor Freude tanzen wollt.

 

»Meine gute Madelon,« begann er mit einer Stimme, die vor Aufregung zitterte, »meine gute alte Seele, unserm stillen Hause wird eine große unverhoffte Freude widerfahren. Ein alter Freund, den ich eine ganze Ewigkeit nicht gesehen, ist im Begriff, mir hier in meiner Einsamkeit einen Besuch abzustatten. Er ist eine große Person, ein Gesandter an einem auswärtigen Hof, und wir müssen unser Bestes tun, um ihn gehörig zu bewirten. Er befindet sich auf dem Wege nach Toulon, will aber einen Abstecher hierher machen, um mich vor seiner Einschiffung zu sehen. Nun lass uns Alle ans Werk gehen.« fuhr er fort; »Nanette soll das Gastzimmer herrichten und Du, Madelon geh in die Küche und besorge für unser Dinner das Beste, was Du aufbringen kannst. Der Marquis de Bruyere wird vor Sonnenuntergang hier sein.«

 

Madelon antwortete, dass sie alles tun wolle, was in ihrer Macht stehe und, ohne auf fernere Befehle zu warten, verließ sie eilends das Zimmer und ging in die Küche.

 

M. Laubarrie und sein Freund hatten einander seit dem Jahre 1787 nicht mehr gesehen. Beim Beginn der Revolution war der Marquis ausgewandert und kehrte erst nach der Restauration der Bourbons wieder zurück, von denen er mit Ehren und Reichtum überhäuft wurde.

 

Obschon die Ankunft des Marquis nicht vor Sonnenuntergang erwartet wurde, so konnte sich M. Laubarrie doch nicht enthalten, beständig vor die Tür zu treten, um sich nach dem Wagen des reisenden umzusehen.

 

Endlich zeigte sich Nanette, die kleine Dienerin, die er auf Spähe ausgesandt hatte, in atemlosem Zustand an der Gartentür, ihrem Gebieter durch Zeichen zu verstehen gebend, dass der erwartete Gast in Sicht sei.

 

Darauf stürzte dieser mit freudestrahlendem Gesicht und in der höchsten Aufregung hinaus.

 

»Wo ist er? Wo ist mein teurer alter Freund?« rief er, fast außer sich vor Vergnügen.

 

»Dort ist der Herr, Monsieur,« antwortete das Mädchen, hinunter auf den Weg deutend.

 

»Aber sein Wagen? Ich sehe ihn nicht. Es wird ihm doch kein Unglück zugestoßen sein!«

 

Das Mädchen, das scharfe Augen hatte, bemerkte, dass der Reiter, der auf einem Esel herankam, der vornehme Herr sein müsse.

 

»Beim Himmel, er ist wirklich auf dem Rücken eines Esels!« rief M. Laubarrie, seine beiden Hände voll Verwunderung emporhebend, dass er einen Gesandten ohne Begleitung und in diesem Aufzug erblickte. Hinter dem Esel marschierte ein Landmann her, der die Reisetasche des Reiters trug und mit einem tüchtigen Prügel das träge Tier antrieb.

 

M. Laubarrie eilte seinem Freunde entgegen, der, als dieser sichtbar wurde, sofort abstieg. Der Gelehrte vergoss Tränen der Freude, als er den Marquis ans Herz drückte.

 

»Ah, dies ist ein glücklicher Tag für mich! Ich hätte niemals gedacht, dass ich den teuersten Freund meiner Jugend noch einmal umarmen würde, wie ich Sie jetzt umarme Marquis!«

 

»Marquis!« rief der neue Ankömmling, indem er seien Arm in den von Michael Laubarrie schlang. »nein, Du musst mich Gilbert nennen, wie Du es sonst getan hast. Aber jetzt lass mich Dich einmal recht ansehen, Michael. Sehr wenig verändert! Ich hätte Dich sogleich erkannt.«

 

»Und Du, Gilbert, hast Dich wirklich sehr wenig verändert.«

 

Der Marquis seufzte und fuhr mit der Hand durch sein graues Haar.

»Du musst einig Schwierigkeiten gehabt haben, diesen Platz aufzufinden,« bemerkte M. Laubarrie.

 

»Schwierigkeiten! nicht die geringste,« antwortete der Marquis. »Ich habe bloß meinen Wagen auf der Hauptstraße verlassen und dem nächsten Bauern, den ich traf, ersucht, mich zu Dir zu führen und hier bin ich.«

 

»Aber wer zeigte Dir den Weg so weit, als Du in Deinem Wagen kamst?«

 

»ich bedurfte keinen Wegweiser, ich kenne diesen Teil des Landes sehr gut. Ich bin vor langer Zeit hier gewesen.«

 

»Nachdem wir uns getrennt hatten?«

 

»Zwei Jahre danach.«

»Wie seltsam!«

 

Die beiden Freunde schritten nun Arm in Arm nach dem Hause.

 

»Madelon!« rief Michael Laubarie, als er seinen Gast in das Zimmer führt, das er seine Bibliothek nannte.

 

»Nun gib mir etwas zu trinken,« sagte der Marquis, »der Staub Eurer Straßen hat mich fast erstickt.«

 

In diesem Augenblick trat Nanette mit einem Präsentierteller herein, auf dem sich Wein, Zucker, Biskuits und ein kleines Körbchen mit flaumigen Pfirsichen von einer eigentümlich gelblichen Farbe befanden.

 

»Ah, köstlich!« rief der Marquis, als Nanette ihren Teller auf den Tisch setzte. »Irgend Jemand hat es verraten, wie sehr ich diese Pfirsiche dieser Gegend liebe.«

 

Bald darauf rief Nanette ihren Gebieter mit einem langen Gesicht aus dem Zimmer.

 

»Was sollen wir anfangen, Monsieur?« rief sie in der größten Aufregung.

 

»Was gibt es?« fragte der Gebieter.

 

»Madelon ist plötzlich krank geworden und sie hat sich zu Bett gelegt.«

 

»O Himmel! Es ist doch hoffentlich nichts Ernstes?«

 

»Nein, Monsieur, es ist nur ein Anfall von Madelons schlimmen Kopfweh. Zum Glück ist das Essen fertig.«

 

»Getraust Du Dir, das Dinner ohne ihre Hilfe zu servieren?«