Mit Bildern von Hanna Wenzel
Für meine Mädchen – in Liebe
Die Liebe kennt keine Gendergrenzen. Alle lieben alle. Die-
ses Buch ist für jedes Wesen des Universums da, denn der
Kummer macht keine Unterschiede. Im Sinne der Lesbar-
keit beschränken wir uns auf die Er/Sie-Formulierung.
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KLEINE BUCHKUNDE
Liebeskummer zieht den Stecker. Du funktionierst nicht
mehr. Null Energie. Kannst nicht mehr essen, schlafen,
und selbst aufzustehen erscheint dir schon zu viel. Ist es
ganz schlimm, verabschiedet sich sogar dein Lebensmut.
Dieses Buch soll helfen. Es nimmt dich ernst.
Love Hurts begleitet dich in den verschiedenen Pha-
sen der Trennung. Es begleitet dich im Schmerz, in der
Trauer, in der Wut – dabei weicht es wie ein guter Freund
nicht von deiner Seite. Auch dann nicht, wenn du dich im
Strudel der Ereignisse zu verlieren drohst.
Es urteilt nicht.
Liebeskummer verläuft nicht immer linear, ist nicht
immer logisch. Es wird bessere Tage geben und danach
wieder richtig beschissene. Sei geduldig mit dir. Du liest,
wenn du Trost und Hilfe suchst. Steig ein, wo du willst,
lass es los, wann du willst. Du bestimmst den Rhythmus
und die Zeit, die du brauchst. Und du bestimmst, was du
für dich aus diesem Buch ziehst. Es ist ein Angebot.
Damit du verstehst, was in diesen Zeiten in deinem Kör-
per und deiner Psyche vor sich geht, bieten Expertinnen
ihr Wissen an. Und so schenkt dir Love Hurts die Mög-
lichkeit zu wachsen. Es schärft die Selbstreflexion. Dein
Ich wird gestärkt und du übernimmst die Verantwortung
für das eigene Glück. Und irgendwann hältst du inne und
spürst: Der Kummer verzieht sich mehr und mehr.
Du bist bei dir.
Und du bist gewappnet – für neue wundervolle Liebes-
abenteuer.
INHALTSVERZEICHNIS
Kleine Buchkunde | Einleitung
Ende 14
Schock | Abhängigkeit | Sehnsucht
|
Zusammenbruch
Trauer
|
Suizidgedanken
|
Hilfe
Verzweiflung
49
Abwehr | Hoffnung | Wut
Verantwortung
79
Trauma | Aufarbeitung | Selbstliebe
Besinnung
111
Gefühle | Erkenntnis | Neuausrichtung
Anfang
143
Mut | Dating | Vertrauen
Danksagung | Quellen
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EINLEITUNG
Du fällst und fällst. Du möchtest schreien, doch
aus deinem Mund kommt kein Ton. Es ist aus.
Eben noch auf Wolke 7 – Liebe, Schwerelosigkeit
und Glück. Und boom! Plötzlich im freien Fall.
Liebeskummer. Liebe und Kummer. Diese zwei sind ein
Paar und gehören untrennbar zusammen. Das eine gibt
es nicht ohne das andere. Vielleicht am Anfang, wenn die
Liebe sich so herrlich duftig leicht anfühlt und nach Zu-
ckerwatte schmeckt. Aber irgendwann kommt der erste
kleine Stich – ein Streit oder ein bisschen Eifersucht –,
und dann spürst du, wie sehr du dem anderen dein Herz
geöffnet hast. Du bist verwundbar. Ab jetzt ist der Kum-
mer immer leise mit dabei. Shit.
Liebeskummer. Das Wort selbst kommt fast harmlos da-
her. Dabei hat kaum etwas so eine zerstörerische Kraft.
Eine Atombombe für die Seele. Liebeskummer kann dei-
ne Freude, deinen Antrieb und manchmal sogar deinen
Lebenswillen brechen. Denn du warst bereit, alles zu
geben, und hast es vielleicht auch getan, und dann hat
deine große Liebe das weggeworfen, einfach so.
Zuerst spürst du nichts, bist wie gelähmt, fassungs-
los. Dann kommen die Höllenschmerzen. Es ist,
als explodiere dein Herz. In dir toben alle Gefühle
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gleichzeitig. Unglaube, Trauer, Wut, und dann ist
da auch noch die Liebe, die trotzig bleibt, wo sie
ist. Das alles passt nicht zusammen. Nach außen
Schockstarre und in dir der Sturm.
Es zerreißt dich.
Liebeskummer. Das Wort bedeutet auch Neuanfang.
Nichts ist danach wie vorher. Diese Erfahrung macht
etwas mit dir. Ob du willst oder nicht. Dass darin viel
Gutes liegt – daran kannst du jetzt noch nicht glauben,
doch es ist so. Dein Herz wird Narben davontragen, aber
heilen. Und du wirst wieder Liebe spüren. Versprochen.
ENDE
»Liebe ist eine wundervolle
Sucht, wenn alles gut läuft,
und eine grauenvolle Sucht,
wenn es schiefläuft.«
Helen Fisher
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Das mit uns geht nicht mehr. Es ist aus. Du schaust
auf den Bildschirm deines Handys. Die Buch
s
taben ver-
schwimmen. What? Wo gestern noch Herz-Emojis ver-
schickt wurden, siehst du nur das Wort
aus
aus
aus.
Du rufst an, wirst weggedrückt. Und noch mal. Und noch
mal. Du schreibst, doch auf deine Nachrichten folgt nur:
Stille.
Du bist wie betäubt. Fühlst dich wie unter Wasser.
Geräusche dringen nicht mehr an dein Ohr. Du nimmst
deine Umwelt nur noch verzerrt wahr. Die Luft wird
knapp. Was passiert hier gerade? Du wankst in dein
Zimmer, schließt die Tür und lässt dich auf dein Bett
fallen. Du gehst im Kopf euer letztes Treffen durch,
euer letztes Gespräch. Wort für Wort. Keine Andeutung,
nichts. Und hey, wir hatten doch noch Sex!
Du nimmst dein Handy und betrachtest eure Fotos.
Hier küsst ihr euch und hier wart ihr zusammen schwim-
men am See an diesem heißen Sommertag. Dein Bauch
krampft. Wo gerade noch Schmetterlinge Party machten,
tobt plötzlich ein Krieg. Tränen. Du begreifst gar nichts
mehr. Das kann doch nicht wahr sein!
Aber es ist wahr. Es ist zu Ende.
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Die nächsten Stunden und Tage erlebst du wie im Traum.
Ein Albtraum. Alle Versuche, mit der Ex-Liebe Kontakt
aufzunehmen, scheitern. Du wirst geblockt. Ablehnung
auf allen Ebenen. Du kommst nicht klar. Ziehst dich mehr
und mehr zurück. Essen, aufstehen, duschen – wozu? Du
willst nicht mehr in Erscheinung treten. Du möchtest
dich auflösen, die Hülle verlassen. Davonschweben. Deine
Familie nervt. Quatscht auf dich ein. Die verstehen gar
nichts. Lasst mich doch alle in Ruhe!
Es geht dir nicht gut. Die Grübelei lässt sich nicht stop-
pen, fährt in deinem Kopf Achterbahn, macht schwinde-
lig und Angst. Klare Gedanken sind abgetaucht in unge-
ahnte Tiefen. Stiche im Herzen. Alles tut weh.
Nach einer Trennung schmerzt nicht nur die Seele, son-
dern auch der Körper. Und das ist keine Einbildung. Wis-
senschaftlerinnen haben herausgefunden, dass dieser
Schmerz tatsächlich echt ist. Warum diese Informati-
on wichtig ist? Weil der ganze Mist so greifbarer wird.
Wenn du verstehst, was in deinem Körper passiert, hilft
das enorm. Wer weiß, was da genau abläuft, der kann das
zumindest schon mal einordnen. Der weiß: Ich bin nicht
allein. Denn wenn der Körper im Allgemeinen so tickt,
dann geht es ja allen anderen auch so. Mehr oder weni-
ger. Ein kleiner Trost, aber man nimmt, was man kriegen
kann.
Doch es gibt noch einen wichtigen Grund, an dieser
Stelle die Wissenschaft mit ins Spiel zu bringen: Dein
Körper schmerzt nicht nur, er macht jetzt auch Sachen,
die er sonst nicht macht. Dein Körper ist in diesem Zu-
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stand ein echtes Arschloch. Er lügt, er betrügt, er macht
dir Dinge vor, die es nicht gibt. Besser, du weißt das.
Eine, die Licht in diese dunklen Abgründe bringt, ist
die Wissenschaftlerin Helen Fisher. Sie ist so etwas
wie ein Superstar der Liebe. Sie hat sich darauf spezi-
alisiert, Gefühle bei Liebeskummer nachzuweisen. Wie?
Sie schaut ins Gehirn. Sie macht Gehirnscans von Men-
schen, die sich gerade getrennt haben.
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Frau Fisher, wie haben Sie herausgefunden, dass
der Schmerz, den wir bei Liebeskummer fühlen,
echt ist?
Wir haben Aktivität in einer Region des Gehirns nachge-
wiesen, die auch bei Zahnschmerzen aktiv ist. Und das
hat mich wirklich überrascht. Der Unterschied zwischen
Zahnschmerzen und Liebeskummer ist bloß: Du gehst
zum Zahnarzt und der Schmerz ist weg. Und du vergisst
ihn. Aber der Schmerz, den du bei Zurückweisung spürst,
an den können sich Menschen über Monate, wenn nicht
sogar Jahre erinnern. Es ist ein körperlicher und extrem
mächtiger Schmerz. Und bei alldem spürst du immer
noch die Liebe, fühlst dich immer noch verbunden. Hin-
zu kommen Gefühle wie Verzweiflung und Angst, die wir
ebenfalls feststellen konnten.
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Warum reagiert der Körper so heftig?
Das Suchtzentrum wird aktiviert. Und das ist verant-
wortlich für alle Suchtstoffe: Heroin, Kokain, Alkohol,
Spielsucht – alle Süchte sind in dieser Hirnregion an-
gesiedelt. Romantische Liebe ist viel stärker als der Sex-
trieb. Frag mal jemanden, ob er mit dir schlafen möch-
te, und der andere sagt: Nein danke. Dann bringt dich
das ja nicht gleich um. Aber Zurückweisung in der Liebe
verursacht ernsthafte Probleme. Menschen bekommen
Depressionen, beginnen andere zu stalken oder werden
gewalttätig. Sie bringen sich um oder jemand anders.
Es ist ein wirklich mächtiges System, das da im Gehirn
aktiviert ist. Menschen vergessen nicht, wer mit ihnen
Schluss gemacht hat.
Was können wir denn tun, damit es uns besser geht?
Nicht schreiben, nicht anrufen, nicht vorbeikommen,
Liebesandenken wegschmeißen. Wie ein Alkoholiker, der
alle Schnapsflaschen entsorgt, wenn er trocken werden
will, musst du die schmerzhaften Erinnerungen loswer-
den. Geh lieber raus und unternimm was. Mach Sport,
das sorgt für die Ausschüttung der Glückshormone Do-
pamin und Endorphin. Und Endorphine sind auch super
Schmerzblocker.
Was sollten wir auf keinen Fall tun?
Es lohnt sich, verstehen zu wollen, was passiert ist. Da
ist eine Gehirnregion, die aktiv wird, wenn mit jeman-
dem Schluss gemacht wurde. Diese Region wird in Ver-
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bindung gebracht mit dem Abwägen von Gewinn und
Verlust. Es ist zu Beginn dieser Erfahrung nützlich zu
wissen, was passiert ist, und es zu verstehen, damit man
daraus lernen kann. Aber nach einer Weile sollte man mit
der Grübelei wirklich aufhören. Da hat jemand in deinem
Gehirn ein Zelt aufgeschlagen und macht es sich dort ge-
mütlich. Du musst ihn rausschmeißen.
Leiden junge Menschen anders als
ältere?
Nein. Wir sind alle gleich. Das Gehirnsystem, das mit
der romantischen Liebe in Verbindung gebracht wird,
ist vergleichbar mit dem Angstzentrum. Man hat Angst
mit 14, mit 24, 34 oder 94 Jahren. Genauso kann man in
jedem Alter lieben und in jedem Alter Zurückweisung er-
fahren und alle diese Gefühle spüren. Es gibt allerdings
einen Unterschied: Je älter man wird, desto mehr Erfah-
rungen hat man im Umgang mit Schmerz. Ich glaube,
der Schmerz ist exakt der gleiche, aber die Jüngeren sind
viel zerbrechlicher im Umgang mit diesem Schmerz.
Warum hat die Natur diese mächtige Reaktion beim
Verlust einer Liebe eingerichtet?
Nun ja, man verliert einen möglichen Partner oder eine
Partnerin, um seine Gene in die Zukunft zu schicken –
sprich, um sich fortzupflanzen. Du wirst zu einer gene-
tischen Sackgasse. Und wer schon Nachwuchs hat, ver-
liert einen Partner oder eine Partnerin, um die Kinder
aufzuziehen. Und das gefährdet ihr Überleben und die
Weitergabe deiner Genetik.
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Gibt es bei all dem Schmerz wenigstens eine
Lern
kurve?
Man hört so viel über posttraumatischen Stress, aber
niemand spricht über posttraumatisches Wachsen oder
Lernen. Und unterm Strich ist es doch so: Junge Men-
schen werden schmerzliche Liebeserfahrungen haben,
sie werden leiden und dann lernen sie daraus. Und das
ist sehr wertvoll. Wenn wir älter werden, lernen wir uns
besser kennen, finden heraus, was wir tolerieren können
und was nicht. Liebeskummer ist nicht nur eine schlim-
me Sache, er ist eine wertvolle Lektion.
Die Amerikanerin Helen Fisher gehört zu den weltweit anerkann-
testen Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der Liebe. Als An-
thropologin hat sie in vielen Kulturen geforscht und zahlreiche
Bücher zu dem Thema herausgebracht (»Anatomy of Love«). Für
ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet. 1998 begann sie mit
dem Projekt, Gehirnscans von Verliebten und frisch getrennten
Menschen aufzunehmen, die sie zusammen mit der Neurowissen-
schaftlerin Lucy Brown auswertete. Seit 2005 untersucht Helen
Fisher Menschen mit Liebeskummer.
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Nun weißt du, warum es dir so beschissen geht. Wa
r
um
du nicht mehr aufhören kannst, an deine/n Ex zu denken.
Die Liebe ist noch da. Du fühlst dich verbunden, bist es
aber nicht. Deine große Liebe wurde amputiert und das
hier ist der Phantomschmerz. Alles, was du jetzt willst,
ist, die Uhr zurückzudrehen. Zu eurem letzten guten
Moment, der sich so großartig, so innig und so richtig
anfühlte. Noch einmal dieses Gefühl spüren. Noch einmal
diesen Geruch inhalieren. Noch einmal ganz nah sein.
Aber Vorsicht! Das ist die Sucht, die wie ein kleiner
Teufel in dein Ohr flüstert. Dein Suchtzentrum gibt Be-
fehle, die nicht gut für dich sind. Deswegen machen un-
glücklich Liebende auch dumme Sachen. Sie rufen nachts
betrunken an, wenn die Sehnsucht zu groß wird, oder fan-
gen an, ihre/n Ex im Netz zu stalken. Schau dir das Wort
»Sehnsucht« mal genau an: Da steckt auch die Sucht drin.
Dein/e Ex hat deutlich gemacht, dass eure Beziehung
zu Ende ist. Es wurde ausgesprochen oder geschrieben
oder, ganz schlimm, da meldet sich einfach gar keiner
mehr am anderen Ende. Du sitzt da jetzt allein und bist
so richtig fies auf Entzug.
Nicht nur nach einer Trennung sind wir von Liebes-
kummer erschüttert. Du kannst auch den schlimmsten
Schmerz empfinden, wenn du zum Beispiel unglücklich
verliebt bist.
Vielleicht bist du es ganz heimlich, weil es eine ver-
botene Liebe ist: Du liebst den Freund deiner besten
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Freundin oder du kannst nicht aufhören, an die Freundin
deines Bruders zu denken?
Vielleicht bist du aber auch krass zurückgewiesen
worden. Der andere will dich nicht. Das ist hart. Das
Schlimmste: Das Objekt deiner Begierde will trotzdem