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NATÜRLICH
GESUND

mit Dr. Hans Gasperl

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Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren beziehungsweise Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage

© 2020 Benevento Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Umschlaggestaltung: wir sind artisten

Lektorat: Arnold Klaffenböck

Coverabbildungen: shutterstock.com

Illustrationen: Thomas Wizany

ISBN 978-3-7104-0260-9
eISBN 978-3-7104-5040-2

»In dir muss brennen,
was du in anderen entzünden willst!«

Augustinus

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Was geschieht im Körper zur Gesunderhaltung oder Heilung?

Regulationsmedizin

Salutogenese

Gesundheitsgrenzen – gesunde Grenzen

Falsche Fürsorge, falscher Weg

Heilen helfen – eine Wegbeschreibung

Was ist Gesundheit, was ist Krankheit?

Wege zur Krankheit

Training für die Gesundheit ist angesagt – ein sicherer Stand

Bausteine zum »Haus der Gesundheit«

Ernährung – das Fundament unserer Gesundheit

Essen: Wo lauern die Gefahren?

Pflanzen und ihre Geheimnisse

Wirkung und Nebenwirkung

Essen und Trinken – Vorsorge und Medizin

Gedanken zu Produkten aus der Naturapotheke

Auf den Baustoff kommt es an

Empfehlungen aus der medizinischen Ernährungswissenschaft

Gemüse und Obst – Einkaufen in der Naturapotheke

Lebensfreude und Lebenskraft durch genussvolles Essen

Saisonale »Notwendigkeiten«

Reduktionstage – der Wohlfühl- und Gesundheitsturbo

Nahrungsaufnahme und Epigenetik

Sinnvolle Nahrungsreduktion

Weitere Gedanken zur Ernährung – Gefahr der Fehlinformation

Übung macht den Meister – Wohlbefinden ist trainierbar

So könnte es ablaufen – eine Wegbeschreibung

Wie gesund sind Smoothies?

Die Entgiftungszentrale Leber

Blutfette – Freund oder Feind?

Alkohol – Genussmittel oder stille Gefahr?

Das Lebenselixier Wasser

Detox – der Mythos vom Entgiften

Darmgesundheit – Helfer und mögliche Gefahr, Antibiotika

Ballaststoffe – »Gesundheitserreger« aus der Nahrung?

Probiotika, Präbiotika – Helfer zur Darmgesundheit

Übergewicht – der moderne Ablasshandel

Zukunftsperspektiven – Kinder und Jugendliche im Gesundheitsdomino

»Übersäuerung« – Märchen oder Tatsache?

Gibt es tatsächlich »gesünderes Salz«?

Wo treiben sich Salz und seine Ionen im Körper herum?

Bewegung – Schwungrad für einen gesunden Körper

Der gute körperliche Allgemeinzustand – Basis für unsere Leistungsfähigkeit

Der Tanz der Botenstoffe

Bewegung und Gewicht – eine Stoffwechsel-Betrachtung

Bewegung im Alter – eine Kapitalanlage

Lebensordnung – Gesundheit im biologisch-natürlichen Rhythmus

Erlebnisqualitäten – auf den Pulsschlag der Natur horchen

Alter und unser »regeneratives Potenzial«

Vorsorgen, nicht abbauen – Altern ist keine Krankheit

Information durch Lebensstil – Ordnungstherapie erleben

»Natürlich« – und das über ein ganzes Jahr

Ordnen zu einem Weg

Überlegungen zum Botenstoff Melatonin

Gesund mit oder ohne Impfung – ein Aspekt der Lebensordnung

Glossar

Register

VORWORT

Bei meiner Ausbildung zum Turnusarzt war es mir ein großes Anliegen, mich mit den Techniken der medizinischen Behandlung vertraut zu machen. Ich hatte wertvolle Lehrmeister, von denen ich vieles erfahren und abschauen konnte. Besonders hilf- und lehrreich zugleich war das Vertrauen der Ausbildner, die mich dazu anhielten, selbstständig und verantwortungsvoll zu arbeiten und medizinische »Aktivitäten« zu setzen.

Damals erlebte ich, wie das Zeitmanagement während der Aufnahmeuntersuchungen (Erheben der Anamnese, Erfassen der Vor- bzw. Krankengeschichte) durch lange Gespräche zwischen Patienten und Ärzten litt. Ich beobachtete, dass bei der Durchuntersuchung von Frauen und Männern keine bildgebenden (Röntgen) oder laborchemischen pathologischen Untersuchungsergebnisse zu erheben waren – auch nicht bei bestehenden Voruntersuchungen der Betroffenen. Trotzdem schilderten Patienten Beschwerden, die augenscheinlich vorhanden waren und belastend wirkten. Somit wurde mir bewusst, dass man zwar manchen radiologischen Zufalls- oder grenzwertigen Laborbefund erfasste und behandelte – nicht aber den offensichtlich leidenden Menschen!

Den Menschen in seinem Leidensdruck ernst und seinen seelischen Zustand anzunehmen – besser noch: anzuerkennen – wurde zu meinem ärztlichen Credo. In diesem Zusammenhang lernte ich den Begriff Zuwendung im Sinne von Aufmerksamkeit und Mitempfinden richtig zu verstehen. Innerlich reifte in mir die Überzeugung: Ich möchte als Helfer nicht vorhandene oder vermeintliche Befunde behandeln, sondern den Hilfesuchenden. Die Verbundenheit von Leib und Psyche ist wohl für uns Menschen ein Grundzustand, den wir nicht vernachlässigen sollten. Daran zu arbeiten und dabei Empfehlungen weiterzugeben ist eine Aufgabe, die ich als Arzt erfüllen möchte. Der Weg dazu führt über die Botschaft, dass sich gesundheitlicher Erfolg und anhaltendes Wohlbefinden nur durch eigenständiges Denken und Handeln einstellen. Wir sind nun mal keine funktionierenden Maschinen, sondern Lebewesen mit Verantwortung für unseren körperlichen und seelischen Zustand. Dies betone ich deshalb, weil ich immer wieder erfahre, dass jene menschliche Kompetenz (un-)bewusst abgegeben oder sogar vergeudet wird. Viele handeln erst, und dies oft nur kurzfristig, wenn Probleme auftauchen und »Reparatur« angesagt ist. Die Lösung scheint darin zu bestehen, Beschwerden und Symptome körperlicher, aber auch psychischer Art bloß zuzudecken, häufig mit kurzfristigem Erfolg. Sollte es den Leidtragenden weiterhin an Einsicht fehlen, den wahren Grund der Problematik zu erfassen, entsteht wohl in absehbarer Zeit eine Spirale an Missempfinden, Erkrankungen von Organen oder durch psychische Überlastung infolge des »Ausbrennens« eines wertvollen Menschen.

Gerade als Hausarzt und »Landbader« durfte ich über zwei, drei Generationen die Eigenheiten vieler Familienstrukturen und deren Aktivitäten erleben und auch verstehen. Deswegen konnte ich bei vielen Problemen als »Heilgehilfe« beratend zur Seite stehen und Fährten legen zum Verständnis der krankmachenden Situation. Kam etwa ein Ratsuchender nach der intensiven Saison im Gastgewerbe völlig ausgelaugt zu mir, so sollte er nicht schnell wieder fit gemacht werden für den nächsten beruflichen Einsatz durch Verabreichen einer Vitamininfusionsserie und Antidepressiva. Zunächst galt es, seiner selbst beziehungsweise der eigenen Lebensumstände bewusst zu werden, also sich selbst erleben zu dürfen und nicht erleiden zu müssen. Denn die seelische Belastung lässt sich nicht wegschlucken mit Medikamenten, der Körper wird sich nur regenerieren, wenn er »stimmig« behandelt und dadurch seine Eigenregulation gefördert wird.

Der »Gesundheitsmarkt« agiert in seiner Werbung sehr verführerisch und untergräbt, ja unterbindet oftmals die Eigenverantwortung. Dabei wäre es für uns so wichtig, nicht ein Spielzeug seiner Wirkmechanismen zu werden, die in erster Linie darauf abzielen, Symptome auszuschalten und folglich den Eindruck erwecken, »die Sache« sei aus gesundheitlicher Sicht »erledigt«. Wir müssen dem Körper die Chance geben, durch sein individuelles Regulationsgeschehen Gesundheit und Wohlbefinden zu ermöglichen. Dies kann trainiert und soll geübt werden. Das ist der Denkanstoß, den ich mit meinem Buch setzen möchte. Gesundheit lässt sich selbst mit den teuersten Präparaten nicht erkaufen, und wer davon anhängig wird, läuft Gefahr, zur »Gesundheitsmarionette« zu werden. Das Wichtigste ist, körperlich, geistig, seelisch aktiv und fit zu sein, den Organismus in seinem Regulationsgeschehen zu unterstützen und nicht ein permanenter »Patient« zu werden, der leidend seine »Mängel« nur verdrängt!

Für die Leserinnen und Leser dieses Buches will ich ein persönlicher Begleiter und Gedankengeber sein bei der gemeinsamen Wanderung auf dem Pfad zu Gesundheit und Wohlbefinden. Ich versuche daher auch, wie ein guter Freund zu sprechen, und erlaube mir anstelle des förmlichen »Sie« das sympathischere »Du«.

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WAS GESCHIEHT IM KÖRPER ZUR GESUNDERHALTUNG ODER HEILUNG?

Regulationsmedizin

Die Naturheilkunde beobachtet und die universitäre Wissenschaft der Medizin bestätigt, wie Lebensprozesse funktionieren beziehungsweise aufrechterhalten werden. Ungestört ablaufende oder wiederhergestellte biophysikalische Lebensvorgänge in allen unserer Zellen sind die Grundlage für einen gesunden Organismus. So kann das Geschehen der Regulationsmedizin definiert werden: »Sie wirkt vorwiegend funktionell steuernd und modulierend auf den Organismus, unterstützt Kompensationsmechanismen, aktiviert Restfunktionen und setzt Regenerationsprozesse in Gang« (Roche Lexikon Medizin).

Regulieren bedeutet, etwas so zu regeln oder zu steuern, wie es für bestimmte Zwecke sein soll. Der menschliche Organismus ist keine definierbare Maschine, sondern er lebt. In jeder Zelle findet fortwährend ein Stoffwechsel statt. Das ist ein ständiger Fluss von Energie und interzellulärer Information und gelingt durch fein abgestimmte Regelmechanismen aller Stoffwechselvorgänge. Diese Lebendigkeit resultiert aus dem laufenden Prozess vieler Körperfunktionen und ergibt sich aus der Steuerung jedes einzelnen Organs in seiner Funktion. So kontrolliert sich der Organismus permanent in seinem Auf- und Umbau. Um in einem optimalen Zustand zu gedeihen, damit wir gesund bleiben, versucht der Körper, durch »Regulation« sich den verschiedensten Gegebenheiten anzupassen. Ob es Temperaturen sind, welche den Körper beeinflussen, der Blutdruck, der Herzschlag oder die Steuerung der idealen Funktion jeder Körperzelle – alles hängt zusammen und wird geregelt, ohne dass wir darüber nachdenken müssen, wie es geschieht.

Diesen Abläufen liegt ein wunderbarer Steuermechanismus zugrunde, den wir unterstützen oder (zer-)stören können. Das Hormonsystem mit seinen Botenstoffen, das Nervensystem, das Immunsystem im Allgemeinen, alle Organe sind dabei die wesentlichen Spieler. Eine stimmige Balance, das Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen – die Homöostase – wäre der Idealzustand. Unsere Umwelt sowie unsere Lebensweise sind Steuerungsmechanismen dieses Geschehens. Eine Störung, die der Organismus nicht mehr korrigieren kann, wird dagegen zum Problem. Schlimmstenfalls führt sie zu einem Schaden, der sich vom menschlichen Körper nicht mehr ausgleichen, regulieren lässt. Eine anhaltende Störung ruft Fehlfunktionen hervor, die sich durch gewisse Symptome zeigen. Solche Störungen werden Krankheiten genannt, die in verschiedensten Ausprägungen auftreten. Sie zu verhindern oder zu beheben versucht unsere Regulationsmedizin. Sie zielt nicht darauf ab, einzelne Symptome zu behandeln, sondern will jene Wege, die zu einer Störung führen, gezielt erkennen und vorhandene Störfaktoren ausschalten oder gar nicht erst wirksam werden lassen.

In den folgenden Abschnitten des Buches möchte ich schrittweise eine für dich gut nachvollziehbare Gedankenkette bilden und bei dir allmählich Begeisterung zum selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Handeln auslösen. Denn um das Regulationsgeschehen unseres Körpers zu fördern, ist es notwendig, Falschinformationen abzuwehren, Fehlbelastungen zu vermeiden und damit ein Gesundheitsbewusstsein aufzubauen. Sämtliche Vorsorgeaktionen, die ich dir vorschlagen will, folgen meiner ganz persönlichen Devise, dass Gesundheit und Genuss zusammengehören, ohne einander auszuschließen. Die naturgegebenen Mechanismen, die Regulationskraft des menschlichen Organismus arbeiten zu lassen, werden dich körperlich und mit Sicherheit auch psychisch-emotional in den Wohlfühlbereich führen.

Salutogenese

Wir verfügen über ein sehr breites Feld, um dem Körper und der Psyche helfend beizustehen, damit wir schlussendlich Wohlbefinden, Selbstbewusstsein und gesundheitlichen Erfolg erreichen dürfen. Das entscheidende Schlagwort dazu lautet Salutogenese (Salus = Heil, Gesundheit; Genesis = Entstehung, Schaffung). Aaron Antonovsky, ein Medizinsoziologe, prägte diesen Begriff. Antonovsky befasste sich wissenschaftlich mit der Entstehung und Erhaltung von Gesundheit. Er entwickelte ein medizinischphysiologisches Modell zu menschlichen Eigenschaften und Aktivitäten, welche erforderlich sind, um gesund zu werden oder gesund zu bleiben. So versteht man unter Salutogenese eine kraftvolle (dynamische) Balance von Schutz- und Risikofaktoren für unsere Gesundheit. Dahinter steckt der Gedanke, dass Gesundheit über unser Regulationsgeschehen von selbst entsteht und sich auch von selbst erhält. Der grundlegende Mechanismus hierbei ist, dass dieser natürliche Weg nicht blockiert wird und die körpereigenen Regulationsaktivitäten ungehindert ablaufen können. Salutogenese bildet also das Gegenstück zur Pathogenese, welche die Entstehung beziehungsweise den Verlauf einer Krankheit beschreibt. Wir wollen im Buch aber nur das positive Geschehen betrachten.

Unser Gesundheitsstatus, eine »Momentaufnahme« des physischen und psychischen Zustands, ist für jeden von uns zu erfassen und zu begreifen. Damit vermögen wir unsere gesundheitsfördernden Möglichkeiten zu überdenken, um anschließend überlegt zu handeln. Ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren muss entstehen, wie Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit dieser einzelnen Komponenten. Ein signifikantes Beispiel dazu sind die »fünf Säulen« der Kneippmedizin, durch die sich gesundheitsrelevante Folgereaktionen im Sinne der Salutogenese entwickeln können. (Mehr dazu findest du in meinem Buch Gesund aus eigener Kraft.) Dieses Verständnis für unser Gesundheitsgeschehen – Gesundheitsgelingen – möchte ich als Arzt, der den ganzen Menschen behandeln und beraten will, weitergeben.

Im Laufe unseres täglichen Lebens werden wir mit mannigfachen Situationen konfrontiert, die uns (heraus-)fordern. Die Exposition (Ausgesetztheit) ist breit gefächert, sie reicht von körperlicher Belastung, mikrobiologischen Herausforderungen (z. B. bakterielle Infekte), unserer Lebensform, der Ernährung und Bewegung über psychisch-psychosoziale Belastungen und Aspekte hin zu Signalen aus der Umwelt. Auch körperliche Fehlbelastungen, in der Physiologie als Stressoren bezeichnet, als allgegenwärtige Begleiter sind hier zu beachten. Der Körper mit seinem Vegetativum (Steuernervensystem) reagiert auf die Summe dieser Einflüsse entsprechend, zum großen Teil unbewusst, aber auch durch überlegte, von uns gesetzte und gezielte Handlungen. Zwar unterscheiden sich Menschen voneinander in ihrer regulierend-ausgleichenden Grundausstattung und Reaktionsbereitschaft, doch wir alle sind Lebewesen mit der Fähigkeit, nachzudenken und nicht nur marionettenhaft gelenkt zu werden, zu funktionieren.

Mit diesen Gedanken möchte ich dich für meine Botschaft empfänglich machen und zu bewusstem Handeln verführen! Die uns von der Natur gegebenen Ressourcen, die vorhandene Widerstandskraft zum Wohle unserer Gesundheit zu erhalten oder auszubauen, muss aus Überzeugung unser Anliegen werden. Jenes Regelsystem des Körpers – also die Aufgabe, das dynamische Gleichgewicht für die Lebenserhaltung (Homöostase) zu fördern – sollte für uns nicht eine lästige Pflicht sein, sondern ein Verlangen werden! Bildlich gesprochen sind wir nicht nur »störungsfrei« (= gesund) oder »gestört« (= krank), sondern bewegen uns stets zwischen zwei Polen: dem Zustand der Salutogenese mit der Frage »Was hält uns gesund?« (= Gesundheitsfaktoren) und der Pathogenese mit der Überlegung »Was macht uns krank?« (= Krankheitsfaktoren). In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns das ganze Leben und sollten daher den optimalen, für jedes Individuum tauglichen und notwendigen Pfad gehen. Ich glaube, es gibt so viele Möglichkeiten dazu, wie es Menschen gibt. Dies ist auch der Grund, weshalb überall in der Medizin oder Physiologie statistische Mittelwerte herangezogen werden und keine absolut gültige Norm. Ein Beispiel aus dem Stressgeschehen soll veranschaulichen helfen, was ich meine: Eine Person verspürt höchsten Druck und Belastung, wenn sie öffentlich sprechen muss, eine andere hingegen erfüllt das mit Freude und verspürt keinerlei Stress. Jetzt hängt es davon ab, welche Strategie die belastete Person entwickeln kann, diesen Druck abzubauen, um nicht Schaden zu erleiden. Hier wird der Betroffene jene Methoden wählen, die ihm probat erscheinen.

Situationsbedingte Unterschiede müssen mit entsprechender effizienter Strategie personenabhängig ausgeglichen werden. Dabei ist folgende Überlegung wichtig: Bin ich imstande, die entsprechenden »Zustände«, Lebenssituationen zu meistern? Hier kann körperlich oder geistig trainiert und anschließend gehandelt werden. Selbstverständlich dürfen wir auf Erfahrungen anderer Personen zurückgreifen. Bei einer Blinddarmentzündung etwa werde ich einen Chirurgen konsultieren, bei Depressionen einen Psychologen um Rat fragen, je nachdem, welche Leiden oder Belastungen mich gerade quälen. Silvia Breier, eine Mentaltrainerin aus Wien, nennt in einem Artikel (»Resilienz und Salutogenese – was ist das?«) ihrer Homepage Grundeigenschaften, um sich hierbei richtig und erfolgreich zu verhalten: »Flexibilität ist gefragt. Immer dieselbe Lösung für ein Problem funktioniert nicht. Geistige Flexibilität und die Entwicklung situationsadäquater Handlungsstrategien sind gefragt. Die gute Nachricht: das kann man lernen.«

Damit sind wir wieder bei meinem Ansinnen, dich zu »programmieren« in deiner Gesundheitseinstellung und bei der Überzeugung, den Körper reagieren zu lassen in seiner Abwehr- und Regenerationsbereitschaft (Regulationsmedizin), aber auch bei der Bildung von Resilienz auf psychischer (psychosomatischer) Ebene. Wobei wir Resilienz als Widerstandsfähigkeit definieren können, um psychische wie körperliche Krisen zu überwinden. Menschen mit Autos zu vergleichen ist höchstens mit Einschränkungen zulässig. Dennoch möchte ich dir ein Zitat des Modeschöpfers Karl Lagerfeld nicht vorenthalten, das einen gewissen Wahrheitsgehalt besitzt: »Der Körper ist wie ein Auto. Wenn man gut darauf aufpasst, hat man am Ende ein Vintage-Modell« – folglich einen besonders ausgezeichneten Jahrgang.

Gesundheitsgrenzen – gesunde Grenzen

Wir Menschen sind von Natur aus Bewegungswesen und sollten diese Eigenschaft nutzen und genießen. Fehlverhalten in Form von Bewegungsmangel oder Überforderung stellt einen Risikofaktor dar. Ärztliche Beratung durch Fachleute ihres Gebiets ist gewiss nicht unwichtig – aber ab wann muss eingegriffen werden? Wenn jemand schneller über die Stiege zu gehen versucht: Muss man hier schon eine Palette von Untersuchungen apparativer Art bis zu einem Lactattest durchziehen? Muss das Kind, der Jugendliche, weil es/er für eine Sportart Interesse zeigt, ein breit gefächertes Untersuchungsprogramm durchlaufen? Sollte sich eine besondere Neigung für eine bestimmte sportliche Richtung herauskristallisiert haben, ist es sinnvoll, adäquate Untersuchungs- und Trainingsprogramme zu starten. Wie oft habe ich es erlebt, dass Eltern aus falschem Ehrgeiz ihre Kinder zu Sportarten gedrängt haben, bei denen sie offensichtlich selbst gern Erfolg gehabt hätten. Trainer oder Pädagogen können in solchen Fällen, wo der Wunsch der Eltern der Neigung und Eignung der Kinder entgegensteht, erfolgreich beratend vermitteln. Aus der idealen Kombination von Selbstbewusstsein, Selbstbestimmung und Beachtung eines Heranwachsenden kann Großes entstehen. Daher wäre es fatal, den Willen oder den Elan junger Menschen zu brechen.

Ist es verboten, ein Café oder Wirtshaus zu besuchen, weil dies manchen (sektiererischen) Ernährungskriterien nicht entspricht? Lassen wir uns von den verführerischen Botschaften aus der Reklame beeinflussen und durch Dogmen charismatischer Gurus manipulieren, sodass wir uns in fremdbestimmte Marionetten verwandeln? Dürfen wir noch eigene Empfindungen haben und auf die Signale unseres Körpers achten oder sind wir bereits Gefangene einer raffinierten Werbeindustrie oder von Gesundheitsphilosophien? Ganz klar zu unterscheiden ist zwischen Trainingsmaßnahmen und Kontrolluntersuchungen, die bei Leistungssportlern erforderlich sind, um entsprechende Trainingserfolge zu »vermessen«, sowie den »gewöhnlichen« Bedürfnissen und Ansprüchen der übrigen Bevölkerung. Als hoffentlich aktive (sportliche) Personen können wir »Normalverbraucher« auf unseren Körper und seine Reaktionen horchen. Wichtig dabei ist die Freude an der Bewegung, wie immer sie gestaltet wird, und unbestritten die enorme Bedeutung, die regelmäßiger körperlicher Betätigung zur Förderung unserer Gesundheit zukommt. Dementsprechende Aktivitäten – allein, im Freundeskreis oder in einem sinnvoll arbeitenden Fitnessstudio – machen sich gewiss positiv bemerkbar, sofern sie mit dem individuell passenden Ausbau unserer Leistungsfähigkeit einhergehen.

Falsche Fürsorge, falscher Weg

In meiner ärztlichen Praxis beobachtete ich immer wieder eine ganz falsche Spur der »fürsorglichen« Hilfe für Kinder in, wie ich es sehe, einer nachteiligen Art, wenn offensichtlich »Belastung« angesagt war. Eltern versuchten oft (übergewichtige) Kinder vom Turnunterricht zu befreien. Ein gewisses Maß an emotionaler oder körperlicher Herausforderung ist, ja sollte ein ganz normaler Weg in der Entwicklung zur Selbstständigkeit einer Person sein. Passende Forderung erscheint mir immer wichtiger und wertvoller als die Unterforderung zur körperlich-geistigen Reifung eines jungen Menschen. Was meine ich damit, welcher Umstand mir während meiner ärztlichen Tätigkeit ernsthaft Sorge bereitete und mich innerlich belastete?

Ein Mädchen oder ein Bub im Kindergarten lernt spielerisch unter der Anleitung von erfahrenen Pädagoginnen ein Gedicht oder etliche Sätze für ein kleines Theaterstück, für ein Hirtenspiel oder eine andere Festlichkeit. Da kommt die Mutter und will, weil das Kind »aufgeregt« sei, homöopathische Globuli oder Notfalltropfen, um die »Spannung« zu reduzieren. Ähnliche Situationen sollten später dann in der Schule oder bei Sportveranstaltungen eintreten. Bei meiner medizinischen Beratung versuchte ich zu vermitteln, dass ein gewisses Maß an Spannung oder Erwartungsangst die Form einer »gesunden Belastung« für das Kind sei, also etwas durchaus Positives darstelle – im Unterschied zu dem von der Mutter ausgesprochenen Wunsch nach Hilfe, um dem Kind Erleichterung zu verschaffen. Meine ablehnende Haltung traf auf Unverständnis bei den besorgten Erziehungsberechtigten: Dass ich ihrem Kind nicht helfen wolle, sei unverständlich, man werde sich wohl anderswohin wenden müssen. Selbst in einer derart komplizierten Lage setzte ich darauf, mit Argumenten zu überzeugen. »Gesunder Stress« sei Kindern zumutbar und elterliche Zuwendung wohl das Wertvollste. Man könnte aufgeregten Kindern vor einem Auftritt etwa vermitteln, dass in derartigen Situationen auch bei uns Spannung vorhanden war, gelegentlich sogar Angst. Dies würde jedoch nicht Schwäche zeigen, sondern eher das Gegenteil.

Eine gewisse Spannung, Herausforderung in verschiedenen Lebensabschnitten ist wichtig zur Persönlichkeitsformung, denn sie lässt Pflicht, Verantwortung und sogar berufliche Drucksituationen entsprechend positiv verarbeiten. Die Chance, aus Belastung und Ausgleich den Körper und Geist reifen zu lassen, ist und wird ein wertvoller Trainingsverlauf für das (spätere) Leben! Der Aufbau von Anpassung, Stabilität und Gleichgewicht führt uns in einen harmonischen Zustand – modern bezeichnet als »Work-Life-Balance«.

Die größte Gefahr – und das versuchte ich eindringlich zu transportieren – sei die möglicherweise falsche »Programmierung« eines heranwachsenden jungen Menschen, die ihn zu der Annahme verleiten könnte, dass es gegen jede Form von Belastung (Stress, Exposition) ein entsprechendes Mittel gäbe. Aufgrund einer solchen Erwartungshaltung könnte in späteren Lebensabschnitten der Zugang zu »beruhigenden Hilfsmitteln« jeglicher Art von Alkohol, Medikamenten oder anderen abhängig machenden Substanzen vorgezeichnet sein. Leider musste ich dies bei manchen Jugendlichen, die ich über viele Jahre kannte, tatsächlich beobachten, daher die angesprochene Betroffenheit meinerseits. Wachsen Kinder mit der Information auf, dass sie in Belastungssituationen Globuli und bei leichtesten Infekten Vitaminsäfte oder propagierte immunstärkende »Aufbaumittel« erhalten, erliegen sie möglicherweise einer irreführenden Prägung.

Heilen helfen – eine Wegbeschreibung

Zuwendung durch die Kraft der Worte, Zuwendung durch körperlichen Kontakt im Sinne des Wortes »behandeln«, also »Hand anlegen«, bildet eine wesentliche Grundlage eines Heilerfolges. Berühren erzeugt Heilkraft und verursacht durch die taktilen Reize vielfältige Signale, die wiederum Botenstoffe unseres Körpers in Bewegung setzen, um eine positive Regulation zu bewirken. Soma, die Gesamtheit des Körpers, der Leib, und die Psyche, der Ort menschlichen Fühlens und Denkens, reagieren über unseren Steuernerv Vagus, der jede einzelne Zelle kontrolliert. Hier liegt die Wurzel unserer regulatorischen Systeme, die den Körper in Form von Ausgleich und Heilung beeinflussen. Im Prinzip läuft ein ständiger Selbstheilungsprozess, den wir durch unseren Lebensstil und Gedanken (Emotionen) beeinflussen. So glaube ich, wird jeder Mensch den Wunsch haben, gesund zu bleiben oder gesund zu werden. Ebenso muss der Heiler/Arzt den Wunsch in sich tragen, durch seine Beeinflussung dem Klienten Heilung zu bringen. Moralische und physische Gesundheit des Behandlers sind wichtige Grundbausteine einer heilhelfenden Person. Der Heiler, in den meisten Fällen der Arzt, ist wie ein Katalysator Antreiber oder Beschleuniger zu Gesundungsprozessen. Viele »Heilhelfer« unterschiedlichster Anschauungen und Behandlungsarten nutzen ebenso mit Erfolg solche Heilwege. Heil, gesund zu werden ist wohl nicht in jedem Fall ein klar definierter Weg, der bei allen Menschen in gleicher Weise funktionieren und gelingen kann. Die Beeinflussung dazu, »gesund zu werden« oder »gesund zu sein«, bleibt im Rahmen der Selbstheilung, des Regulationsgeschehens in vielen Aspekten ein verborgenes Geschehen. Welche »Mitspieler« hier ihre Kraft entwickeln und welche Signale weitergegeben werden, entscheidet eine noch sehr geheimnisvolle Welt. Ein Faktor ist gewiss der heilsuchende Mensch, ein zweiter der Behandler. Unbestritten bleibt: Wir sind (beeinflussbare) Lebewesen und keine (funktionierenden) Automaten!

Betrachten wir das Wunderwerk des menschlichen Körpers, der mit so vielen erforschten und wohl noch verborgenen Funktionen ausgestattet ist. Jeder einzelne Körper vermag aufgrund seiner Regulationssysteme seine Homöostase wohlgeordnet ablaufen zu lassen. Das Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen ist eine Mitursache für unsere Selbstheilungskräfte. Somit heilt, regeneriert sich der Körper selbst (vorausgesetzt, wir behindern ihn nicht dabei) – es arbeitet sozusagen unser innerer Arzt. Diese biologisch-physiologisch-chemisch-elektrischen Abläufe sind »Leben«. Hier liegt eine große Gefahr, derartige Prozesse zu unserem Nachteil zu stören. Auf den Körper zu hören, seine Regulationskräfte arbeiten zu lassen oder zu fördern sollte Aufgabe für unsere Gesundheit sein. Wesentlich ist die Verinnerlichung, dass wir ein hohes Maß an Selbstverantwortung haben, solch positive Reaktionen zuzulassen und nicht zu beeinträchtigen. Wir müssen uns auch der Tatsache stellen, dass wir mit Naturgesetzen nicht verhandeln können; es ist nicht möglich, sich von ihnen freizukaufen. »Um der Natur befehlen zu können, muss man ihr gehorchen!«, hat schon der englische Philosoph Francis Bacon postuliert. Darüber könnte jeder von uns gelegentlich nachdenken – ich versuche im Buch, einen solchen Denkanstoß zu bewirken.

Was ist Gesundheit, was ist Krankheit?

Unser aller Wunsch ist, gesund zu sein, sich rundum wohlzufühlen. Kann uns dies gelingen und gegebene Tatsache werden? Wunschdenken und Wirklichkeit klaffen oft weit auseinander. Wann bin ich gesund, wie wird Gesundheit definiert? »Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen«, lautet eine Erklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gibt es nach dieser Bestimmung überhaupt gesunde Personen?

Die Grenzen zwischen einer Befindlichkeitsstörung und einer Krankheit sind feststellbare Störungen der normalen Funktionen des Körpers, der Organe beziehungsweise des seelischen oder psychischen Zustands. Interessanterweise denken wir über Gesundheit erst nach, wenn sich in der Umgebung jemand befindet, der »nicht der Norm« entspricht oder falls wir selbst davon betroffen sind. Philosophen, Naturwissenschaftler oder Theologen stellen Überlegungen dazu an und kommen zu ganz unterschiedlichen Erkenntnissen. »Gesundheit ist (…) weniger ein Zustand als eine Haltung, und sie gedeiht mit der Freude am Leben«, ist etwa Thomas von Aquin überzeugt, während der deutsche Journalist und Kritiker Ludwig Börne behauptet: »Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit.« Der deutsche Hochschullehrer Heinrich Schipperges sagt über den Begriff Gesundheit: »Gesundheit ist kein Begriff, sondern eine Einstellung, kein Zustand, sondern ein Habitus«, und das medizinische Wörterbuch Pschyrembel bietet folgende Definition an: »Gesundheit ist das subjektive Empfinden des Fehlens körperlicher, geistiger und seelischer Störungen oder Veränderungen bzw. ein Zustand, in dem Erkrankungen und pathologische Veränderungen nicht nachgewiesen werden können.«

Immer schon dürften sich (betroffene) Menschen bei körperlichen, geistigen oder seelischen Abweichungen Gedanken gemacht haben über die Ursachen einer subjektiv empfundenen »Erkrankung«. Wodurch entsteht ein »irregulärer« physischer oder/und psychischer Zustand – ein sogenanntes Krankheitsgeschehen? Das ist ein für jede Person interessantes, wohl auch geheimnisvolles und in den meisten Fällen nicht sicher definierbares Geschehen. Über Jahrtausende gibt es Erklärungsversuche, welche dem Thema Krankheit eine »Ursache« geben wollen. Die Ursachen vermutet man an vielen unterschiedlichen Stellen und mannigfaltigen Quellen und interpretiert sie dementsprechend. Der Mensch in seinem Wissensdrang und oft auch in vorhandener religiöser Abhängigkeit versucht Lebensabläufe zu verstehen und zu begreifen, aber auch immer wieder hinter so manches Geheimnis zu blicken. Besonders im Mittelalter neigte man dazu, Krankheiten als eine Strafe Gottes im Zusammenwirken mit der Macht des Teufels zu deuten. Folglich könne Heilung lediglich durch die Kräfte und das Wohlwollen Gottes erfolgen. Doch auch bei den »heidnischen« Göttern lassen sich unterschiedliche Qualitäten festmachen, um uns Menschen zu strafen, abhängig von unserem Lebenswandel.