Der Jesuit aus Lusitanien

Der Jesuit aus Lusitanien

Romanbiografie

Gloria Kaiser

Seifert Verlag

Inhalt

Prolog

1. Die Berufung

2. Diplomat, Missionar – und eine Fernliebe

3. Angesichts des Todes …

4. … sich an das Leben halten

5. Im Visier der Inquisition

6. »Die Nordische«

7. Abschied

Nachwort

»Wie sollen Worte sein?

Worte müssen sein wie die Sterne, klar und ­verständlich und erhaben.

Worte müssen so genau sein, dass die einfachen Menschen sie verstehen,

und sie müssen so erhaben sein, dass die ­Gebildeten großen Nutzen daraus ziehen.

Der Bauer findet in den Sternen Fingerzeige für seine Arbeit, der ­Seemann für die Schifffahrt, der Mathematiker für seine Beobachtungen und ­Berechnungen.

So sollen Worte sein.«

(Antonio Vieira SJ)

Prolog

Wir sind zu einer Pilgerreise aufgebrochen. Ganz plötzlich haben wir uns dazu entschlossen, denn es hat sich so viel Unerledigtes in uns angehäuft.

Unser Innerstes lässt sich nicht länger hinhalten; so kann es nicht weitergehen, es muss geordnet werden. Wir müssen für unsere Seelenlandschaft neue Pfade finden; deshalb unsere Pilgerreise. Auch wollen wir unserem Denken, unseren Wünschen die Scheuklappen abnehmen.

Wir sind zur Pilgerschaft aufgebrochen, denn wir haben Höllenkreise durchwandert in den Dezennien unseres Lebens. Immer haben wir Entscheidungen getroffen, rasch und gezielt, Kopf oder Zahl, dieser oder jener, diese oder jene.

Die Augen verlieren die Sehkraft mit den Jahren, so haben wir uns getröstet, und unser Leben weiter in der Balance gehalten. Immer haben wir alles abgedient und abgezahlt, jeden Freundschaftsdienst, jede Umarmung, jedes gute Wort. Und dabei sind wir schweigsamer geworden und einsamer.

Deshalb sind wir ausgeschritten, und jetzt stellen wir erleichtert fest, dass wir am richtigen Platz angekommen sind.

Es gibt diese einzigartigen Plätze und Orte, da geschehen Dinge, die man nicht erklären kann, die aber jeder fühlt. Wir brauchen keine wissenschaftlichen Beweise. Wir wandern von Kontinent zu Kontinent und fühlen, wir sind angekommen.

Wir schauen zum Meer. In unendlicher Entfernung stoßen die beiden Linien aneinander, das Blau des Himmels und das Blau des Meeres. Diese Linie von einem Blau zum anderen Blau verunsichert uns, denn wir sehen darin nicht das Naturschauspiel Himmel und Meer in gebieterischer Haltung, sondern uns erschreckt diese Linie.

Wie oft sind wir in unserem Leben schon an eine Linie gekommen, und es ist neuerlich eine zu überschreiten. Wir können nicht mehr davor flüchten, denn die noch vor uns liegenden Jahre werden weniger.

Eigentlich sollten wir im Überschreiten von Linien längst Routine haben. Über manche Lebenslinien sind wir hinweggeschritten, denn dahinter wartete Höheres, Besseres auf uns. Dann waren Linien, die konnten wir überspringen; und es kamen Linien, die wir durchwaten mussten, mühsam. Wir suchten nach Halt und konnten uns kaum aus dem reißenden Gewässer, aus dem Sumpf befreien. Dann blieben wir lange am Ufer liegen, bis die Erschöpfung von uns abgelassen hatte, und als wir aufstanden und unser Bild im Spiegel des Flusses suchten, sahen wir darin einen anderen Menschen. Die Linie überschritten, übersprungen, durchwatet, und ein anderer geworden.

Das ist Augentrug, redeten wir uns ein und drehten uns weg von unserem Spiegelbild, und wir schleppten uns weiter, die nächsten Schritte unseres Weges.

Unsere Pilgerschaft führt uns in eine neue Seelenlandschaft, da wirken Kräfte im Guten.

Jetzt hören wir schon die Zweifler und Skeptiker – sie sagen, unsere Wahrnehmung täuscht uns. Diese Landschaft gibt es in Wirklichkeit gar nicht.

Das kann sein, dass jene, die mit dem Rechenstab unterwegs sind, diese Landschaft nie finden. Wir aber haben unserer inneren Stimme vertraut und haben die für uns bestimmte Landschaft gefunden, und hier ist alles, wie es geschildert wird.

Hier ist er noch zu spüren. Sein schwarzes Mönchskleid wischt über Pflastersteine; gehen wir mit ihm, gehen wir mit Antonio Vieira den Pilgerweg, wenn wir ihm zuhören, werden wir fast auf alle Fragen Antworten erhalten. Er wird uns helfen zu bitten und zu danken, auch daran haben wir lange nicht mehr gedacht.

Gehen wir den Weg mit Pater Antonio Vieira.