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Martin Haller

Alte Haus- &
Nutztierrassen

neu entdeckt

Leopold Stocker Verlag
Graz – Stuttgart

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ISBN 978-3-7020-1512-1

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© Copyright by Leopold Stocker Verlag, Graz 2015

Layout: DSR Werbeagentur Rypka GmbH, A-8143 Dobl/Graz, www.rypka.at

INHALT

Vorwort

Einleitung

Über Gattung und Art

Alle Tiere in diesem Buch

Frühe Zähmung

Von den Rassen

Die Organisationen

Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen

ProSpecieRara

ARCHE Austria (früher: VEGH)

Die Gattungen

Pferde

Geschichte

Tarpan (Stammform)

Arenberg-Nordkirchener und Lehmkuhlener Pony (D)

Das Bosnische Pferd (A, BIH)

Dülmener (D)

Furioso-North Star (A, H)

Przedswit (A)

Gidran (A, H)

Huzule (A, RO)

Jütländer Kaltblut (DK, D)

Kinsky-Pferd (A, CZR)

Kladruber (A, CZR)

Knabstrupper (DK, D)

Leutstettener (Sárvárer) (D, H)

Lewitzer Pony (D)

Lipizzaner (A, SLO)

Nonius (A, H)

Noriker (bes. Farbschläge) (A)

Osteuropäische Kaltblut-Rassen

Ungarn
Slowakei
Kroatien

Posavina-Pferd/Posavac (HR, A, SLO)

Rheinisch-Deutsches Kaltblut (D)

Rottaler (D)

Schleswiger Kaltblut (D)

Schwarzwälder Kaltblut (Fuchs) (D)

Schweres Deutsches Warmblut (D)

Senner Pferd (D)

Shagya-Araber (früher: Araberrasse; A, H)

Württemberger (Alter Typ) (D)

Esel

Geschichte

Weißer Barockesel (A, H)

Rinder

Geschichte

Ur/Auerochse (Stammform)

Angler Rind (D)

Ansbach-Triesdorfer Rind (D)

Braunvieh (Original, Montafoner) (D, A, CH)

Deutsch-Shorthorn (D)

Ennstaler Bergschecke (A)

Evolène-Rind (CH)

Gelbvieh; (Gelbes) Frankenvieh (D)

Glan-Rind; Glan-Donnersberger (D)

Hausbüffel (HU, RO, I, A)

Jochberger Hummel (A)

Kärntner Blondvieh (A)

Limpurger Rind (D)

Murbodner Rind (A)

Murnau-Werdenfelser Rind (D)

Pinzgauer Rind (A)

Pustertaler Sprinzen (A)

Rätisches und Tiroler Grauvieh (A, CH)

Rotes Höhenvieh (D)

Harzer Rotvieh
Vogelsberger Rind
Vogtländer Rotvieh

Schwarzbuntes Niederungsrind (D)

Tux-Zillertaler Rind (A)

Ungarisches Steppenrind (A, H)

Vorder- und Hinterwälder Vieh (D)

Waldviertler Blondvieh (A)

Wittgensteiner Blessvieh (D)

Schweine

Geschichte

Wildschwein (Stammform)

Angler Sattelschwein (D)

Deutsches Sattelschwein (D)

Buntes Bentheimer Schwein (D)

Mangalitza-Schwein (H, A)

Morava-Schwein (A, HR)

Rotbuntes Husumer Schwein (D, DK)

Schwäbisch-Hällisches Schwein (D)

Turopolje-Schwein (A, HR)

Schafe

Geschichte

Mufflon (Stammform)

Bentheimer Landschaf (D)

Braunes Bergschaf (D, A)

Engadiner Schaf (CH)

Bündner Oberländer Schaf (CH)

Coburger Fuchsschaf (D)

Kärntner Brillenschaf (A, SLO, I)

Leineschaf (D)

Merinoschaf (Fleisch-/Langwolltyp) (D)

Ostfriesisches Milchschaf (D)

Rauwolliges Pommersches Landschaf (D)

Rhönschaf (D)

Saaser Mutten (CH)

Skudde (D)

Spiegelschaf (CH)

Steinschafe (A, D, SLO)

Alpines Steinschaf
Bayerisches Steinschaf
Original Steinschaf
Krainer Steinschaf
Montafoner Steinschaf
Tiroler Steinschaf

Walachenschaf (Valaska) (D, A, H, SK)

Waldschaf (A, D)

Walliser Landschaf (CH)

Weiße Heidschnucke (D; gehörnt und hornlos)

Weißköpfiges Fleischschaf (D)

Zackelschaf (A, H)

Ziegen

Geschichte

Bezoarziege (Stammform)

Appenzeller Ziege (CH)

Blobe (Blaue) Ziege (A)

Bündner Strahlenziege (CH)

Erzgebirgsziege (D)

Frankenziege (D)

Gämsfarbige Gebirgsziege (A, CH)

Graue Bergziege (auch: Cavra del Sass/Steinziege/Capra Grigia; CH)

Harz(er)ziege (D)

Pfauenziege (CH, A, I)

Pinzgauer Ziege (A)

Steirische Scheckenziege (A)

Schwarzwaldziege (D)

Stiefelgeiß (CH)

Tauernschecke (A)

Thüringerwald-Ziege (D)

Walliser Ziege (CH)

Schwarzhalsziege

Kupferhalsziege

Capra Sempione

Grüenochte Geiß

Hunde

Geschichte

Wolf (Stammform)

Altdeutsche Hütehunde (D)

Mittel-/Ostdeutsche Gelbbacken

Süddeutsche Gelbbacken

Mittel-/Ostdeutscher Fuchs

Harzer Fuchs

Süddeutsche Schwarze

Mittel-/Ostdeutsche Schwarze

Westerwälder/Siegerländer Kuhhunde

Schafpudel

Strobel

Stumper

Tiger

Appenzeller Sennenhund (CH)

Österreichischer Landpinscher (A), Deutscher Pinscher (D)

Spitze

Kaninchen

Geschichte

Das Wildkaninchen (Stammform)

Angora-Kaninchen

Fuchskaninchen

Deutsches Großsilber-Kaninchen

Bartkaninchen/Belgisches Bartkaninchen/Genter Bartkaninchen

Japaner-Kaninchen

Englischer Widder (nach deutschem Standard)

Luxkaninchen

Marderkaninchen

Meißner Widder

Rheinischer Schecke

Blauer Wiener

Grauer Wiener

Weißer Wiener

Geflügel

Geschichte

Altsteirer Huhn (A)

Augsburger Huhn (D)

Appenzeller Barthuhn (CH)

Appenzeller Spitzhaubenhuhn (CH)

Bergischer Kräher (D)

Bergischer Schlotterkamm (D)

Brakel-Huhn (D)

Deutsches Lachshuhn (D)

Deutsches Reichshuhn (D)

Deutsches Sperberhuhn (D)

Krüper (D)

Lakenfelder Huhn (D)

Niederrheiner Huhn (D)

Ostfriesische Möwe (D)

Ramelsloher Huhn (D)

Sachsenhuhn (D)

Schweizer Huhn (CH)

Sulmtaler Huhn (A)

Sundheimer Huhn (D)

Thüringer Barthuhn (D)

Vorwerkhuhn (D)

Westfälischer Totleger (D)

Aylesbury-Ente (D)

Orpingtonente (D)

Österreichische Haubenente (A)

Pommernente (D)

Vierländer Ente (D)

Deutsche Legegans (D)

Diepholzer Gans (D)

Emdener Gans (D)

Landgans (Österreichische und Bayerische) (A, D)

Leinegans (D)

Lippegans (D)

Blaue Pute (A)

Bronzepute (D)

Cröllwitzer Pute (D)

Perlhuhn – Österreichische Landrasse (A)

Glossar

Literatur

Danksagung

Bildnachweis

VORWORT

Unter der immer erdrückenderen Forderung nach Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft (verdient sie diesen Namen noch?) sind zahlreiche alte Haus- und Nutztierrassen sowie Pflanzensorten ausgestorben oder in ihrer Existenz bedroht. Längst ist man in der kommerziellen Tierzucht und -haltung dazu übergegangen, ausschließlich auf Leistungsparameter zu achten und Werte wie Robustheit, Anpassungsfähigkeit oder Schönheit (und viele andere) zu ignorieren. Hohe Produktivität (Milch-, Lege-, Mastleistung, Fettarmut, Fruchtbarkeit) bestimmen allein die Zuchtwahl und das Gepräge unserer Nutztiere, die vielfach längst keine „Haustiere“ mehr sind. Heute wird im wertspendenden Nutztier meist eine anonyme Produktionseinheit gesehen, die möglichst unsichtbar, geruch- und geräuschlos das zu liefern hat, was wir in großen Mengen verbrauchen oder sogar verschwenden. Ich verwende daher ganz bewusst auch die Bezeichnung „Haustier“ für unsere alten Rassen, denn sie deutet darauf hin, dass man früher auf den Bauernhöfen enger mit seinen Tieren zusammenlebte, sie gleichsam „als zum Haus gehörend“ empfand und damit eine gewisse Verantwortung für sie übernahm.

Zum Glück gibt es eine wachsende Gruppe von Enthusiasten, die sich der alten Haus- und Nutztierrassen sowie Nutzpflanzen annimmt und diese mit viel Liebe und Ambition erhalten und vermehren will. Für sie ist dieses kleine Buch geschrieben worden! Es beschreibt jene Rassen der Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Hunde, Kaninchen und des Geflügels, die im deutschen Sprachraum selten geworden oder sogar vom Aussterben bedroht sind. Es mag sich nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht immer rentieren, solche Tiere zu halten. Dies darf aber kein Grund dafür sein, dass man sie einfach vergisst oder sogar aktiv dezimiert. Sie verdienen es aufgrund mannigfaltiger Eigenschaften, erhalten und gewürdigt zu werden. Nicht zuletzt sind sie ein bedeutender und unbedingt schützenswerter Teil unserer Geschichte und Kultur!

Graz, im Frühjahr 2015

Martin Haller

EINLEITUNG

Der Zweck dieses Buches ist, eine kurze Beschreibung aller – oder doch zumindest der bekannten – Haustierrassen abzugeben, die im deutschen Sprachraum selten geworden sind. Sie werden geordnet nach Klasse, Ordnungen, Familien, Gattungen und weiter nach Arten oder Rassen beschrieben, wobei die Abfolge nach ungefährer Größe und Körpermasse erfolgt. Beginnend mit den Pferden und Eseln spannt sich der Bogen daher über die Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen bis hin zu den Hunden, Kaninchen und dem Geflügel. Innerhalb der Arten oder Rassen erfolgt die Beschreibung alphabetisch, nur in Ausnahmefällen werden eng verwandte Unterrassen an eine Hauptrasse gefügt, um die logische Abfolge zu erhalten. Fallweise werden einige Rassen oder Schläge unter einem Sammelbegriff beschrieben, z. B. wenn sie einander sehr ähnlich oder nur als Farbvarianten aufzufassen sind. (Keinesfalls ist die Reihenfolge oder unterschiedliche Länge der Beschreibungen als Wertung aufzufassen.)

Am Beginn eines jeden Kapitels steht ein kurzer Überblick über Vorfahren, Domestikation und Entstehung der jeweiligen Hausformen. Da die Forschung auf diesem Gebiet ständig fortschreitet und auch die Meinungen der Wissenschaftler auseinandergehen, stellt dieser Abschnitt nur eine Momentaufnahme aus Sicht des Autors dar – ohne einen Anspruch, die „letzte Wahrheit“ zu sein. Aufgrund der z. T. enormen Zeiträume ist es für den heutigen Tierhalter oder Züchter auch relativ unerheblich, ob z. B. die Hauspferde wirklich nur von einer einzigen Urform abstammen oder doch von zwei oder gar drei …

Manche Rassen, wie z. B. Knabstrupper Pferd oder Ungarisches Steppenrind, gehören nicht zum eigentlichen deutschsprachigen Gebiet, sind aber entweder dort auch und besonders heimisch oder befanden sich ehemals innerhalb der politischen Grenzen eines der Länder Deutschland, Österreich und Schweiz. Manche Rassen existier(t)en in einigen ähnlichen, lokalen Unterrassen (Schlägen), die entweder nur kurz angeführt oder nicht extra besprochen werden, weil sie analog zur Hauptrasse zu verstehen sind und eine eigene Beschreibung lediglich zu einer Wiederholung führen würde.

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(Foto: ProSpecieRara)

Die Rassennamen sind mit einem Kürzel für ihr jeweiliges Heimat- bzw. Zuchtland versehen, um eine geografische Zuordnung zu erleichtern. In einigen Fällen sind mehrere Kürzel angegeben, da die Rasse nicht allein in einem Land vorkommt/aus einem Land stammt. Manchmal beziehen sich die Kürzel auch auf eine frühere Verbreitung innerhalb nicht mehr gültiger politischer Grenzen. Bei einigen anderen Rassen vollzog sich deren Entstehung zwar im Ausland, der züchterische Schwerpunkt liegt heute jedoch eindeutig in einem der besprochenen Länder. Die Entenrasse Orpington oder die Rinderrasse Shorthorn entstanden z. B. in England, aber es gibt seit langer Zeit deutsche Varianten, die in der BRD mittlerweile bedroht sind. Knabstrupper und Jütländer Pferde sind zwar in Dänemark beheimatet, aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft und ihrer Beliebtheit in Deutschland werden sie allerdings hier mit einbezogen. Dänemark und Deutschland haben ja enge züchterische und historische Beziehungen.

Es wurde versucht, die meisten Rassen auf den Roten Listen der Länder Deutschland und Österreich sowie jene auf der Liste von ProSpecieRara in der Schweiz zu besprechen. Darüber hinaus werden einige nicht von diesen Verbänden geführte Rassen besprochen, die ebenfalls bedroht oder selten sind. Da sich die Bestandszahlen laufend ändern, ist keine fortwährende Aktualität garantiert, man darf jedoch davon ausgehen, dass alle besprochenen Rassen zumindest nur in klein(st)en Beständen existieren. Im Falle des Tiroler Grauviehs oder des Lipizzaners ist z. B. die Seltenheit relativ zu vergleichbaren Rassen aufzufassen und weniger als akute Bedrohung zu verstehen.

Eine Rasse gilt dann als gefährdet, d. h. in ihrem Fortbestand bedroht, wenn die Zahl ihrer Individuen unter eine bestimmte Mindestzahl sinkt. Über die anzusetzenden Grenzwerte der Populationsgrößen bzgl. des Gefährdungsstatus gehen die Meinungen auseinander, zumal diese nicht immer ausreichend sind, um die wahre Gefährdungssituation der Rasse abzubilden.

Die EU verwendet folgende Grenzwerte für die Anerkennung als gefährdete Nutztierrasse (in Herd-/Zuchtbüchern eingetragene Tiere):

Image Pferde: 5.000 Tiere

Image Rinder: 7.500 Tiere

Image Schafe: 10.000 Tiere

Image Ziegen: 10.000 Tiere

Image Schweine keine Obergrenze
Annahme ÖNGENE: 1.000 Tiere

Die FAO (Food and Agriculture Organisation of the United Nations) beurteilt die seltenen Tierrassen nach folgenden Bestandszahlen:

Image Bis zu 100 weibliche Zuchttiere – Status KRITISCH (critical)

Image Bis zu 1.000 weibliche Zuchttiere – Status GEFÄHRDET (endangered)

Image Bis zu 5.000 weibliche Zuchttiere – Status BEDRÄNGT (vulnerable)

Image Bis zu 10.000 weibliche Zuchttiere – Status SELTEN (rare)

Es gibt in vielen Zuchtländern weitere Kriterien der Seltenheit oder Schutzwürdigkeit, nach denen die Erhaltungsprogramme differenziert werden. Einen großen Unterschied macht beispielsweise, ob eine Rasse als „hochgefährdet“ oder nur als „gefährdet“ geführt wird. Bei den hochgefährdeten Rassen liegt das Hauptaugenmerk auf der unbedingten Populationsvergrößerung, um Inzucht und Bedrohung zu verringern. Erst unter dem Status „gefährdete Rasse“ mit einigen Tausend Tieren kann die eigentliche Zucht- bzw. Selektionsarbeit begonnen werden.

Man möge mir evtl. Auslassungen verzeihen; ich war bemüht, die mir bekannten Rassen und Umstände zu beschreiben, doch besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Die genauen aktuellen Bestandszahlen sind oft schwer zu ermitteln; hier können Ungenauigkeiten vorkommen bzw. veraltete Zahlen angegeben werden.

ÜBER GATTUNG UND ART

Jedem Interessierten sei geraten, sich mit der etwas variablen zoologischen Systematik zu beschäftigen. Dazu ist es unerlässlich, einige der lateinischen Namen zu kennen, denn auf manchen Gebieten ist dies noch immer die Sprache der Wissenschaft:

ImageEquus = Pferd

ImageAsinus = Esel

ImageBos = Rind

ImageBubalus = Büffel

ImageSus = Schwein

ImageOvis = Schaf

ImageCapra = Ziege

ImageCanis = Hund

ImageLepus = Hase

ImageCuniculus = Kaninchen

ImageAnser = Gans

ImageAnas = Ente

ImageGallus = Huhn

Eine allgemein akzeptierte Klassifizierung ist: Reich – Stamm – Klasse – Ordnung – Familie – Gattung – Art. Um die Verwirrung noch zu steigern, gibt es eine ganze Reihe von Zwischenklassen, wie z. B. Gruppen, Unterordnungen, Über- oder Unterfamilien, Unterarten usw. Ein Klassifikationsschema (Taxonomie) dient dazu, Objekte nach bestimmten Kriterien zu klassifizieren, das heißt, in Kategorien oder Klassen (Griechisch: EZ = Taxon, MZ = Taxa genannt) einzuordnen. Taxonomien sind dann von Bedeutung, wenn sie eine übergreifende Verständigung ermöglichen und zur Erklärung von zoologischen Zusammenhängen führen. Es ist nützlich, sich über die Unterschiede zwischen den Kategorien klar zu werden und die Grundvokabeln zu beherrschen.

Gattung (Genus) ist ein zoologischer Begriff, der an den übergeordneten Begriff Familie (Familia) anschließt und einen gemeinsamen Überbegriff von einigen Arten (Spezies) bildet. In der Zoologie bildet die Gattung eine systematische Kategorie, in der nahestehende Arten unter einer gemeinsamen Gattungsbezeichnung zusammengefasst werden. Gattungen können auch Untergattungen (Subgenera) aufweisen, die dann zwischen Gattung und Art eingeordnet werden.

Unter Art (Spezies) versteht man alle jene Tiere, deren Erbanlagen so stark übereinstimmen, dass jede Paarung innerhalb der Art zu fruchtbaren Nachkommen von voller Lebenstüchtigkeit führt. Im weitesten Sinne kann man die Art als einen Erbverband bezeichnen, eine über Generationen in sich geschlossene Population. Paarungen von Angehörigen verschiedener Arten sind möglich, führen aber meist zu unfruchtbaren oder beschränkt lebensfähigen Nachkommen (Pferd und Esel = Maultier oder Maulesel). Auch Arten unterliegen, wie alle übrigen Erbverbände, im Laufe der Zeit gewissen Veränderungen. Übrigens enden alle lateinischen Bezeichnungen für die Ordnungen auf die Endsilbe -a, alle für Familien enden auf -idae und alle für Gattungen enden auf -inae, ein Beispiel: Carnivora, Fleischfresser; Canidae, Hundeartige; Caninae, Hunde. Der Artname (Spezies) ist beschreibend.

Der wissenschaftliche Name eines Tieres besteht nur aus den beiden letzten taxonomischen Rängen, der Gattung und der Art, welche auch die spezifischsten sind. Er definiert sich aus den lateinischen Gattungsnamen (groß geschrieben) und Artnamen (klein geschrieben), daher ist es wichtig, die lateinischen Vokabeln zu kennen. Zum Beispiel ist der wissenschaftliche Name des modernen Menschen Homo sapiens, weil er zu der Gattung „Homo“ und der Art „sapiens“ gehört. Die wissenschaftlichen Namen der Arten, bestehend aus Gattungs- und Artbezeichnung, werden in Kursivschrift geschrieben.

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(Foto: ProSpecieRara)

Engadiner Schafe – in der Schweiz verbreitet

Eine Eselsbrücke für die sieben taxonomischen Hauptstufen ist folgender Spruch: „Rasch Siegte Karl Ohne Furcht Gegen Albert“ – also „Reich – Stamm – Klasse – Ordnung – Familie – Gattung – Art“. (Der erste Buchstabe von jedem Wort der Eselsbrücke entspricht dem ersten Buchstaben von jedem Wort in der Rangfolge; „Reich“ entspricht „Rasch“; „Stamm “ entspricht „Siegte “ usw.).

ALLE TIERE IN DIESEM BUCH

Nachstehend werden die in diesem Buch besprochenen Arten/ Rassen absteigend hergeleitet, beginnend mit dem Tierreich, und weiter absteigend bis zu den Arten im Wildzustand und den heutigen Rassen, die in der Hand des Menschen entstanden.

Reich: Tiere (Animalia)

Stamm: Chorda-Tiere (Chordata – Unterstamm Wirbeltiere, Vertebrata)

Klassen: Säugetiere (Mammalia – Unterklasse Plazenta-Tiere); Vögel (Aves)

Ordnungen: Unpaarhufer (Perissodactyla); Paarhufer (Artiodactyla) (zusammen: Ordnungsgruppe Huftiere, Ungulata); Raubtiere

(Carnivora); Hasentiere (Lagomorpha); Gänsevögel (Anseriformes); Hühnervögel (Galliformes); Taubenvögel (Columbiformes)

Familien: Pferdeartige (Equidae); Hornträger (Bovidae); Schweineartige (Suidae); Hundeartige (Canidae); Hasenartige (Leporidae); Entenvögel (Anatidae); Fasanenartige (Phasianidae);

Gattungen: Pferde (Equinae); Rinder (Bovinae); Schafe (Ovinae); Ziegen (Caprinae); Schweine (Suinae); Hunde (Caninae); Kaninchen (Oryctolaginae); Gänse (Anserinae); Enten (Anatinae); Hühner (Gallinae); Perlhühner (Numidinae)

Arten: Wildpferd (Equus caballus ferus/Przewalski); Wildesel (Equus africanus ferus); Wildrind/Ur (Bos primigenius); Wasserbüffel (Bubalus arnee); Wildschwein (Sus scrofa); Mufflon (Ovis orientalis)/ Argali (Ovis ammon); Bezoarziege (Capra aegagrus); Wolf (Canis lupus); Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus); Graugans (Anser anser); Stockente (Anas platyrhynchos); Bankiva-Huhn (Gallus gallus); Perlhuhn (Numida meleagris)

Hier vollzieht sich der Übergang zwischen Wildform und Hausform, der aber nicht immer klar abgrenzbar ist.

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(Foto: ProSpecieRara)

Jungtiere der Rasse Rätisches Grauvieh

Rassengruppen von: Hauspferd (Equus caballus); Hausesel (Equus africanus asinus); Hausrind (Bos primigenius taurus); Hausbüffel (Bubalus bubalis); Hausschwein (Sus scrofa domestica); Hausschaf (Ovis orientalis domestica); Hausziege (Capra aegagrus hircus); Haushund (Canis lupus familiaris); Hauskaninchen; Hausgänse und -enten; Haushühner; diverses Hausgeflügel (Truthühner, Perlhühner) ohne weitere lateinische Bezeichnung, da sehr nahe an der Wildform stehend oder nur Farbvarianten derselben.

Die einzelnen Rassen schließen hier systematisch an die Rassengruppen an. Sie sind die kleinsten definierbaren Erbverbände in der Tierzucht. Als seltene/bedrohte Rassen umfassen sie oft nur wenige Dutzend Individuen. In der Tierzucht ist das Wort Rasse ein häufig gebrauchter Begriff. Man kann sagen, dass für den Zoologen mit der Rasse die (Forschungs-)Arbeit aufhört, für den Tierzüchter aber erst beginnt. Tatsächlich ist es vor allem auf dem Gebiet der aussterbenden oder seltenen Rassen wichtig, diese relativ genau von anderen abgrenzen zu können.

FRÜHE ZÄHMUNG

Während der letzten ca. 12.000 Jahre haben wir Menschen gelernt, alle wichtigen Ressourcen zu kontrollieren – darunter vor allem die Nahrungsquellen. Damit ging auch eine tiefgreifende Veränderung der uns umgebenden Tierwelt einher; wir haben Aussehen, Lebensweise und Verhalten der Tiere durch planvolle Züchtung an unsere Bedürfnisse angepasst. Alle heutigen Haus- und Nutztiere befanden sich zuerst im Wildzustand, wurden aber im Laufe von Jahrtausenden, Jahrhunderten oder gar nur wenigen Jahrzehnten gezähmt und nach unseren Bedürfnissen umgeformt. Der Nutzen war und ist vielfältig, etwa die Verfügbarkeit von Rindern zum Schlachten oder Melken, von zahmen Pferden zum Ziehen und Reiten, Hunden als Wächter und Jagdgefährten mit feinen Sinnen. Träge, fette Schweine im Koben und wollreiche Schafe in großen Herden unter Obhut des Hirten, Hühner mit hoher Legeleistung hinter dem Haus … sie alle waren uns nützlich und sind sinngemäß auch „Nutztiere“. Die verschiedenen Tierfamilien wurden zu verschiedenen Zeiten an vermutlich mehreren Orten domestiziert. Trotz unermüdlicher Forschungen auf verschiedenen Wissensgebieten ändern sich unsere Erkenntnisse dazu immer wieder – das Thema bleibt spannend.

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(Foto: Arbeitsgemeinschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde, A. A. H.)

Ein Stumper als idealer Hütehund für Schafe

VON DEN RASSEN

Die Haustierwerdung ging allmählich vor sich und veränderte die Stammformen bzw. setzte veränderliche Formen sogar voraus (zahme, schwache oder kindliche Individuen, stark variable Fressgewohnheiten usw.). Vermutlich besaßen schon die vorgeschichtlichen Völker lokale Naturrassen oder selektierte Kunstrassen. Man wählte vermutlich absichtlich die geeigneten Tiere zur Gewöhnung oder Zähmung aus und veränderte diese weiter, mit dem Ziel, nützliche und immer leichter zu zähmende Tiere zu erhalten. Domestikation ist ein lang andauernder, progressiver Prozess. Die meisten Wildformen wurden durch die Haustierwerdung zuerst rasch kleiner und dann in jenen Eigenschaften „lukrativer“, welche der Mensch verwerten konnte (Körperkraft, Fleisch, Milch, Wolle, Eier etc.). Neben Verhaltensänderungen kam es bald zu deutlichen Farb- und Fellvarianten. Es entstanden regionale Zweckformen, die sich in Aussehen, Leistung und Verhalten mitunter deutlich unterschieden. Die Vererblichkeit dieser Merkmale stieg in den jeweiligen Verbreitungsgebieten markant an, sodass man von Schlägen oder Typen sprechen kann, die in Analogie zur „Art“ zu geografischen Rassen wurden. Diese waren vielseitig und gut angepasst und konnten mit den lokal verfügbaren Mitteln zu ausreichenden Leistungen gebracht werden.

Die Griechen, Römer, Kelten und Germanen besaßen unterscheidbare Rassen von Rindern, Pferden und Hunden, die wir aus der Literatur kennen. ARISTOTELES hinterlässt interessante, nicht immer reale Beschreibungen, JULIUS CÄSAR zeigt sie uns im kulturellen Zusammenhang. Mittelalter und Renaissance bringen nur wenig Fortschritt, zu stark greift die Kirche bremsend in die Wissenschaft ein. In der Renaissance berichtet Markus FUGGER im „Traktat von der Gestütterey“ über die systematische Pferdezucht und weist damit auf die Unterscheidung von Pferderassen hin. Der Zucht von eigentlichen Nutztieren ohne hohes Prestige wird literarisch eher selten Bedeutung gezollt – es waren eben lokale oder regionale „Nützlinge“, Teile des bäuerlichen Bestandes und damit kaum erwähnenswert.

Seit dem 17./18. Jh. kam es zur konsequenten Herausbildung der Kultur- und Zuchtzielrassen. Man führte die lokalen Schläge (Landschläge) zusammen und setzte gezielte Verbesserungsmethoden ein, wie Hybridzucht, Inzucht oder Selektion. Während zunächst noch Form- und Farbrassen im Blickpunkt tierzüchterischen Interesses standen, wurden mit der Entstehung der Vollblutzucht und den Züchtungen Robert BAKEWELLS (1725– 1795) und des Grafen Alexej ORLOW (1737–1809) sowie der Einführung von Leistungsprüfungen des Zuchtmaterials die ersten Leistungsrassen geschaffen. Vor allem die Pferdezucht wirkte von Anfang an auf alle Haustierzuchten anregend und befruchtend. Die von BAKEWELL geschaffenen bzw. verbesserten Haustierrassen Shire-Pferd, Longhorn-Rind, Leicester-Schwein und -Schaf sowie das Vollblutpferd spendeten nicht nur ihre Gene – sie waren auch Ideenträger für den Zuchtziel-Gedanken. Klare Zuchtziele, Beherrschung der Zuchtverfahren, Zuchtwahl, Ausmerzung der Minusvarianten bis hin zur Inzucht und Inzestzucht, sorgfältige Zuchtbuchführung, Leistungsprüfungen sowie darauf beruhende scharfe Zuchtauslese wurden im 18. und 19. Jh. als Zuchtverfahren anerkannt, angewendet und nachgeahmt. Spätere Autoren wie Charles DARWIN (1809–1882) denken und schreiben schon frei und konstruktiv über Zoologie und Tierzucht, ohne ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse durch religiöse Dogmen zu stark einzugrenzen.

Eine sehr klare und umfassende Definition des Begriffes „Rasse“ gibt der bekannte Hippologe Jasper NISSEN in seinem dreibändigen Werk „Enzyklopädie der Pferderassen“ (Kosmos, 1998):

„Mit dem Begriff Rasse bezeichnen wir alle Tiere einer Art, die sich durch gleiche Erbanlagen und damit Entwicklung gleicher Eigenschaften unter ähnlichen Milieubedingungen vom Rest der Art unterscheiden und sich aufgrund dieser Erbanlagen zu einer Population zusammenfassen lassen. Rassen entstehen durch Selektion in einer bestimmten Richtung und durch isolierte Vermehrung. Es ist eine Sache der Übereinkunft, des Herkommens, der Zweckmäßigkeit, manchmal auch des Zufalles und der Willkür, nach welchen Kriterien man Tiere derselben Art unter einem Rassebegriff zusammenfasst. Derartige Zusammenfassungen erfolgen nach ökologischen oder morphologischen Merkmalen, nach bestimmten Rassekennzeichen, wie zum Beispiel Farben, nach Verbreitungsgebiet zu Lokalrassen oder so genannten geographischen Rassen, nach physiologischen und nach psychischen Fähigkeiten, nach Leistungsanlagen oder nach Abstammung, in der Regel jedoch nach mehreren Kriterien.

Grundlage und Ursprung aller heutigen Rassen sind die Naturrassen, bei deren Entstehung der Einfluss des Menschen noch gering oder nicht vorhanden war. Aus den Naturrassen gehen die so genannten Landrassen hervor. Bei deren Herausbildung kommt es zu einer zunächst mehr zufälligen, dann jedoch immer gezielteren Einflussnahme durch den Menschen. Natur- und Landrassen haben viele Jahrhunderte lang, teilweise bis heute, eine wichtige Rolle im Leben der Völker gespielt. Sie sind dadurch charakterisiert, dass sie ideal an Klima, Futtergrundlage, Boden und Parasiten ihrer Umwelt angepasst sind. Sie zeichnen sich aus durch Breite der Reaktionsfähigkeit, durch vielseitige Leistungsanlagen, Erbanlagenvielfalt, Unspezialisiertheit, Erhalt der natürlichen Instinkte und große Modellierbarkeit in der Hand des Züchters. Je nach dem Milieu, dem sie entstammen, handelt es sich in der Regel um Tiere der kleinen Umsätze und der größeren Anpassung. Sie sind kleiner und haben einen geringeren Nährstoff- und Wasserbedarf als die Intensivrassen, sind in ihren Futter- und Haltungsansprüchen extensiv, haben einen geringeren Energieumsatz und sind weniger empfindlich für Klimaschwankungen und Mangelsituationen. Ihre Futterverwertung ist meist besser als die der Züchtungsrassen (hochgezüchteten Leistungsrassen, Anm. des Autors). Landrassen sind eifrige Futtersucher und Fresser. Sie pflegen Notzeiten, vor allem futter- und wasserarme Zeiten, besser zu überstehen. Die Haustierzucht hat sich häufig die von der Natur vorselektierten Rassen zunutze gemacht und weiterentwickelt. Die Erbanlagen derartiger, aufgrund der natürlichen Auslese entstandenen Rassen sind oft durch die ganze Entstehungsgeschichte einer Kulturrasse spürbar und zu verfolgen. Die Natur- und Landrassen stellen ein Reservoir für Erbanlagen dar, die in manchen Leistungsrassen durch Spezialisierung verlorengegangen sind, und können zu deren Regeneration beitragen.“

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Saaser Mutten (Foto: ProSpecieRara)

Man muss sich auch im Klaren sein, dass nicht hinter jeder Rassezucht ein edles Motiv steht. Bei den meisten so genannten Nutztieren sind die Ziele recht eindeutig, nämlich eine Steigerung des Nutzens, sei er Milch, Wolle, Fleisch, Federn, Eier o. Ä. Bei vielen Rassen der Kategorie Haustiere kommen andere Motive zum Tragen und führen u. U. zu mindestens ebenso sinnlosen Qualzuchten wie bei den Nutztieren. Beispiele seien hier Hunderassen, die nur mehr durch Kaiserschnitt gebären können, oder Hunde oder Katzen besonderer Färbung, die taub geboren werden. Zwischenformen sind die iberischen Kampfrinder, die ohne ihre grausame Verwendung im Stierkampf mangels wirtschaftlicher Rentabilität längst ausgestorben wären. Hier haben typische Nutztiere (Fleischrinder) nur mehr einen pervertierten Nutzen in Schaukämpfen, werden aber dennoch als solche empfunden, jedoch völlig anderen Selektionskriterien unterworfen (Aggression statt Fleischqualität). Bei den seltenen Haustieren/Nutztieren stehen überwiegend Kriterien im Vordergrund, die zwar nicht per se wirtschaftlichen Parametern unterliegen (Milchleistung, Mastleistung, Legeleistung, Wollertrag …), jedoch als Nebenkriterien durchaus zur Wirtschaftlichkeit beitragen können. Robuste Gesundheit, gute Futterverwertung und stabile Klauen können z. B. ein Rind unter gewissen Haltungsbedingungen trotz geringerer „klassischer Leistung“ (Milch/Fleisch) wirtschaftlich interessanter machen als sein empfindlicheres, doch etwas leistungsstärkeres Pendant. Viele traditionelle Rassen besitzen auch Eigenschaften, die man heute nach langen Perioden der Nichtachtung wieder zu schätzen beginnt; z. B. hat das ungarische Speckschwein, nachdem es fast ausgestorben war, weil man kaum tierisches Fett konsumierte, heute wieder seine Anhänger. Sein wohlschmeckender Speck findet wieder großen Anklang, wenn auch nur in einer kleinen Verbrauchergruppe. Diese ist aber insgesamt groß genug, um die Rasse heute in einer Produktnische wieder durchaus wirtschaftlich zu machen und ihren Fortbestand zu sichern. Es gibt viele ähnliche Beispiele; ein Hauptgrund zur Erhaltung der alten Haustierrassen muss aber sein, dass ihre differenzierten Eigenschaften eine wichtige genetische Ergänzung in der zukünftigen Tierproduktion sein könn(t)en. Ist die Genetik einer Art/Rasse einmal verloren, so kann sie nicht mehr wiederhergestellt werden (siehe Kapitel Pferde, Tarpan, S. 21). Man kann mit etwas Glück ähnliche Tiere „reproduzieren“, aber die Originalform mitsamt ihren eventuell wertvollen Merkmalen ist verloren.

Welche Eigenschaften bei Tieren und Pflanzen verzichtbar sind, das kann niemand abschätzen, denn die Herausforderungen der Umwelt ändern sich laufend. Wenn auch die globalen Konzerne den Landwirten weltweit ihre leistungsfähigen, aber genetisch oft zweifelhaften Produkte aufzwingen wollen, so bleibt doch immer die Frage, ob mit den Hochleistungshybriden der Global Player alle Anforderungen der Zukunft abgedeckt werden können.

Außerdem sind es neben den individuellen Bedingungen eines jeden Landwirtes bzw. seines Hofes auch eine Frage von Ethik und Vorliebe, für welche Bestände an Tieren und Pflanzen man sich entscheidet. Die genetische Erosion der letzten Jahrzehnte hat unzählige Arten, Rassen und Sorten hinweggefegt und die kümmerlichen Reste der einst so vielfältigen, blühenden Land(wirt)schaft müssen heute in eigenen Archiven und Zuchtstationen mühevoll bewahrt werden. Bei allen Gerätschaften sucht der Mensch eine überbordende Vielfalt; die Zahl der Autotypen ist unüberschaubar, die kaum unterscheidbaren Varianten von Kamera, Handy und Computer sind Legion. Doch bei den existenziellen Gütern – wie den Nahrungsmitteln und tierischen Produkten – will man den Erzeugern vorschreiben, welche wenigen „legalen“ Sorten oder Rassen sie zu halten und zu vermehren haben. Die Geschichte hat jedoch schon oft gezeigt, dass gerade die „illegalen“ Restbestände einer unmodernen Population wieder „auferstehen“ und zur Erfolgsstory werden können (siehe Pferde, Schweres Warmblut, S. 46; Schweine, Mangalitza, S. 89). Dazu ist es nötig, alle diese Sorten und Rassen im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch zu nützen, im besten Sinne zu „gebrauchen“. Ohne eine sinnvolle Verwendung sind sie verloren – man muss diese Tiere und Pflanzen im wahrsten Sinne des Wortes „essen, um ihr Überleben zu sichern“.

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(Foto: ProSpecieRara)

Ein hübsches Exemplar des Appenzeller Spitzhaubenhuhns

DIE ORGANISATIONEN

Viele Zuchtvereine und -verbände stammen aus dem 19. Jh. und haben ihre Wurzeln in der fortschrittsgläubigen Periode der Industrialisierung. Überwiegend sind ihre Ziele noch heute die ökonomische Verbesserung der betreuten Rassen – mehr Gewinn durch bessere Zucht, Haltung und Vermarktung. Im deutschsprachigen Raum befassen sich einige mehr oder weniger große Organisationen mit der Förderung seltener Haus- und Nutztierrassen. Darüber hinaus beschäftigen sich zwar noch andere, zum Teil offizielle oder ministerielle Stellen mit ähnlichen Aufgaben. Hier wird der Übersicht halber nur auf die größten Vereine in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingegangen, welche ihre Mitglieder und jede Privatperson durch Information und Hilfestellung unterstützen. Dazu ist weder der Besitz noch die Zucht einer Tiergattung oder Rasse unbedingt nötig, es genügt ein Interesse an der Vereinstätigkeit oder an den betreuten Tieren. Zugleich agieren diese Vereine in ihren jeweiligen Ländern als Bindeglieder zwischen der interessierten Bevölkerung, den Züchtern bedrohter Arten und den Ministerien und offiziellen Stellen. Sie betreiben praktische Erhaltungsarbeit auf verschiedenen Ebenen und stellen daneben auch theoretische Mittel zur Verfügung; sie betreiben Werbung und bringen entsprechende Publikationen heraus. Weiters verfügen sie über angeschlossene Zucht- und Musterbetriebe (z. B. Arche-Höfe etc.) und erhalten Restpopulationen gefährdeter Rassen. Erwähnenswert ist hier z. B. die Internetpräsenz www.vieh-ev.de, welche ursprünglich 2004 als Verein gegründet wurde, um brachliegende Möglichkeiten in der Erhaltung gefährdeter Nutztierrassen zu realisieren. Administrativer Ballast und fehlende aktive Mitglieder waren der Grund, dass der Verein am Ende nicht umgesetzt werden konnte – auch wenn der Gedanke, sich in einem solchen zusammenzuschließen, laut dem Gründer, Herwig zum Berge, noch nicht begraben ist. VIEH präsentiert sich heute als „Vielfältige Initiative zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen“, ist ähnlich wie eine Bürgerinitiative organisiert und kann daher flexibel agieren. Die Website soll eine Plattform sein, auf der Informationen und Ideen präsentiert werden können.

Es ist notwendig und begrüßenswert, wenn sich private Personen und Organisationen der Mühe unterziehen, die Bevölkerung auf die gefährdeten Haus- und Nutztierrassen aufmerksam zu machen. Durch ihre praktische und theoretische Arbeit tragen diese Organisationen zur Bewahrung des Genpools bei und sind somit vergangenheitsbewusst und zukunftsorientiert zugleich. Ihre Arbeit ist gerade in der heutigen Zeit enorm wichtig, da wir in der europäischen Landwirtschaft mit einer Fülle von neuartigen Problemen konfrontiert sind. Dazu ein Zitat aus „Gefährdete Nutztierrassen“ von Hans H. SAMBRAUS:

„Die Produkte vieler Landrassen sind noch nicht ausreichend auf mögliche Vorteile hin untersucht worden. Diese Rassen aufzugeben wäre gleichbedeutend mit dem Fortwerfen eines ungeprüften Lottoscheines, nur weil die Aussicht auf einen Gewinn gering ist. Gewiss kann man durch Zucht und entsprechende Selektion in vielen Fällen die gewünschte Produktqualität im Laufe der Zeit schaffen. Dieser Vorgang ist jedoch viel zeitraubender, als auf vorhandene Populationen zurückzugreifen.“

DIE GESELLSCHAFT ZUR ERHALTUNG ALTER
UND GEFÄHRDETER HAUSTIERRASSEN

(GEH e. V.; Bundesrepublik Deutschland)

Kontaktdaten

Walburger Strasse 2, 37213 Witzenhausen. Tel.: 05542-18 64

www.g-e-h.de

Die weithin bekannte Gesellschaft wurde 1981 im bayerischen Rottal gegründet und ist ein privater, gemeinnütziger Verein mit Mitgliedern aus verschiedensten Interessensgruppen. Neben praktischen Landwirten und Tierzüchtern kommt ein Großteil der Mitglieder aus den Bereichen der Agrarwissenschaft, Biologie, Veterinärmedizin sowie aus Behörden und Administrationsbereichen. Mitglied kann jeder Interessierte werden, der die Erhaltung gefährdeter Nutztierrassen als Notwendigkeit erachtet.

Die GEH e.V.

Image spürt letzte vorhandene Tierbestände auf.

Image initiiert Erhaltungsmaßnahmen.

Image führt GEH-interne Zuchtbücher einzelner Rassen.

Image informiert und koordiniert die Tierhalter.

Image unterhält eigene Zuchtpopulationen und Genreserven.

Image stellt Kontakte zwischen staatlichen Institutionen, Verbänden und Organisationen mit ähnlicher Zielsetzung her.

Image leistet eine breite Öffentlichkeitsarbeit.

Image berät Naturschutzvorhaben und andere Projekte über die Haltung alter Rassen.

Image hält Kontakt zu Partnerorganisationen im In- und Ausland.

Die Organisation der GEH ist eng mit der Tätigkeit ihrer Geschäftsstelle verbunden. Seit Jahren wird diese von hauptamtlichen Mitarbeitern betreut und arbeitet eng mit dem Vorstand zusammen. Ein weiteres wichtiges Gremium innerhalb der GEH sind die Koordinatoren für die verschiedenen Tiere bzw. Rassen. Sie stellen unbürokratisch kompetente Auskünfte und Informationsaustausch zwischen den Rassebetreuern zur Verfügung. Letztere stellen das wichtigste aktive Organ der GEH dar. Sie sind spezialisiert auf eine Rasse, die sie selbst oft als Züchter halten. Sie kennen die Ursprungsregion ihrer Rasse und die traditionellen Tierhalter bzw. Züchter, stellen Kontakte zu Zuchtverbänden her und beschicken regionale Ausstellungen. Häufig erfolgen auf dieser Ebene lokale Vereinsgründungen oder Gründungen von Arbeitsgruppen.

Man publiziert eine vierteljährliche Vereinszeitung mit einer Auflage von einigen Tausend Stück. Zudem wird eine „Rote Liste“ von mittlerweile rund 115 gefährdeten Rassen geführt und öfter aktualisiert. Diese stellt das wohl bekannteste und wichtigste Informationsmittel sowohl für interessierte Laien als auch Landwirte bzw. Züchter dar. Ihre Kategorien sind: Extrem gefährdet, stark gefährdet, gefährdet, Vorwarnstufe, unsicherer Gefährdungsgrad, Rasse aus anderen Ländern. Diese stark differenzierte Einstufung ermöglicht eine recht exakte Abbildung des Zustandes und der Entwicklung der Rassen.

Da die Erhaltungsarbeit der GEH die politischen Landesgrenzen oft überschreitet oder mehrere Länder umfasst, wuchs die internationale Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Desgleichen wurde die GEH in letzter Zeit verstärkt gefordert, wenn es um die Beratung von Naturschutzverbänden und staatlichen Naturschutzbehörden ging. Landschaftspflege und Extensivierung geraten immer häufiger in den Vordergrund der Diskussion, wobei die Integration alter Haustierrassen in diesen Bereichen ständig zunimmt.

ProSpecieRara

(Schweiz)

Kontaktdaten

Unter Brüglingen 6, CH4052 Basel. Tel. (0041) 61 545 99 11

www.prospecierara.ch

Die Stiftung ProSpecieRara wurde 1982 in St. Gallen gegründet und ist heute eine Dachorganisation für gefährdete Nutztierrassen und Kulturpflanzen in der Schweiz. Die Zuchtkoordination der 29 von ProSpecieRara geförderten Rassen erfolgt je nach Entwicklungsstatus der Rettungs- resp. Erhaltungsprogramme durch eigenständige Rassevereine oder durch die Stiftung selbst. Während die Rassevereine die Verantwortung für die Basisarbeit ihrer Rassen wahrnehmen, übernimmt ProSpecieRara diese Funktion bei Rassen, um die sich noch keine Vereine gebildet haben, sichert deren Bestände ab und bereitet den Weg für die Vereinsbildung vor.

Darüber hinaus betätigt sich ProSpecieRara im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, der Ausbildung von Züchtern und Experten und der Vermarktung von Spezialitäten gefährdeter Rassen. Dafür hat die Stiftung das ProSpecieRara-Gütesiegel entwickelt, das Produkte rarer Rassen und Sorten auszeichnet und das als Vermarktungshilfe dient. Eine weitere Maßnahme ist die Organisation von jährlichen Spezialitätenmärkten. ProSpecieRara betreibt zudem in Zusammenarbeit mit den Rassevereinen die Tiervermittlungsplattform www.tierische-raritäten.ch. Dieses gemeinsame Projekt aller aktiven Vereine im ProSpecieRara-Netzwerk ging Anfang 2015 online und stellt einen Meilenstein bei der Förderung der seltenen Nutztiere in der Schweiz dar.

Um interessierten Menschen einen praxisnahen Zugang zu schaffen, macht ProSpecieRara mit ihrem so genannten „Schaunetz“ aufmerksam auf Arche-Höfe, Tierparks, Alpen, Gastronomiebetriebe sowie auf Obst- und Gemüsesortengärten (siehe www.prospecierara.ch/de/schaunetz).

ProSpecieRara finanziert sich im Tierbereich vor allem über Gönnerinnen und Gönner, welche die Arbeit der Stiftung finanziell mittragen. Weitere finanzielle Unterstützungen für die Rettungs- und Förderprojekte stammen aus Tierpatenschaften und von Spenden privater und institutioneller Sponsoren.

ARCHE Austria (FRÜHER: VEGH)

(Österreich)

Kontaktdaten

Oberwindau 67, 6363 Westendorf. Tel.: 0664 519 22 86

www.arche-austria.at

Lange Zeit fiel das schleichende Verschwinden alter Rassen in Österreich kaum auf; schließlich taten sich einige Idealisten zusammen, um nach ausländischem Vorbild den „Verein zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen – VEGH“ zu gründen. Dieser versucht heute unter dem Titel ARCHE Austria, alte Haustierrassen aufzufinden und in lebensfähigen Beständen zu erhalten. Man sieht die Vereinsarbeit dadurch bestätigt, dass seit Bestehen des Vereins in Österreich keine Rasse mehr ausgestorben ist. Im Gegenteil, die alten Rassen genießen in der Landwirtschaft wieder steigende Nachfrage.

Derzeit gibt es in Österreich ca. 30–35 seltene oder gefährdete Haustierrassen, zählt man die Kleintiere mit, dürften noch ca. 15 hinzukommen. Die ARCHE ist an der Erhaltung vieler beteiligt und/oder hat einen positiven Einfluss darauf. Für die meisten Rassen wurden Spartenbetreuer eingeführt, welche die Erhaltung jeweils einer bestimmten Rasse koordinieren, spezifische Anfragen beantworten und in der periodischen Zeitschrift „Arche“ berichten. Mit einer Auflage von rund 2.500 Stück wird vierteljährlich die interessierte Öffentlichkeit über aktuelle Projekte, Aktivitäten und Rassen informiert. Neben Informationsblättern zu einzelnen Rassen gibt es auch Informationstafeln und Datensätze mit Zuchtbetrieben etc.; regionale Treffen und Ausstellungen werden auf den so genannten Arche-Höfen der Mitglieder veranstaltet. Der Verein empfindet es als wichtig, dass gefährdete Rassen in ihrer natürlichen Umgebung als lebende Genreserven erhalten bleiben und nicht nur ihr eingefrorenes Sperma in Depots. Daher versucht man, unbekannte Tierbestände ausfindig zu machen, Zuchtgruppen aufzubauen und Zuchtbücher anzulegen sowie finanzielle Mittel zur Organisation und Förderung der Zucht zu beschaffen. Man agiert landesweit und arbeitet mit den Behörden und Organisationen im In- und Ausland zusammen.