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Roald Amundsen (1872-1928)

Fasziniert durch die Berichte John Franklins, beschloss Amundsen schon als Kind, Polarforscher zu werden. Er erreichte am 14. Dezember 1911 vor seinem Konkurrenten Robert Falcon Scott den Südpol. 1928 kam er bei dem Versuch, einen italienischen Polarforscher zu retten, ums Leben.

Detlef Brennecke (geb. 1944)

war in seiner Jugend Filmschauspieler in Berlin und lehrte später als Professor für Skandinavistik in Frankfurt am Main. Seine zahlreichen Biographien über die Entdecker der Polarregionen wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Für die Edition Erdmann betreute er u.a. die Veröffentlichung von Robert E. Pearys Entdeckung des Nordpols.

Zum Buch

„Mit unsäglicher Erleichterung verließ ich (…) die Universität, um mich mit ganzer Seele in den Traum meines Lebens zu stürzen.“

Aus: Nordwestpassage. Meine Polarfahrt mit der Gjöa. 1903-1907

imageor Amundsen scheiterten schon viele bedeutende Entdecker bei dem Versuch, einen Seeweg durch das eisige Labyrinth der arktischen Inseln im Norden Amerikas zu finden, so etwa Sebastian Cabot, James Cook und John Franklin. Doch das Verhängnis seiner Vorgänger beflügelte den jungen Norweger und ihre Fehler dienten ihm als Inspiration. 1903 erwirbt Amundsen den Fischkutter »Gjöa«, stellt eine Expedition zusammen und wagt das scheinbar Unmögliche. Drei Jahre sollte die Reise durch die unkartierten Wasserstraßen dauern, bis Amundsen endlich das ihm durch die Beringstraße entgegenkommende Walfangschiff Charles Hanson sichtet. Nun hat der Norweger die endgültige Gewissheit, als erster Mensch in der Geschichte die Nordwestpassage durchquert zu haben.

imagels Roald Amundsen in jungen Jahren mit den Reiseberichten der legendären Seefahrer Cabot, Franklin und Cook in Berührung kam, war es um ihn geschehen: gleich seinen großen Vorbildern wurde das Eis zu seinem Lebenstraum. Während Letztere aber an dem Versuch, einen Seeweg im eisigen Insellabyrinth im hohen Norden Amerikas zu finden, scheiterten, gelang dem jungen Norweger nach drei entbehrungsreichen Jahren, die seinen Fischkutter »Gjöa« über Grönland, die Baffin Bay und durch die unkartierten Wasserstraßen im Norden Kanadas führten, das Unmögliche: Als erster Seefahrer in der Geschichte bezwang er die Nordwestpassage. In seinem spannenden Entdeckungsbericht lernen wir ihn nicht nur als einen sorgfältigen Berichterstatter mit trockenem Humor kennen, sondern auch als einen Menschen mit fast kindlich zu nennender Neugier und unerschütterlicher Loyalität gegenüber seiner Mannschaft.

DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

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Roald Amundsen

Die
Nordwestpassage

Meine Polarfahrt auf der Gjöa

1903 – 1907

Herausgegeben von Detlef Brennecke

Mit 25 Abbildungen

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Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012
Der Text wurde behutsam revidiert
nach der Edition Erdmann Ausgabe Stuttgart und Wien 2001
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH,
nach der Gestaltung von Nele Schütz Design, München
Bildnachweis: Ankunft in Nome (Alaska, USA),
Foto aus der Edition Erdmann Ausgabe 2001
eBook- Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0275-8

www.marixverlag.de

INHALT

Vorwort des Herausgebers

Roald Amundsen – Die Nordwestpassage

Erstes Kapitel

Dem Eismeer entgegen

Zweites Kapitel

In jungfräulichem Fahrwasser

Drittes Kapitel

Der erste Winter

Viertes Kapitel

Sommer

Fünftes Kapitel

Der zweite Winter

Sechstes Kapitel

Abschied vom Gjöahavn

Siebtes Kapitel

Die Nordwestpassage

Achtes Kapitel

Der dritte Winter

Neuntes Kapitel

Schluss

Editorische Notiz

Weiterführende Literatur

VORWORT DES HERAUSGEBERS

»Der Traum meiner Kindheit«

ROALD AMUNDSENS FAHRT DURCH DIE NORDWESTPASSAGE

(1903–1907)

Prolog

Die Szene war so pittoresk, dass sie mehrfach aufgezeichnet wurde. Darum ist sie unvergesslich:

Nachdem der Konquistador Vasco Núñez de Balboa auf seinen Streifzügen entlang der östlichen Gestade der Neuen Welt aus Gebärden von Indios entnommen hatte, dass auch im Westen des »Mundus Novus« ein Ozean liege, machte er sich im Spätsommer 1513 mit hundertneunzig Soldaten und sechshundert Trägern zu einem Marsch über den Isthmus von Panama auf. Eine via dolorosa! Die Desperados litten unter der dumpfen Hitze des Regenwaldes, sie wurden von unsichtbaren Feinden mit Giftpfeilen beschossen, ihr Mundvorrat verschimmelte und viele starben an Fieber. Bis nach vier Wochen plötzlich das Dickicht des Dschungels vor den Überlebenden aufriss und sie das verheißene Meer erblickten! Kurz zögerte Balboa noch. Er ließ zunächst ein Holzkreuz errichten, ein paar Steinkegel auftürmen und die Initialen seines Königs, Fernando, in die Bäume ritzen. Ein Trommelwirbel! Und er schritt gravitätisch zum Ufer. In der Linken trug er das Banner Kastiliens, in der Rechten seinen Degen. So watete er am 29. September 1513 bis zur Hüfte in die Dünung hinaus, richtete seine Augen erst gen Himmel, dann zum Horizont, hob zuletzt seine Waffe und tat, derweil die Compañeros ergriffen ihre Knie beugten, feierlichst kund und zu wissen, er nehme hiermit die von ihm entdeckte See, die er »Mar del Sur« nenne, »Südsee«, und alle ihre Eilande namens der spanischen Krone vom Nordpol bis zum Südpol in Besitz.

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Die Nordwestpassage1

Seit den Tagen des Balboa steht fest, dass Cristóbal Colón alias Christoph Kolumbus 1492 mit seinen Karavellen weder in Cathay noch in Zipangu – also in China oder in Japan – eingetroffen war. Indien lag »plus ultra«, weiter draußen, und war, wie diverse Kosmografen meinten, nicht anders denn über die arktischen Archipele zu erreichen.

Daher schwärmten sie – egal ob Forscher oder Freibeuter – aus, um ihrerseits ans Ziel des Genuesen zu gelangen … und mussten doch allesamt vor heimtückischen Untiefen oder abweisenden Packeissperren beidrehen: der Italiener Sebastiano Caboto 1517 im Foxebecken, sein Landsmann Giovanni da Verrazzano 1523 in der Hudson-Straße, der Portugiese Esteban Gómez 1525 unter dem Saum Neufundlands, der Franzose Jacques Cartier 1534 im Sankt-Lorenz-Golf, die Engländer Martin Frobisher 1576 vor der Cumberland-Halbinsel, Henry Hudson 1610 in der Hudson Bay und William Baffin 1616 im Lancaster-Sund.

Nein, die Nordwestpassage blieb ein Traum, ein Trug, ein brillantes Theorem!

So lenkte die dauerhafte Fruchtlosigkeit der älteren Piloten die Abenteuerlust der jüngeren für eine Weile auf andere Regionen, obschon das Parlament in London unterdessen eine Belohnung von zwanzigtausend Pfund Sterling für jenen Sailor ausgesetzt hatte, der den Durchschlupf fände. Nachdem dann überdies James Cook – von der Bering-Straße aus in westöstlicher Richtung – vergebens nach jener Schneise gefahndet hatte, erschien sie ein für alle Mal als Illusion. Am 15. August 1778 notierte der Post Captain Seiner Majestät ins Logbuch der »Resolution«: »Eine halbe Stunde nach zwei kamen wir bei 22 Faden tiefem Wasser […] auf eine Breite von 70° 41’, wobei wir nicht in der Lage waren, uns auch nur ein Geringes weiter vorzutasten, war doch das Eis zur Gänze undurchdringlich und reichte vor uns von einem Horizont zum anderen, so weit wir sehen konnten.«

Anyway! Durch seine Siege in den Napoleonischen Kriegen wurde England am Anfang des 19. Jahrhunderts einmal mehr zur beherrschenden Seemacht, und ein furioser Slogan wie James Thomsons »Rule, Britannia! Britannia, rule the waves« (1740) – oder später John Everett Millais’ »It can be done, and England should do it« (1874) – feuerte manchen Heißsporn neuerlich an, die Route vom Atlantik in den Pazifik zu erschließen.

John Ross … David Buchan … William Edward Parry … John Franklin – sie alle stachen 1818 in See und irrten im maritimen Labyrinth vor Kanada umher, erlitten Verluste an Material und Mannschaften, scheiterten, aber gaben nicht auf und wiederholten ihre martialischen Attacken. Dass Robert John Le Mesurier McClure, der 1850 eine Expedition Richard Collinsons begleitete, mit der »Investigator« auf dem Kurs von James Cook um Alaska herumgesteuert war und – während sein Schiff in der Prince-of-Wales-Straße festsaß – bei einem Schlittenausflug gewahrte, wie dieser Kanal in den Melville-Sund mündete, der bereits von Osten her befahren worden war …, dass also McClure wenigstens die Möglichkeit jenes Transits als Erster bestätigen konnte, brachte ihm zwar die Hälfte des ausgelobten Preisgeldes ein, wird aber in seiner Publikumswirkung bis heute – bis zu Sten Nadolnys Roman Die Entdeckung der Langsamkeit (1983) – überlagert vom Untergang John Franklins und seiner Kameraden drei Jahre zuvor, jener epochalen Katastrophe.

Nicht bloß die geheimnisvollen Umstände seines Verderbens und nicht allein die penelopegleiche Anhänglichkeit seiner Gattin, die mehrere der rund vierzig Suchmannschaften selbst alimentierte, sondern gerade auch die Vieldeutigkeit der von diesen gesammelten Überreste, Anhaltspunkte und Gerüchte schufen rund um den Kommandanten der »Erebus« und »Terror« eine magische Aura, in der er als Phantom weiterlebte, als Leitfigur und Verführer.

Seine Zugkraft wirkte bis nach Norwegen hinüber.

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Dort war in dem Weiler Hvidsten am Sannesund, rund siebzig Kilometer südöstlich von Kristiania (wie Oslo damals hieß), dem Skipper Jens Amundsen am 16. Juli 1872 von seiner Frau Gustava ein viertes Kind geschenkt worden, ein Sohn, der die Namen »Roald Engebreth Gravning« erhielt und damit wie ein Recke aus altnordischen Sagas daherkam. Denn »Roald« bedeutet ungefähr »der Ruhmvolle« und machte, was die Zukunft der Welterkundung zeigen sollte, eine treffende Aussage über den so Benannten – obgleich von Glanz und Gloria anfangs niemand etwas spürte.

Roald Amundsen ging in der Hauptstadt, wohin die Eltern mittlerweile umgezogen waren, zur Schule. Doch je höher er Klasse um Klasse aufstieg, desto tiefer fielen seine Leistungen Fach um Fach ab. Sein Eifer richtete sich auf andere Gebiete als auf die vom Lehrplan bestimmten: Er las John Franklins Reise an die Küsten des Polarmeeres in den Jahren 1819, 1820, 1821 und 1822 (1823) sowie dessen Zweite Reise an die Küsten des Polarmeeres in den Jahren 1825, 1826 und 1827 (1828) und passierte im Geiste die Coats-Insel, befuhr den Mackenzie und mit wohligem Schauder das Whiteout, das der Brite so betörend dargestellt hatte. »Eine seiner Schilderungen«, entsann sich Amundsen später, »in der er über den verzweiflungsvollen Rückzug einer seiner Expeditionen berichtete, fesselte mein Interesse mehr als alles, was ich je zuvor gelesen hatte. Er und seine wenigen Gefährten hatten drei bange Wochen mit Eis und Stürmen um ihr Leben kämpfen müssen, ihre einzige Nahrung bestand aus einigen Knochen, die sie in einem verlassenen Indianerlager fanden, und schließlich waren sie sogar genötigt, ihre eigenen Lederschuhe zu verzehren, ehe sie endlich wieder die ersten Vorposten der Zivilisation erreichten. – Seltsam, dass gerade die Beschreibung solcher Entbehrungen, die er und seine Leute zu erdulden hatten, mich an der Erzählung Sir Johns am meisten fesselte. Ein merkwürdiger Ehrgeiz brannte in mir, gleiche Leiden zu überwinden.«

Sieht man von seiner steten körperlichen Ertüchtigung ab, dann bestand Amundsens mentales Training des Ernstfalls zunächst im Besuch des Gymnasiums, den er 1890 mit der Gesamtnote »4« beendete. Seiner Mutter zuliebe – der Vater war seit Jahren tot – begann er daraufhin ein Studium der Medizin: gleichsam die nächste Abhärtungsstufe. Doch nachdem dann 1893 auch Gustava Amundsen gestorben war, beschränkte ihr Sohn seinen weiteren Aufenthalt an der Alma Mater auf eine Schamfrist: »Mit unsäglicher Erleichterung verließ ich kurz darauf die Universität, um mich mit ganzer Seele in den Traum meines Lebens zu stürzen.«

Noch im Dezember machte er eine siebentägige Skiwanderung über das Hardangervidda-Plateau im Westen Norwegens. Er bewarb sich um einen Platz auf der »Windward« des Engländers Frederick George Jackson, der nach Franz-Joseph-Land gehen wollte (und dort zum Retter Fridtjof Nansens werden sollte). Doch weil der ihn nicht anheuerte,2 trug er sich in die Musterrollen von anderen Schiffen ein, der »Magdalena« und »Valborg«, »Leon« und »Huldra«, »Jason« und »Rhône«. Auf diesen Pötten fuhr er zwischen 1894 und 1896 ins nördliche Eismeer und nach Kanada, nach Liverpool und nach Le Havre, nach Caen und zu den Stränden Afrikas.

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Mochten die Lehr- und Wanderjahre Roald Amundsens auch noch so planlos wirken, waren sie doch unbeirrbar und hatten ihre Intention – Stichwort: »gleiche Leiden zu überwinden« – fest im Blick: »Zu dieser Zeit hatte ich schon alle Bücher der einschlägigen Literatur gelesen, derer ich habhaft werden konnte, und ein verhängnisvoller Fehler der meisten früheren Polarexpeditionen war mir dabei aufgefallen. Die Leiter dieser Expeditionen waren nicht immer Schiffskapitäne gewesen und hatten deshalb die Führung ihrer Schiffe fast immer erfahrenen Seeleuten überlassen müssen. In jedem solchen Fall hatte es sich als schicksalsschwer erwiesen, dass die Expedition, sobald sie in See gestochen war, nicht mehr einen Führer, sondern deren zwei hatte. Unweigerlich führte dies immer zu einer Teilung der Verantwortlichkeit zwischen dem Expeditionsleiter und dem Kapitän; daraus erwuchsen unaufhörlich Reibereien und Meinungsverschiedenheiten. Deren Folge war bei den übrigen, untergeordneten Mitgliedern der Expedition eine Lockerung der Disziplin. Immer bildeten sich zwei Parteien: Die eine bestand aus dem Expeditionsleiter und dem wissenschaftlichen Stab, die zweite umfasste den Kapitän und seine Mannschaft. Darum war ich entschlossen, mich nicht früher an die Spitze einer Expedition zu stellen, ehe ich nicht diesen Fehler umgehen könnte. Mein ganzes Streben war jetzt darauf gerichtet, mir selbst die nötige Erfahrung in der Schiffsführung anzueignen und mich zum Kapitän auszubilden, um meine Expedition nicht nur als Forscher, sondern auch als Schiffer leiten und so die Bildung zweier Parteien vermeiden zu können.«

Zunächst deshalb: Der Schiffer…!

Amundsen besaß seit ein paar Monaten eine Lizenz als Steuermann und konnte daher 1897 als Zweiter Offizier des Belgiers Adrien de Gerlache dessen Bark in die Antarktis begleiten – ein schier aberwitziges Unternehmen. Antwerpen war noch nicht hinter der Kimmung versunken, da zeigte sich, dass der Kommandant eine Crew zusammengewürfelt hatte, die aus Schlägern und Trinkern bestand. Ihre Herkunftsländer waren so verschieden, dass sich manche der Offiziere untereinander nicht verständigen konnten. Und als die »Belgica« zum Entsetzen aller – die meisten hatten wohl eher an eine Kavalierstour gedacht denn an ein seriöses Projekt – am 2. März 1898 vor Grahamland im Eis festfror und fortan mit diesem dahintrieb, als dann die Polarnacht heraufzog und zudem ein Matrose spurlos verschwand und der Geophysiker der Expedition auf unerklärte Weise starb, wurde der Patron der »petite colonie de condamnés« – dieser »kleinen Kolonie der Verdammten« – schwermütig; seine Leute waren es längst. Sie waren auf die Überwinterung nicht vorbereitet, waren dürftig gekleidet und mangelhaft mit Proviant versorgt; sie bekamen Skorbut und etliche verloren den Verstand.

Lediglich der psychologischen Betreuung und medizinischen Versorgung durch den Schiffsarzt Frederick Albert Cook (der sich einmal als Bezwinger des Nordpols ausgeben sollte) und der seemännischen Fähigkeit und gesundheitlichen Ausdauer Roald Amundsens hatte es die Besatzung zu verdanken, dass ihr Segler dem Zugriff unvertrauter Gewalten entrinnen und am 5. November 1899 seinen Heimathafen anlaufen konnte.

Auch wenn es Menschen – unfreiwillig – nun zum ersten Mal gelungen war, einen Winter in der Antarktis auszuharren, und auch wenn ihre Reise dabei viele Einsichten gefördert hat – Wissen, das dereinst zehn Folianten füllen sollte – blieb sie doch ein Warnzeichen dafür, wie man durch Unbesonnenheit sich und andere gefährdet. Angewidert vermied es Roald Amundsen hinfort, auch nur den Namen Adrien de Gerlaches zu erwähnen.

Vor allem aber wollte er nicht mehr in der Pflicht eines wehleidigen Stümpers stehen. In Punta Arenas, Südchile, hatte er den Dienst auf der »Belgica« quittiert, um sich auf eigene Faust nach Norwegen zu begeben. Dort hielt es ihn freilich nicht lange. Und so radelte er zusammen mit einem seiner Brüder von Kristiania nach Paris, dann alleine weiter nach Madrid und Cartagena, von wo er auf der »Oscar« in die USA schipperte (das »bicycle« immer dabei); auf demselben Dampfer ging es zu Beginn des neuen Saeculums wieder retour.

Nachdem der im April 1900 im englischen Hafen von Grimsby vor Anker gegangen war, machte Roald Amundsen einen Bummel durch die Stadt … Er stöberte hier und da in Buchläden und kaufte in einem von ihnen eine nahezu vollständige Sammlung von Werken über die Nordwestpassage.

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Immerhin fehlte noch: Der Forscher …

Aus diesem Grund begab sich Roald Amundsen im September 1900 mit einer Empfehlung des norwegischen Nationalheros Fridtjof Nansen, der nach dreijähriger Abwesenheit unlängst mit der »Fram« aus der Arktis heimgekehrt war, zunächst nach Deutschland, um sich am Marine-Observatorium, Wilhelmshaven, und dann an der Deutschen Seewarte, Hamburg, in Magnetkunde unterrichten zu lassen. Salbungsvoll vermerkte er unter dem Datum des 4. Oktober 1900: »Legte heute Prof. N. meine Absicht dar, die gegenwärtige Position des magnetischen Nordpols zu bestimmen. Prof. N. meinte, dass das von großer wissenschaftlicher Bedeutung sein würde.« Mit diesem Kommentar Georg von Neumayers, des Direktors der Deutschen Seewarte und eines der renommiertesten Geografen jener Tage, war Amundsens Vorhaben höchstinstanzlich gutgeheißen.

Aber ging es ihm wirklich um die Lokalisierung des skizzierten Phänomens?

Freimütig sprach Amundsen von einer Neufestlegung der Koordinaten des magnetischen Nordpols – ein reichlich windiger Vorwand … Denn der magnetische Nordpol ist analog dem magnetischen Südpol nicht durch ein System geometrischer Linien zu fixieren, sondern schwingt infolge seiner Abhängigkeit von den in einem fort wandernden Kraftfeldern der Erde unaufhaltsam umher. Wobei der Radius, in dem dies geschieht – wie die Menschheit seit den Beobachtungen des Engländers James Clark Ross aus dem Jahre 1831 weiß –, an der so fatalen wie verlockenden Strecke John Franklins liegt!

Ging es Amundsen deshalb nicht insgeheim um die Befahrung der Nordwestpassage? »Ein merkwürdiger Ehrgeiz brannte in mir, gleiche Leiden zu überwinden.«

Sei’s drum! Roald Amundsen kaufte aus den Mitteln seiner Erbschaft in Tromsö das Heringsfangschiff »Gjöa«3, machte sich auf einem Probetörn in der Barentssee mit ihm vertraut, konsultierte weitere geophysikalische Institute im Deutschen Reich – darunter die Königlichen Observatorien auf dem Telegrafenberg bei Potsdam –, erwarb sein Kapitänspatent, unternahm eine Exkursion nach Nordnorwegen, um sich dort in erdmagnetischer Messtechnik zu üben … und sammelte daneben fleißig Spenden, weil die eigenen Gelder zur Ausrichtung der Expedition rapide verebbten.

Mochte auch sein Saga-Name auf Jahre hinaus irreführend buchstabiert werden – die GEOGRAPHISCHE ZEITSCHRIFT aus Leipzig stellte ihn noch 1907 mit dem französischen »Raoul« vor –, war doch sein Träger von Stund an ein Begriff. Denn er referierte vor der »Geographischen Gesellschaft« in Kristiania ebenso wie vor der »Royal Geographical Society« in London; für die eben genannte GEOGRAPHISCHE ZEITSCHRIFT war er bereits 1902 (unter Vermeidung des heiklen Vornamens) schlechthin »der Polarfahrer Amundsen«.

Überall glaubte man zu wissen, was der Norweger plante. Hatte er es nicht in DET NORSKE GEOGRAFISKE SELSKABS AARBOG, dem »Jahrbuch der Norwegischen Geographischen Gesellschaft«, von 1900–1901 erläutert? »Ich werde mich im Frühjahr 1903 mit der ›Gjöa‹ aufmachen. Insgesamt werden wir 7 Mann an Bord sein. Wenn ich einem kleinen Schiff wie diesem den Vorzug gebe, dann geschieht das deshalb, weil die Wasserläufe, die wir benutzen werden, sehr oft seicht und schmal sind. Da empfiehlt es sich, ein Fahrzeug zu haben, dessen Tiefgang nicht groß ist und das sich gewissermaßen auf dem Fleck manövrieren lässt. Ein unscheinbares Boot, besonders eines, das für den Fischfang gebaut ist, erfordert wenige Leute und ist als Folge davon auch in seiner Ausstattung billiger.«

Dieser Gesichtspunkt war nicht unwesentlich. Denn obwohl »der Polarfahrer« Schenkungen zu Tausenden entgegengenommen hatte – sogar die Allgemeine Deutsche Seeversicherungsgesellschaft war mit fünfzig Kronen dabei – und obgleich er sein Vermögen eingebracht hatte, stand er am Vorabend der Reise ohne eine Öre da. Erst die Bürgschaft eines entfernten Verwandten bewahrte Roald Amundsen vor der Pfändung der »Gjöa« – was ihn nicht daran hinderte, sein Davonsegeln als eine Flucht vor habgierigen Geldeintreibern zu stilisieren. Aber das war es nicht! Es war die Abwendung von einem Leben in geregelten Bahnen: von einem Dasein mit Themen, Fakten und Personen, die ihn nicht interessierten.

Daher überkam den Dreißigjährigen, als er in jener Dienstagnacht vom 16. auf den 17. Juni 1903 in Kristiania die Anker lichtete, wie damals, als er der Universität den Rücken kehrte, ein zweites Mal »unsägliche Erleichterung«. Und die heitere Stimmung hielt an. Denn planmäßig arbeitete sich die »Gjöa« durch den Skagerrak in den Atlantik hinaus, beharrlich entlang dem 60. Breitengrad auf die Südspitze Grönlands zu, dann an dessen Westküste hinauf zur Baffin Bay und hinein in den Lancaster-Sund, an dessen Ufern – »geheiligtem Boden« – John Franklins letzter sicherer Winterhafen gelegen hatte und wo inzwischen ein Denkmal stand. Dort hinterlegte Amundsen am 24. August 1903 in einer Blechhülse eine Nachricht, die tatsächlich auch von einem Fangfischer gefunden wurde und alsbald die Runde durch die Weltpresse machte: »An Bord alles wohl.«

Weiter ging es daher zur Somerset-Insel, die Amundsen mit südlichem Kurs zu umgehen befahl, sodass er auf die Boothia-Halbinsel zuhalten konnte, auf der vor zweiundsiebzig Jahren James Clark Ross bei 70° 05’ nördlicher Breite und 96° 46’ westlicher Länge den magnetischen Nordpol geortet hatte.

Nichts vermochte den Vorstoß zu hemmen: Ein Feuer im Maschinenraum konnte in Windeseile gelöscht werden; und über das Riff, auf dem die »Gjöa« Ende August vor der Insel Matty zu kentern drohte, hob sie ein Wasserschwall. So glücklich war die Reise, dass Amundsen sich zwingen musste, sie am 13. September 1903 im Süden der King-William-Insel in einer Bucht zu unterbrechen. Hier, in »Gjöahafen«, wollte er mit seiner Besatzung überwintern; von hier aus sollte die »Lage« des magnetischen Nordpols festgehalten werden.

Die Männer richteten sich ein. Sie deckten ihr Schiff mit einer Plane ab, stellten Hütten am Strand auf, installierten Messstationen, schossen Rentiere und Vögel und pflegten einen regen freundschaftlichen Umgang mit den Eskimos, die die »Gjöa« alsbald mit Beschlag belegten. »Manik-tu-mi! Manik-tu-mi!« Sie lernten, Iglus zu bauen und sich in der Manier ihrer Besucher Kleider zu nähen, feierten Weihnachten und Silvester 1903 und kamen feuchtfröhlich bei einer Temperatur von minus vierundvierzig Grad ins neue Jahr hinüber.

Zu entdecken gab es nicht viel – es sei denn vielleicht die verblüffende Erziehung eines Eskimojungen: »Bald lag der zehnjährige Lümmel an der Brust seiner Mutter und versah sich mit einem Schluck Milch, bald riss er seinem Vater die Pfeife aus dem Mund und rauchte ein paar Züge zu dem Trank.«

Als mithin auch 1904 mit wenig mehr als nutzlosem Kesseltreiben um den magnetischen Nordpol verstrichen war, gaben die sieben allmählich den Gedanken auf, das Phantom zu fassen zu kriegen.4

Hatte der eine ihn jemals ernsthaft erwogen?

Jedenfalls gehörte dieses Problem nicht mehr zum Ballast, mit dem Roald Amundsen sein Schiff im Sommer 1905 belud. Womit die Jacht stattdessen übervoll befrachtet war, als sie ihren Hafen auf der King-William-Insel am 13. August 1905 nach zweijährigem Aufenthalt verließ, das war der Ehrgeiz ihres Besitzers, die Umrundung Nordamerikas zu Wasser zu vollbringen – sich selbst »den Traum meiner Kindheit von der Nordwestpassage« zu erfüllen.

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Mal vom Mastkorb Umschau haltend, mal von der Reling aus lotend, dirigierte Amundsen die »Gjöa« durch die Simpson- und die Dease-Straße, quer über den Coronationgolf, durch die Union- und die Dolphin-Straße und folgte damit von Osten her der Rinne, in welcher Robert John Le Mesurier McClure 1850 ein Stück von Westen her gesegelt war. Amundsen vertraute den kartografischen Angaben jenes Pioniers und vollendete auf diese Weise – gewissermaßen im Schlaf, denn er lag an diesem Sonnabendvormittag nach seiner Wache in der Koje – am 26. August 1905 vor Nelson Head, südlich der Banks-Insel, die Nordwestpassage.

Ein Kutter kam ihm entgegen.

Und abermals spielte sich nach wenigen Stunden eine von diesen Szenen ab, die in der Geschichte der Entdeckungen als Klimax fungieren und eröffnet werden mit dem unterkühlten »Dr. Livingstone, I presume« oder »Sind Sie nicht Nansen?«. Diesmal fiel James McKenna von der »Charles Hansson« die Einleitung des Schlüsseldialogs zu.

»›Sind Sie Kapitän Amundsen?‹, lautete sein erstes Wort.

Ich war sehr erstaunt, dass man so weit draußen in der Welt etwas von uns wusste, und antwortete bejahend.

›Ist dies das erste Schiff, dem Sie begegnet sind?‹

Als ich auch dies bejahte, leuchtete es in seinem Gesicht auf, und wir drückten einander lang und herzlich die Hände.«

Dieses Shakehands zwischen den beiden Kapitänen, dem einen aus San Francisco und dem anderen aus Kristiania, wurde zum Siegel der nördlichen Verbindung des Atlantischen und des Pazifischen Ozeans. Roald Amundsens Vision war Wirklichkeit geworden – was bedrückte es ihn da, dass die »Gjöa« kurz darauf westlich der Mackenzie-Mündung bei King Point ins Packeis geriet und die Bemannung einen dritten Winter auf hohem Breitengrad verbringen musste?

In der Nachbarschaft kampierte eine Schar von Walfängern und Eskimos, von »Mulatten, Negern, Gelben, Weißen«, sodass man keine Not litt: Das Essen wurde abwechslungsreicher, die Gesellschaft wurde bunter. Und auf einem der Trawler hatten sie sogar Briefe für Amundsen aus Norwegen.

Da geschah, was die Expedition bis zu ihrem Abschluss überschatten sollte: Gustav Juel Wiik, der Zweite Maschinist, begann zu kränkeln; und binnen weniger Tage starb er, ohne dass ihm jemand helfen konnte.

Es war, als hätten die Götter Roald Amundsen ein Zeichen gegeben, dass sie die Scheinheiligkeit seines Unternehmens durchschauten. Denn Gustav Juel Wiik – unter anderem dito in Potsdam geschult – war die rechte Hand des »Chefs« bei allen seinen magnetischen Observationen gewesen. Deshalb hatte es zwar Stil, den Verstorbenen in Amundsens Beobachtungsstand bei King Point beizusetzen.

Aber hatte es nicht auch Symbolkraft? Denn ein Schuppen, in dem sich das nominelle Motiv für Amundsens »Gjöa«-Mission quasi materiell bewies, diente am Ende nur mehr als Grab.5

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Der Ort war unheimlich geworden.

Aber die Natur gab die »Gjöa« nicht frei. Erst am 11. Juli 1906 durfte Roald Amundsen das Polarmeer verlassen. Er lief Nome in Alaska an, jene wilde Goldgräbertown, die er in seinem Leben noch öfter ansteuern sollte und wo er – was für eine bedeutungsschwere Fügung! – Samuel Balto traf: einen jener beiden Lappen, die Fridtjof Nansen auf Schneeschuhen durch Grönland begleitet hatten. Zusammen mit ihm waren sie am 30. Mai 1889 auf den Straßen Kristianias betäubt gewesen von dem Jubel, in den auch ein sechzehnjähriger Pennäler eingestimmt hatte, der in diesen Männern die Nachfahren John Franklins sah und davon besessen war, »gleiche Leiden zu überwinden« wie alle die Recken in Nacht und Eis.

Jetzt war der Schwärmer vierunddreißig und genoss einen äquivalenten Triumph; denn am 20. November 1906 hielt er nun Einzug in Norwegens Hauptstadt.

Das Land hatte kürzlich seine Unabhängigkeit von Schweden gewonnen und feierte in Roald Amundsen die Verkörperung seiner nationalen Identität. Admiral Christian Sparre schuf beim Galadiner im Festsaal von Kristiania unter einem Gemälde der »Gjöa« eine martialische Parabel: »Während wir hier zu Hause im politischen Kampf darum standen, jenen Platz zu erlangen, von dem wir meinten, dass er uns in der Gemeinschaft der Staaten gebühre, rang ein armseliger Trupp von Männern an Bord einer winzigen Hardangerjacht hoch oben im ewigen Eis und Schnee um dasselbe Gut – rang darum, der Welt zu zeigen, dass das norwegische Volk über jene Kultur und Disziplin, über jene Kraft zur Selbstaufopferung verfügt, die allein das Recht geben kann, als ein freies Volk zu existieren.«

Amundsen, berichtete die Zeitung AFTENPOSTEN, dankte für solche Worte; »dann servierte man Kaffee ›avec‹.«

Und wenn in den Monaten, die nun folgten, einer fragte, wohin die nächste Reise gehe, erwiderte er stereotyp, sie würde ihn zum Nordpol führen. Jeder vergaß daraufhin, dass er bei seiner Rückkunft ein ganz anderes Projekt angekündigt hatte. Da hatte Amundsen nämlich den Reportern erklärt: »Das Endziel wird diesmal jedoch nicht dem nördlichen Polarmeer, sondern der unerforschten Eiswüste des antarktischen Kontinents gelten.«

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Epilog

Zum Gedenken an Roald Amundsens siebzigsten Geburtstag erschien im Jahre 1942 in Oslo eine Sammlung von Gedichten auf den »Ruhmvollen«. Norwegen war seit dem 9. April 1940 – seit der »Operation Wesermündung« – von deutschen Truppen besetzt, sodass die Landsleute Amundsens abermals ihr Recht einfordern mussten, »als ein freies Volk zu existieren«. Und wie in solcher Lage nicht selten, wurde auch diesmal der Widerstandswille gegen die Unterdrücker auf dem Schleichweg über scheinbar unverfängliches Schrifttum gestärkt.

Also lasen die Norweger nun Lobgesänge darauf, wie Roald Amundsen mithilfe der »Fram« 1911 den Südpol eroberte, wie er auf der »Maud« zwischen 1918 und 1920 im Kielwasser des Schweden Adolf Erik Nordenskiöld die Nordostpassage erzwang, wie er 1925 von einer Notlandung mit der »N 25« von 87° 43’ unbeschadet nach Hause kam, wie er 1926 mit dem Luftschiff »Norge« den Nordpol überquerte und wie er 1928 auf dem Flug zur Rettung des verunglückten Italieners Umberto Nobile mit seiner »Latham 47« auf Nimmerwiedersehen entschwebte.

»Wenn wir auf diese Weise Roald Amundsens 70. Geburtstag begehen«, schrieb Odd Arnesen in seinem Nachwort zu jener Blütenlese aus sage und schreibe vierhundert Poemen, »dann soll uns das in unserm Bemühen stählen, die Interessen Norwegens in der Arktis und Antarktis zu verteidigen, wo er als erbitterter Kämpfer voranschritt – und siegte.«

Das waren klare Worte, anno 1942.

Sie erklären auch, wie es kam, dass diese Identifikationsfigur nicht eigentlich für tot gehalten wurde, sondern nach altem Wikingerglauben als unsterblich galt.

Die Geschichte von König Olaf Tryggvissohn, eine Saga aus dem 13. Jahrhundert, erzählt, wie der Fürst im Jahre 1000 bei einer Schlacht in der Ostsee ins Wasser gestürzt war. »Und wie sich nun auch die Sache zugetragen haben mag, jedenfalls kam König Olaf Tryggvissohn niemals seitdem wieder in sein Reich Norwegen zurück.« Weshalb viele meinten, dass er nach wie vor »lebend wäre« – irgendwo, ein Wiedergänger.

Am 22. März 1950 enthielt die NORDWESTDEUTSCHE RUNDSCHAU aus Wilhelmshaven die Reportage über einen Pelztierjäger in Alaska. Er besäße eine wohlbekannte Hakennase und habe auf die Frage, wer er sei, die Antwort gegeben: »Amundsen!«

Detlef Brennecke

1 Die folgenden Abschnitte orientieren sich im Wesentlichen an dem Kapitel »Die Nordwestpassage« in meiner Biografie über Roald Amundsen (Reinbek bei Hamburg, 1995) [Anmerkung des Herausgebers].

2 Hätte er dies getan, wäre Roald Amundsen unter den Leuten gewesen, die Nansen und Hjalmar Johansen am 17. Juni 1896 auf Franz-Joseph-Land vor dem Zugrundegehen bewahrten. – Eine bestechende Vorstellung! [Anmerkung des Herausgebers]

3 Zum Zweck der Lesbarkeit des Ganzen wird die norwegische Schreibweise des Namens »Gjøa« im vorliegenden Text durch die Form »Gjöa« ersetzt [Anmerkung des Herausgebers].

4 Der dröge Bericht einer Tour zur Ermittlung des Pols, der in unsere Edition nicht übernommen wurde, endet kleinlaut mit dem Seufzer: »Ein glänzender Erfolg war unser Ausflug allerdings nicht« [Anmerkung des Herausgebers].

5 Das wissenschaftliche Mäntelchen für Amundsens Suche nach der nordwestlichen Durchfahrt wurde neunzehn Jahre später in aller Stille in Oslo verscharrt. Da, 1925, hatten Aage Graarud und Nils Russeltvelt Die erdmagnetischen Beobachtungen der Gjöa-Expedition 1903–1906 gewogen und zu leicht befunden: »Das Material reicht, wie man versteht, nicht zu, um detaillierte magnetische Karten über das Polargebiet aufzuzeichnen« [Anmerkung des Herausgebers].

ROALD AMUNDSEN
DIE NORDWESTPASSAGE

Der kleinen tapferen Schar, die mich auf der Nordwestpassage begleitet und yzur glücklichen Vollendung des Unternehmens das Leben eingesetzt hat, sende ich meinen warmen, innigen Dank.

Wieder und wieder kehren meine Gedanken liebevoll zurück zu dem einsamen Grabe, das da draußen über der unendlichen Eiswüste aufragt, und ich gedenke dankbar dessen, der auf der Walstatt gefallen ist.

Roald Amundsen

ERSTES KAPITEL

DEM EISMEER ENTGEGEN

Der Einzige, der bei unserer Abreise Zeichen von Rührung kundgab, war der Himmel, aber der tat es auch mit allem Nachdruck. Als wir in der Nacht vom sechzehnten auf den siebzehnten Juni den Anker lichteten, regnete es in Strömen. Sonst war die Nacht still und dunkel, und nur unsere Nächsten waren auf das Schiff gekommenen, uns Lebewohl zu sagen.

Aber trotz Regens und Dunkelheit und trotz des letzten Abschieds war die Stimmung auf der Gjöa heiter und froh. Die Interimszeit der letzten Wochen, ohne eigentliche Arbeit, hatte uns alle ermüdet. Für meine persönlichen Gefühle kann ich keinen Ausdruck finden, und möchte es auch nicht. Die Anstrengungen der letzten Zeit, um alles vollends in Ordnung zu bringen, die Unruhe, dass wir immer und immer noch nicht abfahren konnten, und meine verzweifelten Anstrengungen, die fehlenden Gelder zusammenzubringen – dies alles hatte mich stark mitgenommen und mir Leib und Seele angegriffen.

Aber nun war es überstanden, und niemand könnte die unsägliche Erleichterung beschreiben, die uns überkam, als die Jacht vom Ufer wegglitt.

Außer den sieben Teilnehmern an der Expedition waren nur noch meine drei Brüder an Bord, die uns zum Kristiania-Fjord hinaus das Geleit gaben. Es war still und ruhig auf der Gjöa, die ganze Navigation wurde vorläufig von einem Schleppdampfer besorgt, den wir vor dem Bug hatten. Die Wache war dem Steuermann überlassen sowie unseren sechs Hunden. Diese Hunde hatten schon bei der zweiten Expedition der »Fram«, die sie mit nach Hause gebracht hatte, gute Dienste geleistet. Arme Tiere! Es wäre besser gewesen, man hätte sie in Eis und Schnee zurückgelassen, anstatt sie dahin zu schleppen, wo sie sich, besonders in diesem Frühling, der so ungewöhnlich warm war, sehr übel befanden. Da standen sie nebeneinander angebunden und sahen in dem Regen jammerwürdig aus – denn Regen ist das Schlimmste, was man einem Polarhund bieten kann. Schon auf der Herreise hatten sie eine Seefahrt in Regen- und Nebelwetter durchmachen müssen, und jetzt war ihnen auf der Rückkehr eine zweite beschieden. Aber nun ging es ja auch wieder dahin, wo die armen Schelme daheim waren!

Um sechs Uhr morgens erreichten wir den Hafen von Horten, wo wir zweihundert Kilogramm Schießbaumwolle einnahmen. Sprengstoff kann bei einer Polarexpedition von großem Nutzen sein, und ich würde es als einen entschiedenen Fehler betrachten, wollte man ohne solchen ausziehen, selbst wenn es geschieht – wie das bei uns der Fall war –, dass man keine Verwendung dafür bekommt.

Um elf Uhr vormittags waren wir bei Färder. Das Wetter hatte sich gebessert und der Regen aufgehört. Als wir eben die Bugsiertrosse losmachen wollten, riss diese von selbst ab und ersparte uns dadurch die Arbeit. Mit vollen Segeln fuhr die Gjöa nun bei dem Wind südwärts und senkte ihre Flagge zu einem letzten Gruß an die Lieben daheim. Lange verfolgten wir das Bugsierboot mit dem Fernrohr, lange schwangen wir unsere Mützen und beantworteten die erst mit dem Boot in weiter Ferne verschwindenden Grüße.

Nun waren wir also allein und jetzt begann die Expedition im Ernst.

Schwer beladen, wie die Gjöa war, ging es nicht sehr schnell vorwärts. Da alles zum Voraus seeklar gemacht worden war, konnten wir sogleich unseren festen Dienst antreten. Die Wache wurde bestimmt und die Freiwache zog sich zurück. Wie herrlich war es! Kein Umtrieb, keine widerwärtigen Gläubiger, keine langweiligen Menschen mit schlechten Prophezeiungen oder zum Mindesten mit spöttischen Gesichtern … Nur wir sieben vergnügten, zufriedenen Menschen, die da waren, wo sie sein wollten, und nun in froher Hoffnung und festem Glauben der Zukunft entgegensteuerten. Der Welt, die so lange düster und traurig vor mir gelegen hatte, sah ich jetzt wieder mit Mut und Lust entgegen.

Der Leuchtturm von Lister war das Letzte, was wir vom Festland sahen. In der Nordsee jagten ein paar Windstöße daher, die für die nicht Seefesten unter uns weniger behaglich waren. Die Hunde waren jetzt losgebunden und liefen frei umher. An den Tagen, wo die See hochgeht und die Gjöa schlingert – denn das kommt vor –, laufen sie von einem zum anderen und studieren unsere Mienen. Die ihnen zugemessene tägliche Kost – ein getrockneter Fisch und ein Liter Wasser – befriedigt ihren Appetit durchaus nicht, und sie versuchen es daher auf alle mögliche Weise, sich eine Extramahlzeit zu ergattern. Alle miteinander sind alte Bekannte, und sie kommen ziemlich gut miteinander aus, wenigstens was den männlichen Bestand anbetrifft. Bei den beiden Damen – Karli und Silla – hält dies schwerer. Karli ist die Ältere von den beiden, und sie verlangt unbedingten Gehorsam, worein sich Silla, die ja auch schon eine erwachsene Dame ist, sehr schwer findet. Die beiden liegen sich daher gar nicht selten in den Haaren. Ola, der als Oberhaupt anerkannt wird, sucht diese Art Kämpfe so viel wie möglich zu verhindern. Es ist ein unbezahlbarer Anblick, wenn der alte Ola – klug, wie ich nur wenige Hunde gesehen habe – mit diesen zwei Hündinnen, einer auf jeder Seite, umherspringt und einen Kampf zwischen ihnen zu verhindern sucht.

Das tägliche Leben geht bald seinen gewiesenen Weg, und jeder von den Teilnehmern macht den Eindruck, als passe er gerade für den ihm zuerteilten Posten ausgezeichnet. Wir haben eine kleine Republik auf der Gjöa eingerichtet. Es gibt da keine strengen Gesetze, denn ich weiß selbst, wie unangenehm einen eine solche strenge Disziplin anmutet in dem Augenblick, wo man sich auf offener See befindet. Man kann sehr gut seine Arbeit leisten, auch wenn die Rute der Disziplin nicht immer drohend geschwungen ist.

Meinen eigenen Erfahrungen gemäß hatte ich beschlossen, so weit wie möglich an Bord Freiheit walten zu lassen – jeder sollte das Gefühl bekommen, dass er in seinem eignen Bereich unabhängig sei. Dadurch entsteht – bei vernünftigen Leuten – von selbst eine freiwillige Disziplin, die einen viel größeren Wert hat als die erzwungene. Dabei bekommt jeder Einzelne das Bewusstsein, ein Mensch zu sein, mit dem man als mit einem denkenden Wesen rechnet, und nicht nur wie mit einer Maschine, die aufgezogen wird. Die Arbeitslust wird vervielfacht, und damit die Arbeit selbst. Ich möchte das auf der Gjöa angewendete System jedermann empfehlen.

Meine Gefährten schienen dieses Vorgehen auch sehr zu schätzen, und die Überfahrt auf der Gjöa glich viel eher einer Ferienreise von Kameraden als der Einleitung zu einem ernsten, jahrelangen Kampf.

Am fünfundzwanzigsten Juni fuhren wir zwischen Fair Isle und den Orkney-Inseln hinaus in den Atlantischen Ozean.

Und nun hätten sie uns sehen sollen – die vielen, die uns hier schon den Untergang prophezeit hatten! Mit vollen Segeln und einer frischen Brise aus Südost ging es mit Windeseile westwärts. Sie tanzte auf den Wogenkämmen – die Gjöa –, sie wetteiferte an Schnelle mit den Möwen!

Übrigens zeigte sich merkwürdig wenig Leben in unserem Fahrwasser. Wir sahen weder Vogel noch Fisch, von Schiffen überhaupt nicht zu reden. Seitdem wir bei Lister gepeilt hatten, war nur einmal ein Vollschiff in der Ferne aufgetaucht.

Der Motor war uns mehrere Mal sehr nützlich. Ich hatte bestimmt, dass er in Gang gesetzt werden solle, sobald der Wind so abflaute, dass wir weniger als zwei Knoten in der Stunde zurücklegten.

Übrigens mussten wir sehr auf einen sparsamen Verbrauch des Petroleums bedacht sein, da wir ja nicht wissen konnten, wie lange die Reise dauern würde.

Es war jetzt alles in Ordnung gekommen und ging seinen ruhigen Gang. Der ganze Tag war in vier sechsstündige Wachen eingeteilt, immer drei Mann auf jeder Wache. Der Dienst war unter allen gleichmäßig verteilt. Wenn der Motor im Gang war, blieben die Maschinisten meistens im Maschinenraum. Doch waren sie jederzeit bereit, uns Deckleuten, wenn es nottat, hilfreiche Hand zu leisten. Den alten Streit zwischen Deck- und Maschinenleuten gab es auf der Gjöa nicht. Wir arbeiteten alle für ein gemeinsames Ziel und nahmen willig und gerne an allem teil. Gewöhnlich waren zwei Mann auf Deck und wir teilten uns gleichmäßig in die Führung des Steuers.

Ende Juli stellte sich unter den Hunden eine Krankheit ein. Augenscheinlich wurde ihr Verstand zuerst angegriffen; sie wanderten teilnahmslos auf dem Verdeck umher und sahen und hörten nicht. Das Futter schmeckte ihnen nicht oder sie fraßen auch gar nichts. Nachdem dies ein paar Tage gedauert hatte, wurden sie im Hinterteil gelähmt und konnten sich nur noch mit großer Mühe weiterschleppen. Schließlich stellten sich Krämpfe ein und dann erlösten wir sie vollends mit einer Kugel. Auf diese Weise verloren wir zwei prächtige Tiere – Karli und Josef –, übrigens zur großen Freude von Silla, die nun die einzige Henne im Korb war.

Unsere Fahrt wurde die ganze Zeit so viel wie möglich nach dem Großkreis geführt. Das Wetter war bisher günstig und unsere Fahrt tadellos gewesen. Am fünften Juli hatten wir einen kleinen Sturm aus Südsüdost. Wir hatten gereffte Segel und durchschnitten das Wasser mit einer Geschwindigkeit von zehn Meilen. Der große Luvbaum war gut abgefiert und Stopper aufgesetzt. Es regnete sacht, als ich mich am Abend in meine Koje legte. Nachts um ein Uhr sprang der Wind nach Osten um, dadurch stürzte das Großsegel herab. Der Baumstopper zerbrach und der Luvbaum flog mit furchtbarer Kraft daher. Dies hätte ernsthafte Folgen haben können, aber in dem Augenblick, wo der Stopper brach, zerbrach bei allem Unglück zum guten Glück auch der Karveelnagel, wodurch der Piekfall festgemacht wurde, und zwar mit dem Erfolg, dass der Piek sich von selbst bog und den Stoß dämpfte, der uns sonst unseren Baum hätte kosten können. Dies war ein verhältnismäßig billiges Lehrgeld. Von da an waren wir bei Nacht vorsichtiger.

Unsere vier überlebenden Hunde begannen indes, sich sichtbar zu langweilen. Im Anfang konnten sie Wind und Wetter studieren und damit die Zeit totschlagen; aber jetzt wirkten die meteorologischen Zerstreuungen nicht mehr zerstreuend, und deshalb suchten ihre Gedanken sich ein neues Feld. Müßiggang ist aller Laster Anfang, sagt das Sprichwort, und dieser Ausspruch passt ebenso gut für Tiere wie für Menschen. »Lurven« und »Bismarck«, die bis dahin »Ola« ganz ergeben und untertänig gewesen waren, fingen jetzt an, sich zu widersetzen und den Gehorsam zu verweigern. Das heißt, Lurven – der in Wirklichkeit von Geburt an böse war – stachelte Bismarck auf. Dieser war ein großer prächtiger Hund von ungefähr zwei Jahren mit dem herrlichsten Kauwerkzeug, das man je gesehen hat. An Olas Zähnen hatte das Alter seine Spuren hinterlassen, sie waren ziemlich schlecht.

Als früherer Anführer umgab ihn allerdings eine gewisse Würde, und die anderen bedachten sich zweimal, ehe sie ihn angriffen. Lurven indes spielte seine Rolle ausgezeichnet. In sausendem Galopp fuhr er in gerader Richtung auf Ola los. Bismarck, der glaubte, es handle sich um einen Sturmlauf, schloss sich seinem Kameraden sogleich an, um ihm beizustehen. Ganz dicht vor Ola angekommen, hält Lurven plötzlich inne, worauf Bismarck, der nicht auf diese List vorbereitet ist, in des Feindes Rachen läuft. Er bekam dann auch regelmäßig ordentlich Schläge von dem erfahreneren Ola.

Lurven war der boshafteste von allen Hunden, die mir je begegnet sind. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mit seinem etwas schiefen Kopf und den kleinen schielenden Augen, den Schwanz nach der einen Seite hinausgestreckt, über das Deck hinjagt, als sei er auf einen neuen Streich aus. Er wurde wegen seiner schlechten Streiche sehr oft von uns durchgewalkt und verlegte seine Taten deshalb gern auf eine Zeit, wo er weniger unter Aufsicht war. Wenn wir zum Beispiel an den Segeln beschäftigt waren, konnten wir eines Kampfes sicher gewärtig sein. In der Dunkelheit und Stille der Nacht, wenn Lurven die beiden aufeinandergehetzt hatte, benutzte er oft die Gelegenheit, Ola in den Rücken zu fallen, und dann konnte der Alte nicht allein fertig werden. Armer Ola! Bei diesen nächtlichen Kämpfen wurde er oft böse zugerichtet. Silla sprang bei solchen Gelegenheiten rings um die Kämpfenden herum; sie vollführte allein einen Spektakel, der den der beiden anderen ganz übertäubte, und biss diese auch von Zeit zu Zeit in die Beine.

Es regnete unentwegt weiter, und wir sammelten das Regenwasser in alle unsere Gefäße, als Waschwasser für uns und als Trinkwasser für die Hunde. Aber für gewöhnlich wuschen wir uns mit Seewasser und konnten es da nicht so genau mit der absoluten Reinlichkeit nehmen.

Von jetzt an hielten wir scharfen Ausguck nach Eis, und am neunten Juli entdeckten wir zwei schmale Streifen, die in der See auf und ab wogten; da wussten wir, dass wir nun bald die Hauptmasse des Eises erwarten konnten. Und ganz richtig, nicht lange danach hatten wir das Packeis mächtig und fest vor uns! In dessen Gefolge kam der Nebel, der treue Begleiter des Eises, der uns während eines großen Teils unserer Reise in den arktischen Gewässern Gesellschaft leistete.

Am elften Juli um halb drei Uhr nachmittags bekamen wir Land in Sicht, etwas westlich vom Kap Farewell. Die hohe zerrissene Felsenküste war ein prächtiger Anblick. Es sah aus, als reiche das Eis bis dicht an das Land heran. Dem Rat der schottischen Walfischfänger Milne und Adams gemäß hielt ich mich weit von der Küste entfernt, um nicht in das Eis hineinzugeraten. Am Dreizehnten begegneten wir den ersten Eisbergen, zwei einsamen Majestäten. Die unter uns, welche noch keine solchen Kolosse gesehen hatten, waren natürlich sehr erregt, und die Fernrohre wurden fleißig benützt.

Beim Anblick des Eises begann sich in den meisten von uns das Jägerblut zu regen. Durch die Ferngläser wurde nach möglicher Beute gespäht, und allerlei Bärenjagdgeschichten waren sehr häufig der Gegenstand der Unterhaltung … Selbstverständlich stand Freund Petz in aller Erwartung obenan, aber nichtsdestoweniger hätte man auch eine »Klappmütze« – die großen prachtvollen Seehunde, die man an den grönländischen Küsten im Eis antrifft – freundlich empfangen. Zwei unserer gewaltigsten Nimrode ließen sogar etwas von der Möglichkeit, einen Walfisch zu morden, verlauten.

Am fünfzehnten Juli endlich konnten die Herren Jäger ihr Mütchen kühlen. Wir fuhren an diesem Tag eine kleine Strecke zwischen das Eis hinein und schossen vier große Klappmützen. Das frische Fleisch mundete uns allen herrlich! Und Lindströms Beredsamkeit floss über von Roulade, Sülze und Würsten, dass allen Bewohnern der Gjöa das Wasser im Mund zusammenlief. Er erzählte von seinen kulinarischen Taten als Küchenchef auf der »Fram«. Leider bewegten sich seine Reden nur in der Vergangenheit, während wir auf seine Taten in der Gegenwart warteten und hofften. Vorläufig freilich vergebens! Nun – Ehre sei dem Gjöa-Koch! Er hat uns trotzdem manches gute Beefsteak vorgesetzt!

Doch nicht allein den Menschen mundet das frische Fleisch gar köstlich, die Hunde liefern alle erdenklichen Beweise, dass auch sie keine Kostverächter sind. Sie fressen sich toll und voll, ihre Leiber stehen hervor wie ausgestopfte Ballons, und namentlich Lurven zeichnet sich dabei aus. Er zeigt sich jetzt als ein besonderes Ferkel, und sein ganzer Körper ist mit Fett und Blut eingeschmiert. Das auf der Wache hart arbeitende Reinigungsamt ist nach solchen Festmahlzeiten vollauf beschäftigt. Jeder Seemann kennt diese Seite der Sache, dass man Hunde an Bord hat. Man denke sich dann vier auf einmal, die aller Stubendressur bar sind!