Friedrich Dürrenmatt

Fußnoten

Werkausgabe in 37 Bänden, Zürich: Diogenes 1998, Bd. 28, S. 13. Das Werk wird im Folgenden im Lauf‌text nach dieser Ausgabe zitiert in Kurzform, z.B. WA 28, S. 13.

Nicht näher nachgewiesene unpublizierte Quellen wie Taschenkalender und Briefe stammen aus dem Nachlass von Friedrich Dürrenmatt im Schweizerischen Literaturarchiv. Nachweise mit Signatur werden nur in einer Endnote angegeben, wenn die Dokumente nicht problemlos anhand des Nachlass-Verzeichnisses lokalisiert werden können.

Heinz Ludwig Arnold: Einleitung. In: Friedrich Dürrenmatt: Gespräche in vier Bänden, Zürich: Diogenes 1996, Bd. 1, S. 1117. Im Folgenden im Lauf‌text nachgewiesen in Kurzform, z.B. G1, S. 1117, etc.

Vgl. dazu den Stammbaum im Anhang, S. 599f.

Endnoten

Die Biographie von Lutz Tantow, die 1991, im Jahr nach Dürrenmatts Tod, erschien, war ein Schnellschuss, der nur die ersten Informationsbedürfnisse zu befriedigen vermochte. Die rororo-Monographie von Heinrich Goertz war schon zu Lebzeiten formuliert worden und stützt sich weitgehend nur auf die damals bereits bekannten Selbstzeugnisse des Autors.

Ein weiterer Grund für meinen Neuansatz ist die Eigenart von Rüedis Werk: Es ist im Grunde als großer biographischer Essay angelegt, der seinen Gegenstand nicht in erster Linie chronologisch, sondern in wiederholten Kreisbewegungen und unter wechselnden thematischen Perspektiven zu fassen versucht. Rüedis Biographie wiederholt in gewissem Sinne den Gestus von Dürrenmatts Spätwerk, das Verbinden von Erzählerischem und Essayistischem, das Zurückkommen auf Geschriebenes, die Anreicherung in der Wiederholung. Das ist ein legitimer und faszinierender, zugleich jedoch äußerst anspruchsvoller Zugang – er entspricht einem Typus der Biographie, die sich in der Gestaltung am Schreiben der dargestellten Person orientiert.

Das generische Maskulinum wird in diesem Text für beide Geschlechter verwendet.

Grundsätzlich basiert meine Biographie zu großen Teilen auf der gleichen Quellengrundlage wie jene von Peter Rüedi: Ich habe die Entstehung seiner Dürrenmatt-Biographie mitverfolgt und ihm als Nachlass-Verantwortlichen im Literaturarchiv auch stets die neu auftauchenden Zeugnisse und Dokumente nach Möglichkeit zur Verfügung gestellt. Zugleich ist die Quellenlage in einem ständigen Fluss: Als Peter Rüedi seine Dürrenmatt-Biographie schrieb, galten Dürrenmatts Briefe an die erste Frau Lotti als vernichtet. Dass es sie einst gegeben hatte, war bekannt. Nach dem Tod von Dürrenmatts zweiter Frau Charlotte Kerr im Dezember 2011 wurden sie überraschend der Schweizerischen Nationalbibliothek übergeben. Bei einem Autor, der sehr wenig Briefe schrieb und sich kaum über sein Privatleben äußerte, fallen diese 45 sehr persönlichen Briefe ins Gewicht.

Reinhart Koselleck: Fiktion und geschichtliche Wirklichkeit, in Zf. f. Ideengeschichte I.3 (2007), S. 3954, hier: S. 51; vgl. auch Albrecht Koschorke: Wahrheit und Erfindung, Grundzüge einer allgemeinen Erzähltheorie, Frankfurt 2012, S. 225.

Verena Dürrenmatt im Gespräch.

Elisabeth, die laut Übergabeunterlagen mit Taufnamen Erna hieß und von den Pflegeeltern den neuen Namen bekam, wurde vom Kinderhaus Rüschlikon an das Pfarrerspaar übergeben. Am 10. Mai 1917 unterzeichnet das Pfarrerspaar eine Erklärung, Erna Gori »an Kindesstatt in ihre Obhut und Pflege genommen zu haben« und »die Kleine wie ein eigenes Kind halten zu wollen und sie dereinst ihren Verhältnissen gemäss und der Begabung und Neigung des Kindes entsprechend beruflich ausbilden zu lassen«. (SLA, Nachlass Verena Dürrenmatt, Signatur SLA-FD-E-64-C).

Dürrenmatt Peter 1986, S. 121.

Friedrich Zimmermann soll ein humorvoller und fürsorglicher Mann gewesen sein, sehr fromm, der allerdings auch eine Alkoholiker-Biographie hatte. »Besonders am Herzen lagen ihm die Bestrebungen der Evangelischen Gesellschaft, der Heidenmission und des Blauen Kreuzes«, heißt es in seinem Nachruf (SLA, Nachlass Verena Dürrenmatt, Signatur SLA-FD-E-64-C). Er gehörte viele Jahre dem Zentralkomitee der konservativen Bernischen Volkspartei an. Aus der Ehe von Friedrich und Lisette Zimmermann (in welche beide Partner Kinder aus einer früheren Ehe einbrachten) stammte neben Hulda auch die jüngere Tochter Frieda, die zur Zeit von Fritz’ und Vronis Kindheit im Evangelischen Lehrerseminar Muristalden in Bern wohnte: Ihr Ehemann Fritz Buri unterrichtete dort und leitete später die Institution. Fritz und Vroni Dürrenmatt waren von Stalden aus oft zu Besuch bei Tante und Onkel und ihrer Base Käthi.

Tanner 2015, S. 43.

Noch heute, lange nach der Übernahme durch Nestlé, wird »Stalden-Crème« als Dessert mit Referenz auf den alten Dorfnamen produziert.

Vgl. Tanner 2015, S. 42.

Böschenstein 1979, S. 9.

Urs Widmer im Gespräch.

Vgl. Hengartner 1990, S. 40.

Man ging »ins Zelt« oder »an die Bernstrasse«, wie sich Verena Dürrenmatt erinnert. »Ins Zelt gehen« bezog sich auf die Zeltmissionen in Form von Sonntagsschule für Kinder, Predigt, Posaunenchor: Man bekannte und bekehrte sich. Insbesondere gegen die Missstände der Trunksucht wurde gekämpft. »An die Bernstraße«: das bedeutete ins Versammlungslokal der »Landeskirchlichen Gemeinschaft«. Während dort die einfacheren, kleinbürgerlichen Leute verkehrten, war in Schloss Hünigen, das 1922 von der »Evangelischen Gesellschaft des Kantons Bern« gekauft wurde, ein großbürgerlich-patrizischer Pietismus beheimatet. Reinhold Dürrenmatt war selbst im Komitee dieser Evangelischen Gesellschaft und oft bei deren Veranstaltungen im Schloss dabei. Auch das Diakonissenhaus in Bern, für das er später arbeitete, wurde von der Evangelischen Gesellschaft betreut. (Verena Dürrenmatt im Gespräch).

Verena Dürrenmatt im Gespräch.

Die Buchhaltung von Hulda Dürrenmatt fand sich in Verena Dürrenmatts Nachlass (vgl. SLA-FD-E-64-C) und konnte nicht mehr mit ihr besprochen werden.

Ludwig Rubli sollte mit seiner Frau, die aus der reichen Aargauer Zigarrenfabrikantenfamilie Hediger stammte, zum karikierten Vorbild für die Figur Moses Melker und seine von ihm ermordete Frau im Roman Durcheinandertal (1989) werden.

Als ferner Anklang an diese Szene erscheint die Gouache Der entwürdigte Minotaurus (1960), auf der ein Junge von der Mauer des Labyrinths aus auf den Minotaurus hinunterpinkelt.

Joseph Rösli im Gespräch, 1993.

Vgl. WA 28, S. 47. Peter Rüedi weist zu recht auf die sexuellen Untertöne hin, die die Szene zum Sinnbild für die pubertären Nöte machen (vgl. Rüedi 2011, S. 114).

Verena Dürrenmatt im Gespräch, 27.3.2015.

Marti 2008, S. 25f.

Telefonat mit Theo Schweingruber 1994.

Gespräch mit Christiane Zuf‌ferey 1995.

Der Zeitpunkt des Wechsels ist historisch nicht dokumentiert. Die Erinnerungen von Kurt Marti legen nahe, dass Dürrenmatt das Freie Gymnasium bereits 1936 verließ, bei Peter Rüedi ist der Wechsel auf 1938 datiert, Verena Dürrenmatt meinte jedoch im Gespräch, es sei 1939 gewesen.

Am 20. Juni 1940 schreibt Hulda Dürrenmatt an ihre Tochter Verena: »Fritz hat sich nun doch entschlossen, in einem Jahr die Maturität zu machen. Ich bin sehr froh, denn in letzter Zeit wollte er nichts mehr davon wissen & hatte alle Gedanken beir [sic] Kunst & vor Allem beim Zeichnen.« Ansporn war die Tatsache, dass die eidgenössische Maturitätsprüfung, der er sich als Absolvent des Humboldtianums unterziehen musste, 1941 in Bern stattfand (der Ort wechselte jährlich).

Mauz 2002, S. 97f.

Verena Dürrenmatt im Gespräch.

Spitteler 1995, S. 128.

Schoch 2007.

Vgl. Rüedi 2011, S. 136.

Romulus der Große, Erstfassung, Bühnenmanuskript Reiss-Verlag, 1949, S. 29 und 49.

Manuskript Nachlass Dürrenmatt, Signatur SLA-FD-A-m171 I.

Schriftliche Mitteilung Max Huggler, 1991.

Vgl. insbesondere die beiden bei Stettler 1997, S. 66f, abgedruckten Gedichte. Dürrenmatts Handschrift der 1940er-Jahre erinnert teilweise an die George-Druckschrift.

Vgl. die Beschreibung in Turmbau (WA 29, S. 26f.). Die Mansardenmalereien wurden nach Dürrenmatts Tod restauriert und können besichtigt werden. Vgl. https://www.nb.admin.ch/snl/de/home/ueber-uns/sla/duerrenmatt-mansarde.html (20.2.2019).

Manuskriptfassung Stoffe: Querfahrt, zit. in: Schweizerisches Literaturarchiv (Hg.): Dürrenmatt – Die Mansarde, Zürich: Diogenes 1995, S. 1214.

Noll 1948, S. 131.

›Züri Leu‹, 6. Januar 1981.

Eduard Wyss: Erinnerungen an Friedrich Dürrenmatt, Typoskript, 1981 (SLA-FD-E-04), S. [1].

Jonas 1990, S. 385.

Werner Y. Müller: Kommentar zum Buch einer Nacht, 1943 (Kopie im SLA).

Interessant ist vor dem Hintergrund der nur ansatzweise gelingenden Interaktion von Text und Bild der Kommentar des Kritikers: Er stellt – gewissermaßen als ein tertium comparationis – eine konsequente (vulgär-)psychoanalytische Deutung der Bildlichkeit in Text und Zeichnung dar, die in ihrer Insistenz geradezu parodistisch anmutet. Dabei wird zwischen einer bewusst erotischen Dimension, die vor allem Jonas’ Bildern inhärent sei, und einer unbewussten Sexualität in den Texten des Studenten Dürrenmatt unterschieden: Müller erwähnt, dass »der Maler, im Gegensatz zum Dichter, vertraut ist mit der Sexualsymbolik des Unbewussten«. Es scheint, als ob sich Müller einen Spaß daraus gemacht hätte, Dürrenmatt, der in Zürich seine erste sexuelle Beziehung mit einer Frau erlebte und einige Zeit Tür an Tür mit einer Prostituierten wohnte, eine unbewusste sexuelle Obsession in seinen schwerblütigen und hochfliegenden literarischen Versuchen vor Augen zu führen. Mag sein, dass Dürrenmatts lebenslange Abneigung gegen die Psychoanalyse hier ihre Wurzeln hat.

Brief an Wilhelm Stein, Zürich, 27. November 1942, abgedruckt in Stettler 1997, S. 71.

Brief an die Eltern, Mittwoch o.D. [= 8. September 1943].

SLA-FD-A-m2.

Es blieb bei einer Überarbeitung im Jahr 1952 (wobei die Kafka-Reverenz und die Wächter-Szene gestrichen und die Büchner-Anklänge teilweise zurückgenommen wurden) und dem Abdruck dieser Neufassung unter dem Titel Untergang und neues Leben im Anhang des ersten Bandes der Werkausgabe von 1981. Zugleich führt ein kompositorisch-motivlicher Strang von diesem Erstling zum apokalyptischen Zeitstück Porträt eines Planeten von 1970: Nicht nur der Name des bzw. eines Protagonisten, Adam, wiederholt sich. Beide Stücke sind Porträts einer untergehenden Welt. Doch während im dramatischen Erstling die zufällige Katastrophe in einer katastrophalen Welt als abruptes Ende eintritt, ist dort die Bühnenrealität aus dem Kern der Katastrophe, der Supernova unserer Sonne, konzipiert.

Hier taucht erstmals eine Judith-Holofernes-Konstellation auf, wie sie Dürrenmatt bis zu seinem letztem Stück Achterloo wiederholt darstellen wird. Zugleich klingt hier am stärksten der Einfluss Ernst Jüngers und dessen Roman Auf den Marmorklippen an, auf den Dürrenmatt im Rückblick auf sein Frühwerk hinweist.

Von der Beschreibung her muss es die Marktgasse sein, die Dürrenmatt meint.

Buch der Stoffe. Manuskript in Blindband [1970/71], SLA-FD-A-TB 2.

In einem Eintrag zum 21. Januar 1950 im Taschenkalender findet sich eine nachträgliche Begründung für die Unmöglichkeit der Dissertation: »Kalt. Das Transparente, Leichte der Landschaft (das Japanische) ist weg. Harte, klare, deutliche Landschaft. Farbe wie bei Breug. Totem Tag« [gemeint wohl Pieter Breugels ›Der düstere Tag‹, U.W.]. / Eigenartig, wie ich diese Zeilen schreibe und aus dem Fenster schaue ist die Landschaft auf einmal transparent. So werden wir immer wieder Lügen gestraft. Hier steckt die Unmöglichkeit für mich, eine Dissertation zu schreiben

Manuskript in Blindband [1970/71], SLA-Signatur FD-A-TB 2.

Verena Dürrenmatt im Gespräch.

Verena Dürrenmatt im Gespräch.

Das Haus in der St. Alban-Vorstadt 30, der sogenannte Wildensteinerhof, wird bis heute von einer Schule benutzt, früher Athenäum, heute Minerva.

Verena Dürrenmatt erinnert sich, Lotti habe ihr erzählt, dass sie während des Krieges bei ihren Schweiz-Aufenthalten jeweils im Bundeshaus berichten musste, ohne dass Verena klarwurde, was der Inhalt dieser Auskünfte war.

Ein weiterer Jugendfreund von Lotti Geissler war der spätere Philosoph Arnold Künzli.

Brief an die Eltern, o.D., Ende Sept. 1943.

Der Stoff führte zugleich auch indirekt in Dürrenmatts Ahnengeschichte. Der Berner Genealoge Paul Hofstettler gab Dürrenmatts Tochter Barbara bei ihren genealogischen Recherchen Hinweise darauf, dass es in der Gemeinde Guggisberg im 17. und 18. Jahrhundert viele Täufer gab. Der erste historisch belegte Dürrenmatt, »Cristan Dürrenmatt, ›genannt Zwölf‌fen‹«, war Nachbar eines enteigneten Täufers und beteiligte sich im Jahr 1612 am Kauf von dessen Habe. (Vgl. den unveröffentlichten Bericht des Genealogen Paul Hostettler, Bern, an Barbara Meyer-Dürrenmatt, 20.9.2008, Privatbesitz.)

Vgl. z.B. die Belege zur künstlerischen Rezeption im Wikipedia-Eintrag zum »Täuferreich von Münster« (https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%A4uferreich_von_M%C3%BCnster, 12.1.2020). Am bekanntesten gewiss die Oper von Giacomo Meyerbeer: Le prophète (1849).

Vgl. Wysling 1996, S. 1537.

Ich verdanke Peter von Matt den Hinweis darauf, dass am Ende des Ersten Tages in Claudels Seidenem Schuh ein direktes Vorbild für die Hymne auf das Essen zu finden ist. Da heißt es etwa – in der 1939 erstmals erschienenen Übersetzung des Theologen Hans Urs von Balthasar: »Süßes und Salziges, diese Muscheln, blau wie die Nacht, diese schöne Forelle, rosig unter ihrer silbernen Haut wie eine kulinarische Nymphe, diese Scharlach-Languste« (Paul Claudel: Der seidene Schuh oder Das Schlimmste trifft nicht immer zu. Luzern: Stocker, 2. veränderte Auflage, o.J., S. 90).

Kurt Horwitz in: Dürrenmatt-Story, G1, S. 53.

Belegbar ist Horwitz’ schriftliche Reaktion Dürrenmatt gegenüber: Schon am 20. Januar 1946 war das Manuskript offenbar in seinen Händen, er schickte es Dürrenmatt mit einem Brief zurück, da er nicht Zeit habe, es zu lesen, erbat aber eine Kopie davon. Am 20. Juni 1946 schrieb Horwitz eine Postkarte nach der Lektüre: »Sehr geehrter Herr Dürrenmatt, Ihr Brief und Ihr Stück interessieren mich ungemein – interessieren in des Wortes ursprünglicher Bedeutung«, und fragt in einem Postscriptum, »ob Sie den Seidenen Schuh von Claudel gesehen oder gelesen haben? Wenn Beides nicht der Fall sein würde, wäre eine merkwürdige (formale) Übereinstimmung an mancher Stelle vorhanden«. In einem autobiografischen Manuskript schreibt Dürrenmatt um 1990: »Durch Zufall fiel mir im Winter 1945/46 […] Claudels Der seidene Handschuh [sic] in die Hände. Ich fand diese ›spanische Handlung in vier Tagen‹ ebenso abstrus wie faszinierend. Vor allem ging mir ein Licht auf. Nicht meine persönlichen Schwierigkeiten, die ich mit der Welt hatte, waren wichtig, sondern die Welt […] Es löste mir die Zunge. Plötzlich begannen die Personen meiner Phantasie zu reden.« (Das Stoffe-Projekt, Band 3).

Lotar 1981, S. 36f. Auch Walter Oberer, damals Verwaltungssekretär des Basler Stadttheaters, erinnert sich an Vorbehalte von Horwitz gegenüber Es steht geschrieben (vgl. Oberer 2001, S. 34).

Gemäß Aktennotiz von Anwalt Conrad Gelzer zur Rechtssituation am Werk von Dürrenmatt vom 10. Januar 1955 sowie Verträgen Dürrenmatt-Reiss 16.12.1946 und 30.8.1947.

Auch als Herausgeber hielt Horwitz den Expressionismus in Erinnerung: Seine Trakl-Ausgabe von 1946 findet sich mit Widmung von 1951 in Dürrenmatts Bibliothek.

Ulrich Weber: »Ohne Schauspieler keine Regie!«: Zum hundertsten Geburtstag von Kurt Horwitz. Neue Zürcher Zeitung, 20./21.12.1997, S. 46.

Verena Dürrenmatt im Gespräch.

Universitätsbibliothek Basel, Nachlass Walter Muschg (Kopie im SLA).

Es sollte später zu einer Verstimmung zwischen den beiden kommen, als sie vom inzwischen wohlhabenden Dramatiker Geld zurückforderte (vgl. Rüedi 2011, S.317). Seine indirekte Rache: Ins Groteske verzerrte Züge der kleinwüchsigen Mäzenin sind in die Figur der Monika Steiermann im Roman Justiz eingegangen.

Noll 1948, S. 129f.

Ebd., S. 132.

Dürrenmatt-Story, G I, S.52. Dürrenmatt selbst meint in der Erinnerung, sie hätten »in drei Zimmern eines Herrschaftshauses gewohnt, das bald darauf abgebrochen wurde. Wir hätten auch in achtzehn Zimmern wohnen können, als wir einzogen. Ein kleiner Saal mit Parkett und Kristallspiegeln war – unser Kohlenkeller.« (SLA-FD-A-r88IV, fol.35/S. 38)

Keckeis 1991.

Zit. nach Rüedi 2011, S. 269.

Das bezeugen Personen aus dem damaligen Umfeld, die ihn in ihrer Kindheit als jungen Mann erlebt haben, wie z.B. Ulrich Wyss, Sohn von Eduard Wyss, Brigitte Muschg, Tochter von Walter Muschg, und Annette Gernsbach-Bäschlin, Tochter des Kritikers Franz Bäschlin, der eine euphorische Kritik von Es steht geschrieben im ›Landboten‹ publiziert hatte und Dürrenmatt zu einer Lesung nach Winterthur einlud.

Exemplarisch zeigt sich dies – wie die Relevanz, die eine religiöse Deutung der Gegenwart zu dieser Zeit hatte – nicht nur in Walter Muschgs Lob dieses Stücks als »lehrhaft verkündende […] Dichtung« (zit. nach Rüedi 2011, S. 311), sondern auch im Vortrag des Germanisten, Journalisten und Politikers Walter Allgöwer am Stadttheater Basel zur Einführung in das neue Stück, der unter dem Titel »Gestaltungselemente eines heutigen Dramas. Zur Uraufführung von Friedrich Dürrenmatts Schauspiel ›Der Blinde‹« am Tag nach der Uraufführung im ›Sonntagsblatt der Basler Nachrichten‹, die ganzen ersten vier Seiten ausfüllend erschien.

Karl Barth: Der Römerbrief. 2. Aufl. Zürich, 1922, S. 6.

Die Diskrepanz zwischen religiösem und ›natürlichem‹ Existenzverständnis hat Dürrenmatt in diesen Jahren auch im Hörspiel Der Doppelgänger und im Hörspielfragment Der Uhrenmacher und in der Erzählung (und im dazugehörigen Gemälde) Pilatus dargestellt. Die religiösen Kategorien entziehen sich einem rationalen Weltverständnis, sie erscheinen im Doppelgänger in Form einer verkehrten Kausalität von Tat und Verschuldung, der Uhrenmacher kann das ihm zugesprochene göttliche Gnadengeschenk der Königstochter nicht akzeptieren, weil er eine Falle wittert, und sie wird ihm durch seine Ablehnung zum Fluch. Und Pilatus weiß zwar, dass Jesus ein Gott ist, doch kann er diesen nur in seinem antiken Weltverständnis als bösartige Gottheit interpretieren, die ihn zerstören will.

Abraham – so Søren Kierkegaard in Furcht und Zittern  ist bereit, auf Gottes Geheiß seinen Sohn Isaak zu opfern. Die unbedingte Bereitschaft, das Teuerste zu opfern, entspringt dem unmittelbaren Verhältnis zu Gott, doch zugleich handelt Abraham aus ethischer Sicht unmoralisch. Sein Handeln ist für die Mitmenschen unverständlich, irrational, sinnlos. Darin ist der religiöse Held ein Gegensatz zum tragischen Helden, dessen Opfer, obwohl ›unmenschlich‹ gegenüber der eigenen Familie, dem Wohl der Gemeinschaft dient und damit verständlich ist, wie Kierkegaard an Agamemnon veranschaulicht. Agamemnon opfert nach einem Wink des Orakels seine Tochter Iphigenie, um die Fahrt der Griechen nach Troja zu ermöglichen. Abrahams Opfer dagegen hat keinen sozialen Zweck. Es entspringt dem unbedingten Gehorsam Gott gegenüber. Abraham kann sein Verhalten nicht erklären, da sein persönliches Verhältnis zu Gott sich der Sprache entzieht.

Keller 2011, S. 343.

Vgl. Rüedi 2011, S. 339f., Keller 2011, S. 345.

Keller 2011, S. 345.

Das Haus gehörte nicht Cécile Falb, sie war selbst Mieterin bei einem Pfarrer Spring – die neuen Mieter also Untermieter.

Horwitz’ Tochter Ruth, vierzig Jahre später darauf angesprochen (Gespräch mit U.W. in München 1992), konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater Dürrenmatt wirklich gedrängt hätte, das wäre gegen sein Naturell gewesen.

In einem Brief vom 30. Dezember 1970 – fünf Tage vor seinem Fünfzigsten – schrieb die Künstlerin Elsi Giauque: »Lieber Friedrich im Eiltempo send ich Dich (sic) die gewünschten Werke von Dir, die in meinem Besitze sind! […] III Die losen Blätter die ich vor dem bösen Ofen retten konnte! Nicht wahr[,] Friedrich[,] ich darf Deine mir so wertvollen Arbeiten bald wieder auf der Festi haben, in Deinem Zimmer haben?!«

SLA-FD-A-m4.

Universitätsbibliothek Basel, Nachlass Walter Muschg (Kopie im SLA). Bereits am 29. November hatte Horwitz, der über Dürrenmatts Vetter Peter davon erfahren hatte, ihm empfohlen, sich mit dem Turmbau Zeit zu lassen und den geplanten Kriminalroman zu schreiben: »Eine mehr handwerkliche Arbeit – so wie Chesterton (und die Engländer überhaupt) ihre Kriminalromane schreiben […] – eine solche Arbeit kann vielleicht sehr helfen –, gerade dem Turmbau helfen?«

Romulus der Große [Erste Fassung], Textbuch Reiss-Verlag, [1949], S. 29.

Ebd., S. 39.

Ebd., S. 49.

Auch sie selbst war vom Stück angetan: »Was hier zur Komödie, stellenweise gar zur Posse und zur Groteske wird, das sind letzte schneidende Probleme unserer Welt. […] Weltuntergang und Weltbeginn, Vaterland, Liebe, Kultur, Tat […] – wahrhaftig, die Steine des Anstoßes sind hier zu Pyramiden getürmt.«

Vgl. Rüedi 2011, S. 351353.

Vgl. Wüthrich 2003, S. 89.

In Basel war Brecht während der Basler Fasnacht, die vom 6. bis 9. März 1949 dauerte. Wenn die Begegnung mit Dürrenmatt wirklich in Basel 1949 stattfand, muss es in diesem Kontext gewesen sein. Das würde bedeuten, dass das Zusammentreffen vor der Uraufführung, während der Proben zum Romulus stattfand.

Wüthrich 2003, S. 170.

F.D. an Elisabeth Brock-Sulzer, 24.12.1949, Nachlass EBS, Zentralbibliothek Zürich.

SLA-FD-A-m215.

Elsi Giauque in Dürrenmatt-Story, G1, S. 69.

Belegt sind z.B. folgende Beiträge: Am 15. Mai 1949 erhielt Dürrenmatt einen Beitrag von 1000 Schweizer Franken durch die Schweizerische Schillerstiftung. Die Emil-Bührle-Stiftung zahlte auf Anregung von Kurt Horwitz und Oskar Wälterlin (Direktor des Schauspielhauses Zürich) 1949/50 3000 Franken als Werkbeihilfe in monatlichen Raten von 250; nicht mehr identifizierbare Gönner schufen einen Dürrenmatt-Fonds, aus dem er bis Ende 1950 regelmäßige Unterstützung bekam; weiter erhielt Dürrenmatt einen Unterstützungsbeitrag von 2000 Franken vom Eidgenössischen Departement des Innern (Bundesrat Etter) sowie einen von 3000 Franken von der Stiftung Pro Arte (in 3 Raten ab Dez. 1950); Der Dramaturg Richard Schweizer übergab ihm im Dezember 1950 die Hälfte der ihm überreichten Ehrengabe durch die Literaturkommission der Stadt Zürich (400 Franken); ab März 1952 erhielt Dürrenmatt auf Gesuch von Emil Staiger 10000 Franken von der Schweizerischen Landesausstellungsstiftung, in Raten von monatlich 500. Noch 1956 erhielt Dürrenmatt einen Unterstützungsbeitrag von 2000 Franken von der Stiftung Pro Arte. Daneben wurde er immer wieder von privater Seite unterstützt, etwa von Antoinette Vischer mit insgesamt 3450 Franken.

Gemäß Taschenkalender-Einträgen vom 18./24.1.1950 Schürmann mit Namen.

Max Frisch: Tagebuch 19461949, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1950, S. 29.

Ebd., S. 293.

Dürrenmatt im Film ›Portrait eines Planeten‹.

Dürrenmatt schickte den beiden im November 1950 seine frisch gedruckte Erzählung Der Nihilist; doch hatte er die gedruckte Widmung an Ginsberg zurückgenommen, die er offenbar in Aussicht gestellt hatte; und Ginsberg schreibt: »Du brauchst für Dich bequemere Menschen als mich. Und ich verstand und verstehe unter Freundschaft und Wahrheit etwas Anderes als Du.« (Brief an F.D., Basel, 14. November 1950) Horwitz bedankt sich für das ihm gewidmete Exemplar, beklagt sich jedoch zugleich: »Aber noch mehr hätte ich mich gefreut, wenn Sie ein paar Zeilen beigelegt hätten, die mir klarmachen würden, was Sie sich eigentlich denken: Über uns, über sich selbst und über die ganze Situation, die ja keineswegs natürlich ist. Missverstehen Sie mich bitte nicht! Ich hätte mich auch dann gefreut, wenn Sie geschrieben hätten: Ja, ich war böse und beleidigt, und Ihr habt mir Unrecht getan! Dann würde ich unser abgebrochenes Gespräch wieder aufnehmen, so aber weiss ich nicht, wie ich das tun soll?« (Brief vom 16. November 1950) Sie versöhnten sich um 1953 wieder, und Horwitz arbeitete ab 1958 wieder eng mit Dürrenmatt am Schauspielhaus Zürich zusammen, doch sollte nie mehr die Nähe der frühen Jahre entstehen. Zu Horwitz60. Geburtstag schrieb Dürrenmatt am 20. Dezember 1957: »Sie waren in Basel, als Sie fünfzig wurden, ich erinnere mich noch gut daran. Inzwischen hat sich viel ereignet. Sie waren und sind für mich ein Mensch, dem ich viel verdanke, an den ich öfters denke, als Sie wohl glauben, wenn auch die Liebe, die ich zu Ihnen habe, mit Trauer gemischt ist. Es hat keinen Sinn und wäre nicht tapfer zu verschweigen, dass zwischen uns beide Vieles getreten, was wir nicht hätten zwischen uns kommen lassen sollen. Das Menschliche, Allzumenschliche ist keine Entschuldigung, sondern ein Versagen, für das ich mich nicht entschuldigen kann. Ich darf nur hoffen, wie ich Sie kenne, dass Sie nicht allzu bitter von mir denken, war es doch eine schöne Zeit, als unsere Freundschaft noch in Ordnung war, und mag sie durch den Wirrwarr, in welchem ich bisweilen stecke, auch etwas aus den Fugen geraten sein, eine Freundschaft ist sie eben doch.« Äußerer Grund für die Distanz war zudem, dass Horwitz 1952 in München die Intendanz des Residenztheaters übernahm. Ginsberg bekannte sich später doch noch zum Mississippi, spielte er doch bei der Inszenierung der Neufassung am Schauspielhaus Zürich 1957 die wichtige Rolle des Grafen von Übelohe-Zabernsee.

Rüedi 2011, S. 363

Der Roman war allerdings schon während der Niederschrift von Die Ehe des Herrn Mississippi ein Thema: Im Taschenkalendereintrag vom 11. Januar 1950 heißt es: »Telephon mit Peter [Dürrenmatt]. Seine absolute Zuverlässigkeit immer wieder eine sichere Burg. Rät mir[,] an [Max] Ras zu schreiben. Mut[,] den Kriminalroman doch weiterzuschreiben.«

Diese Wette ist in der Originalfassung im ›Schweizerischen Beobachter‹ noch nicht vorhanden, Dürrenmatt fügt sie erst in der Überarbeitung für die Bucherstausgabe 1952 ein.

Der Autor Ulrich Ritzel hat in einer Korrespondenz mit Peter von Matt (Kopien im SLA) auf einen realen Fall hingewiesen, von dem Dürrenmatt möglicherweise in Basel gehört hatte: Der Anatom Dr. August Hirt, als Sohn eines Schweizer Kaufmanns 1898 in Mannheim geboren und in Deutschland tätig, besaß für seine Skelettsammlung die Verfügungsgewalt über eine Gaskammer im KZ Natzweiler-Struthof in den Vogesen und war u.a. verantwortlich für die Ermordung von 86 jüdischen Frauen und Männern zu Forschungszwecken. Er setzte sich im Herbst 1944 vor den anrückenden französischen Truppen in den Schwarzwald ab, wo er bei einer Bauernfamilie Unterschlupf fand, die ihn aus Dankbarkeit aufnahm, weil er ihrer Tochter mit einem Luftröhrenschnitt das Leben gerettet hatte (wie Emmenberger im Roman einem Studienkollegen). Er soll sich 1945 erschossen haben, doch gab es Vermutungen, dass er sich in die Schweiz abgesetzt hatte – noch 1959 war er offenbar in der Schweiz zur Fahndung ausgeschrieben.

Vgl. das Tonband im Schweizerischen Literaturarchiv, Sammlung Peter André Bloch, SLA-Bloch-D-01/01.

In diesem Text wird er als »Peter« bezeichnet, wenn von ihm als Kind die Rede ist, von »Pierre (Dürrenmatt)«, wenn es um den Erwachsenen geht.

Brief Rudolf Jakob Humms an SSV, 24.10.1952, SSV-Archiv im SLA.

Gemäß Dürrenmatts Angaben in der Dürrenmatt-Story (G1, S. 75) war der Kaufpreis 60000 Schweizer Franken.

In den ersten Jahren heißt es in den Postanschriften noch »Pertuis-du-Soc«.

Vgl. Rüedi 2011, S. 426.

Diese Episode trug sich, wie dem im Dürrenmatt-Nachlass erhaltenen Strafmandat des Richteramts Nidau über ein Bußgeld von 25 Schweizer Franken wegen »unanständigen Benehmens und des Verursachens eines Wirtschaftsskandals in angetrunkenem Zustande« zu entnehmen ist, am 24. Mai 1951 zu.

Taschenkalender 1950, Eintrag vom 4.5.1952.

So z.B. von Hanny Fries bezeugt in Morlang 2003, S. 110.

Zit. nach Hohl 2004, S. 7.

Das Selbstverständnis Schif‌ferlis, mit seinem Verlag »Zeugnisse des deutschen Widerstandes« (Peter Schif‌ferli: Nachwort des Verlegers, in: Werner Bergengruen: Dies irae, 2. Aufl., Zürich 1946, S. 29) zu retten und in seine Arche abendländischer Moral aufzunehmen, ist nicht die ganze Wahrheit und blieb nicht unbestritten: So kritisierte Max Frisch in einer Rezension von Wiecherts und Bergengruens Büchern etwa des Letzteren Dies irae scharf: Das literarische Verfahren der Überblendung von Zeitgeschichte und Jüngstem Gericht sei eine »Mystifikation« und »Ästhetisierung« der konkreten historischen Schuld, um die es bei der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gehe; im religiösen Verständnis würden Täter und Opfer kurzgeschlossen, das deutsche Leiden zur religiösen Opferhaltung stilisiert. (Vgl. Amrein 2013, S. 67) Das Bekenntnis zur Widerstandsdichtung verdeckt zudem die Tatsache, dass Peter Schif‌ferli die Fühler auch in andere Richtung ausstreckte, wenn er schon lange vor der offiziellen Verlagsgründung, im Frühjahr 1943, Hans Friedrich Blunck, den für die Gleichschaltung der Literatur zu Beginn des Dritten Reichs zuständigen Präsidenten der Reichsschrifttumskammer, kontaktiert hatte und ihn um Manuskripte sowie die Vermittlung von Kontakten bat, da er »ja als Ehrensenator der Reichsschrifttumskammer und als bedeutendster Repräsentant zeitgenössischen deutschen Schrifttums wohl der berufene Berater« (Peter Schif‌ferli an Hans Friedrich Blunck, 8.4.1943, Zit. nach Amrein 2013, S. 78) sei.

Der Band Abendländische Haltung, 1945 als eines der ersten Arche-Bücher erschienen, ist eine Art Programmschrift zur Sicherung des erschütterten »Wurzelgrund[es] des christlichen Glaubens« (Klappentext), er enthält u.a. Beiträge des jungen, jesuitisch geschulten Schweizer Schriftstellers Kuno Raeber und des katholischen Konvertiten Richard Seewald, dazu Texte über Franz von Sales, Pascal, Hölderlin und Paul Claudel. Herausgeber und Mitautor ist ein gewisser James Schwarzenbach, der Vetter der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, der später als Rechtsaußen-Politiker und Urheber der Überfremdungs-Initiative von 1970 zweifelhaften Ruhm in der Schweiz erwarb. 1947 übernahm er den von Schif‌ferli als Nebenlinie gegründeten, explizit religiös orientierten Thomas-Verlag und publizierte dort auch antisemitische Texte.

Die Geschichte von Dürrenmatts Beziehung zum französischen Existentialismus wäre erst noch zu schreiben. Die Spuren sind dürftig (einzelne Lektüren belegt), persönliche Begegnungen peripher, Verwandtschaften aufgrund gemeinsamer Wurzeln teilweise ebenso augenfällig wie die Differenzen offensichtlich. So prägt das Problem des »Nichts« und absoluter Freiheit zum Verbrechen die Haltung von Bärlachs Antagonisten in den beiden Kriminalromanen. Ist Dürrenmatts Erzählung Der Tunnel 1952 offenkundig mit paradoxem Bezug auf einen Barth’schen Deus absconditus formuliert, so publizierte der Autor 1978 eine Neufassung, in der auf die Frage »Was sollen wir tun?« nur noch die Antwort »Nichts« übrigbleibt, womit ein breiterer Deutungsrahmen eröffnet und das für den späten Dürrenmatt zu offensichtliche religiöse Paradigma zurückgenommen wird.

Peter Schif‌ferli in: Die Dürrenmatt-Story G1, S. 67). Ähnlich klingt es 1973 aus Dürrenmatts Mund: »Er war ein Anfänger, und ich war einer. Ich erinnere mich noch an einen Nachmittag in einem Gartenrestaurant. Er besaß die Mittel nicht, mir einen Vorschuß zu geben, den ich dringend benötigte. Deshalb beschlossen wir, meine Kriminalromane bei Benziger herauszugeben. Danach bin ich endgültig beim Arche Verlag geblieben. Peter Schif‌ferli hat immer alles gedruckt, was ich schrieb, manchmal vielleicht etwas voreilig. Probleme gab es zwischen uns nie.« (G2, S. 104)

Vgl. die Aktennotiz von Anwalt Conrad Gelzer zur Rechtssituation am Werk von Dürrenmatt vom 10. Januar 1955.

F.D.: Brief an Peter Schif‌ferli, o.D. [nach 6. Oktober 1951], SLA, Verlagsarchiv Die Arche, Signatur B-2-DUER.

Vgl. Rüedi 2011, S. 451.

Schif‌ferli macht sich (mit Kopie an Dürrenmatt) am 12. November 1955 gegenüber dem Verlegerkollegen Keckeis lustig über dessen Brief zum Vorhaben, einen neuen Kriminalroman von Dürrenmatt zu publizieren, den er in seiner Mappe »Amüsantes« als »Prachtstück« ablegen werde. »Deine Idee, dass ich zur grösseren Ehre Deines Verlages und zur Verminderung des Risikos jene Bücher von Dürrenmatt herausbringen dürfe, welche Dir offenbar zu wenig gangbar erscheinen, ist tatsächlich das Ei des Kolumbus jeder Verlegerei. […] Was Deine finanziellen Verhältnisse mit Dürrenmatt betrifft, so ist das Eure Angelegenheit. Auf alle Fälle hast Du jetzt auf Wunsch des Autors durch uns noch einmal zur Kenntnis genommen, dass er auf lange Sicht vertraglich mit seinem Werk ohne irgendwelche Beschränkungen auf Kriminalromane oder Nicht-Kriminalromane an die Arche gebunden ist und offenbar Wert darauf legt, gebunden zu bleiben.« – Da konnte Dürrenmatt noch in letzter Sekunde von einem Seitensprung abgehalten werden, bei dem er der Geliebten offenbar den bestehenden Ehevertrag verschwiegen hatte.

Dürrenmatt im Film Portrait eines Planeten von Charlotte Kerr sowie Dürrenmatt-Story, G1, S. 76. Schweikart hatte bereits den Romulus in Göttingen gesehen.

Dürrenmatt-Story, in G1, 72f.

Vgl. SLA-A-Bi-20 und -A-Bi-24.

Daneben weitere barocke, klassische und romantische Musik, wenig Zeitgenössisches, einige Chansons, kein Jazz, geschweige denn Rock und Pop.

Tuvia Rübner, der sich mit Dürrenmatt in den 1970er-Jahren befreundete, berichtet auch einer weiteren Vorliebe Dürrenmatts, der gesagt habe: »Schubert liebe ich am meisten. Er ist der einzige Komponist, dessen Musik ganz ohne Struktur ist, ganz aus sich kommt. Schubert ist schutzlos und himmeltraurig.« (Rübner 1991, S. 36)

1952 erhielt Dürrenmatt beispielsweise für den Uhrenmacher 1000 Deutsche Mark vom Bayerischen Rundfunk und 1953 3000 Schweizer Franken von der Ifco-Film für ein Treatment Der Teufel und der liebe Gott, das nie ausgeführt wurde.

Vgl. z.B. die Einträge im Taschenkalender vom 10. und 11.1. sowie 7.2.1950, aber auch die in Kapitel 4 und 5 zitierten Briefe an Lotti aus den 1970er-Jahren.

So die Darstellung 25 Jahre später. In einem am Vortag der Premiere (21.12.1953) publizierten Gespräch mit der ›Süddeutschen Zeitung‹ meint Dürrenmatt noch diplomatisch, es sei ihm beim Probenbesuch aufgefallen, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Autor und Regisseur sei, und er würde vieles am liebsten noch einmal und anders schreiben, was aber angesichts des Geldmangels und der rasenden Zeit nicht möglich sei; die ›Abendzeitung‹ berichtet am Tag der Premiere (22.12.1953) von einem freundschaftlichen Ringen zwischen Autor und Regisseur »wie weiland Jakob mit seinem Engel«.

Die ›Süddeutsche‹ findet, das Stück sei »für den nicht durch Lesen vorbereiteten Zuschauer […] eine harte Nuß am Weihnachtsbaum« und die Aufführung wirke »in wichtigen Abschnitten unfertig«, bemängelt werden zudem Textunsicherheiten der Schauspieler. Max Christian Feiler spricht am 24.12.1953 im ›Münchener Merkur‹ von einem »mysteriösen und konfusen Stück«, das selbst unfertig sei; seine Kritik ist ein eigentlicher Verriss.

Vgl. die Aktennotiz von Anwalt Conrad Gelzer zur Rechtssituation am Werk von Dürrenmatt vom 10. Januar 1955.

Es muss sich um Norbert Auerbach (19222009) handeln, der nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Columbia Karriere machte und später für United Artists arbeitete.

Dem Bayerischen Rundfunk bot er zwei an (Verbotene Zone und Catcher) – selbstredend wurden sie nie realisiert, über die Titel hinaus ist nichts über diese Stoffe bekannt. Immerhin ein Exposé hat Dürrenmatt zu einem weiteren Hörspiel-Stoff, Berner Episoden, für den Norddeutschen Rundfunk verfasst (wie dieser am 7. März 1956 bestätigt), doch auch dieses Projekt wurde nicht umgesetzt.

Schütt 2011, S. 493.

Vgl. dazu von Matt 2001, S. 113ff.

Hinzu kamen die Lebensreform- und Körperkultbewegung, die stark auf das Gemeinschaftsgefühl setzten und unter Hitler – orchestriert etwa von Leni Riefenstahl – zur Ornamentierung der Massen führten (Hinweis von Urs Schwarz).

Als spezifisch schweizerische Variante dieser theatralischen Massenspektakel hatte sich in der Zwischenkriegszeit eine neue Konjunktur der Festspiele entwickelt. Ein Höhepunkt war das Festspiel zur Landesausstellung 1939, das Eidgenössische Wettspiel von Edwin Arnet. Es wuchs direkt aus der theatralischen Interpretation der Tradition der Landsgemeinde heraus, der Versammlung der stimmberechtigten Bürger eines Kantons zur Abstimmung über politische Fragen durch Handerheben. Oskar Eberle, Regisseur des Festspiels, schrieb dazu: »Das politische Urerlebnis der Eidgenossenschaft ist die Landsgemeinde. Sie enthält alle Elemente für ein künftiges Staatsfestspiel: die Grundformen der politischen Gemeinschaft: Umzug und Ring; den Ausdruck der Grundrechte der Freien: Wort und Gebärde; den Ausdruck religiöser Gemeinschaft: Lied und Schwur.« Und weiter: »Das Chorlied ist Ausdruck der vollkommensten Gemeinschaft, die alle Gegensätze überwunden hat[,] und zugleich ein Akt der ›Religio‹, das heisst der Verbindung der Menschen mit Gott.« (Oskar Eberle: Landsgemeinde und Staatsfestspiel, zit. nach Weber 2010, S. 109). »Theater ist Gemeinschaftskunst, innerlich gelebte Demokratie«, schrieb Karl Naef, erster Direktor der 1939 neugegründeten Kulturstiftung Pro Helvetia, über das Eidgenössische Wettspiel, das mit 1000 Beteiligten in 34 Aufführungen vor insgesamt 150000 Zuschauern gespielt wurde. Zwar gehörte der Gymnasiast Fritz Dürrenmatt nicht zu ihnen, doch war er offensichtlich mit den Schweizerischen Formen des Festspieltheaters und ihren teilweise dem faschistischen Thing-Spiel nahen dramaturgischen Formen vertraut. Max Eduard Liehburg, einer der Exponenten der erneuten Festspiel-Bewegung, dessen Projekt für ein Luzerner Festspieltheater anfänglich vom Bundesrat unterstützt wurde, bevor man den politisch zweifelhaften Charakter des Unternehmens und Liehburgs deutliche Nazisympathien realisierte – dieser Liehburg war um 1939 ein enger Freund der Schauspielerin Lotti Geissler. Liehburgs Theaterstücke – unter anderem sein chorisches Tell-Drama Hüter der Mitte – finden sich denn auch in Dürrenmatts nachgelassener Bibliothek.

Eichelberg 1994, S. 226f.

Stoffe-Manuskript, Signatur SLA-FD-A-a43 XI, fol. 165.

Rekonstruktionen, in: text+kritik, Heft 50/51, Dritte Auflage: Neufassung, S. 21.

Der (Film-)Regisseur Joseph L. Mankiewicz war ebenfalls am Stoff interessiert, fand aber keinen Gefallen an Valencys Fassung, so dass die Verhandlungen mit ihm über eine (Theater-)Inszenierung im Sand verliefen. Der interessierte Produzent Herman Shumlin zog sich seinerseits zurück, nachdem er die Hamburger Inszenierung (mit Elisabeth Flickenschildt als Claire Zachanassian) gesehen hatte und nicht restlos überzeugt war.

Dürrenmatt erinnert sich in den Stoffe-Manuskripten an eine infernalisch-heiße Hinreise, »bei Salin, wo der Nordhang des Jura steil abfällt, gerieten wir in die Tour de France, eine endlose Autoschlange, die Strasse gesperrt, und wurden zu einem Umweg über Besançon gezwungen, es war dreizehn Uhr, als wir ankamen, durstig tranken wir ›offenen‹ Champagner, erst einen halben Liter, dann noch einen halben, auf der Weiterfahrt hatten wir mit der Hitze und der Müdigkeit zu kämpfen, bei Sens tankten wir, der Garagist rauchte eine Zigarette, die Funken sprühten im Benzindampf, Auto um Auto kam uns durch die Hitze entgegen, dicht aneinandergedrängt, alle überfüllt, vollgepfercht mit fluchenden Fahrern, schweissüberströmten Frauen und schreienden Kindern [man hat fast den Eindruck, in Dürrenmatts Erinnerung spiele Jean-Luc Godards Film Weekend hinein, den er 1969BrookSLAFD91II