Daniel C. Matt: Der Urknall

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1. Auflage 2020

© der deutschen Ausgabe

Crotona Verlag GmbH & Co.KG

Kammer 11 • 83123 Amerang

www.crotona.de

Titel der Originalausgabe:

God & The Big Bang

Discovering Harmony Between Science & Spirituality

Original Edition published by Jewish Lights Publ., P.O.Box 237, Woodstock, VT. 05091, USA

© Daniel C. Matt 1996

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Annette Wagner

unter Verwendung von © ALEXEY FILATOV – shutterstock.com

ISBN 978-3-86191-199-9

INHALT

Danksagungen

Vorwort

Teil 1

Der Urknall

Eins

Am Anfang

Das Echo des Urknalls

Die Ursuppe umrühren

Vor dem Urknall

Mythos und Sinn in unserem Leben

Teil 2

Gott, Ich und Kosmos

Zwei

Einheit und Nichts

Die Macht der Namensgebung

Der Gott jenseits von Gott

Die „Rosinentheorie“ des Universums

Wider den Götzendienst

Drei

Der Persönliche Gott – und darüber hinaus

Die zehn Sefiroth: Der kosmische Lebensbaum

Die Rückkehr der Göttin

Instrumente der Meditation

Jenseits des persönlichen Gottes

Vier

Ich und Gott

Die Entstehung des Bewusstseins

Gott nach unserem Bilde formen

Fünf

Kosmisches Versteckspiel

Beim Urknall dabei

Stellen Sie sich vor, Sie seien Licht

Von der Demut zur Ehrfurcht

Wo Grenzen verschwinden

Der Bruch der Gefäße

Die Entdeckung der Symmetrie des Universums

Zeitreise zum Urknall

Der Sinn des Ganzen

Das Ende der Tage

Glossar

Anmerkungen

Für Michaella und Gavriel, unsere normalerweise engelhaften Kinder, die uns zeigen, wie man frei sein kann.

DANKSAGUNGEN

Ich möchte einer ganzen Reihe von Freunden und Kollegen danken, deren Hilfe und Rat in verschiedenen Stadien der Arbeit an diesem Buch unverzichtbar waren: David Biale, Arnold Eisen, Elaine Markson, Andrew Porter, Joel Primack, Robert J. Russell und Howard Simon. Anregung erhielt ich auch von meinen Studentinnen und Studenten an der Graduate Theological Union sowie in einem Seminar, das ich an der Stanford University gab.

Noch während des Schreibens erfuhr ich, dass Richard Elliott Friedman, Professor für Bibel-Forschung an der University of California in San Diego, im Rahmen seines Buches The Disappearance of God ebenfalls über das Thema Urknall und Kabbala schrieb. Wir trafen uns zum Gespräch, tauschten unsere Manuskripte aus und wurden Freunde. Ich schätze seine profunde Gelehrtheit, seinen Humor und seine Herzenswärme.

Arthur Magida, dem Cheflektor von Jewish Lights, gebührt mein besonderer Dank – und der der Leserinnen und Leser – für sein scharfes Auge und seine wohlwollenden Bemühungen, meinen Schreibstil klarer zu machen. Aus unserer engen und vertrauten Zusammenarbeit in den letzten Monaten habe ich sehr viel gelernt.

Dankbar bin ich auch Stuart Matlins, dem Verleger von Jewish Lights, für seine Begeisterung und seine Weitsicht.

Schließlich sage ich Ana Dank für ihre Liebe, Unterstützung und Inspiration.

VORWORT

Hat der Urknall, der als der wissenschaftliche Schöpfungsmythos unserer Kultur dient, irgendetwas mit Gott zu tun? Kann er gar eine Bereicherung für unser Leben sein?

Physiker und Theologen behaupten oft, Religion und Wissenschaft seien zwei verschiedene Welten, jede habe auf ihrem Gebiet ihre Berechtigung und operiere nach eigenen Regeln. Die Wissenschaft verfolgt den Zweck, die Natur zu erforschen, während die Religion das Ziel hat, Spiritualität und Ethik zu fördern. Doch die Frage „Wie ist die Welt entstanden?“ ist für beide Disziplinen entscheidend, weil sie nämlich eine Grundfrage des Menschen ist, eine Frage, die der Mensch sich schon stellt, seit sich sein Bewusstsein so weit entwickelt hat, dass es über sich selbst und die Welt nachdenken kann.

Dieses Buch beginnt mit einem Schöpfungsbericht nach der Urknall-Theorie. Kosmologen betrachten den Urknall mit überwältigender Mehrheit als die vernünftigste Erklärung für die Entwicklung des Universums, als „die beste Annäherung an die Wahrheit, über die wir im Moment verfügen“.1

Doch die Bezeichnung der Theorie – „Urknall“ – spiegelt nicht das Erstaunliche und Ehrfurchtgebietende am Ursprung des Kosmos. Mehr noch, sie ist irreführend, impliziert sie doch, dass Materie und Energie inmitten des leeren Raums explodiert sind wie ein riesiger Feuerwerkskörper oder eine unermessliche Atombombe. Doch gemäß dieser Theorie hat auch der Raum als solcher Teil an der Ausdehnung des Universums, und die Materie wird vom sich ausdehnenden Raum einfach mitgezogen. Damit bricht die Bomben-Analogie in sich zusammen. Es gab auch keine Schallwellen2, durch die der „Knall“ hörbar gewesen wäre; die Ausdehnung verlief sanft und setzt sich bis heute fort.

Der Begriff „Urknall“ oder vielmehr dessen englischer Ursprung „Big Bang“ wurde von einem erbitterten Gegner der Theorie geprägt, nämlich von dem englischen Astronomen und Physiker Fred Hoyle. 1950 hielt Hoyle für die BBC eine samstagabendliche Vortragsreihe „Über die Natur des Universums“. Die Auffassung, das Universum habe einen Anfang, lehnte er ab und vertrat stattdessen eine andere Theorie3, der zufolge das Universum ewig ist. In seinem abschließenden Vortrag suchte Hoyle ein griffiges Bild für die Theorie, gegen die er sich wandte, und sprach von „dieser Urknall-Idee“.4 Nach und nach setzte sich diese Bezeichnung durch, allerdings ohne den von Hoyle wohl beabsichtigten abwertenden Unterton. Der Ursprung des Kosmos ist von solcher Erhabenheit5 und hinterlässt in unserer Vorstellung einen solch tiefen Eindruck, dass er auch dem Begriff „Urknall“ im Nachhinein ein gewisses Maß an Erhabenheit verliehen hat.

Dennoch sehnten sich manche Wissenschaftler und Wissenschafts-Autoren nach einer anderen, sinnträchtigeren Bezeichnung; daher rief die bekannte astronomische Fachzeitschrift Sky and Telescope 1993 einen Wettbewerb zur Namensfindung ins Leben. Doch nicht einer der dreizehntausend eingereichten Vorschläge beeindruckte die Jury so sehr, dass sie Hoyles Begriff dadurch hätte ersetzen wollen.

Von ihrer Bezeichnung einmal abgesehen, wie sehr berührt – oder hinterfragt – diese moderne Schöpfungsgeschichte unsere Vorstellung von Gott? Kann sie dazu beitragen, dass wir eine spirituelle Dimension im Leben entdecken und das Staunen wieder lernen? Mit diesen Fragen ringt das vorliegende Buch. Beim Finden und Formulieren von Antworten stütze ich mich auf die Erkenntnisse klassischer jüdischer Weisheit, insbesondere auf die mystischen Überlieferungen der Kabbala und des Chassidismus, aber auch auf moderne Physik und Kosmologie. Ich zeige etliche faszinierende Parallelen auf, aber es liegt nicht in meiner Absicht, zu beweisen, dass die Kabbalisten im 13. Jahrhundert bereits wussten, was Kosmologen heute erst entdecken. Durch die Gegenüberstellung dieser beiden unterschiedlichen Ansätze – des wissenschaftlichen und des spirituellen – experimentiere ich vielmehr damit, den einen im Licht des anderen zu betrachten. Ich versuche nicht, eine Synthese herzustellen, denn diese jeweils einzigartigen Sichtweisen sollte man nicht zusammenfallen lassen. Dieses Buch will vielmehr die beiden in Dialog miteinander bringen.

Man sagt, die Wissenschaft entzaubere die Natur. Doch deren Eleganz und Harmonie erfüllt Spitzenwissenschaftler mit Ehrfurcht. Gerade dadurch, dass die Wissenschaft die Geheimnisse des Universums aufdeckt und den kosmischen Code entziffert, bringt sie uns zum Staunen.

Warum ist der Himmel blau? Von allen Wellenlängen im Spektrum des Sonnenlichts schwingt Blau mit der höchsten Frequenz und wird daher von den Luftmolekülen in der Erdatmosphäre am stärksten gestreut. Dadurch wirkt der Himmel blau. Mich versetzt dies in tieferes Staunen als der uralte mesopotamische und biblische Glaube, wonach der Himmel blau ist, weil sich dort oben sehr viel Wasser befindet. Was uns die Wissenschaft über die Entwicklung unseres Universums und unserer selbst zeigt, ist für mich ebenso ehrfurchtgebietend wie die Genesis oder die Kabbala.

Sowohl die Spiritualität als auch die Mystik werden oft als nicht von dieser Welt verworfen. Mich fasziniert an ihnen aber nicht irgendein Geheimnis, wie man in eine andere Welt gelangen kann, sondern vielmehr das Geheimnis, in unserer Welt anders zu leben6 – im Licht der Erkenntnis zu leben, dass wir an der Einheit teilhaben.

Gott als die Einheit ist ein wiederkehrendes Thema in diesem Buch. Teil Zwei „Gott, Ich und Kosmos“ lotet die Spannung zwischen diesem Gottesverständnis und dem klassischen persönlichen Gott aus. Ich spreche über die Verbindung zwischen der Vorstellung von einem persönlichen Gott und der Idee von einem Ich. Gemäß der Kabbala existiert die Welt nur deshalb, weil der unendliche Gott sich aus einem einzigen Punkt seiner Unendlichkeit zurückgezogen und damit dem endlichen Sein Raum gegeben hat.7 Nur deshalb haben wir auch ein individuelles Bewusstsein. Wir existieren in dem Maße, wie wir durch einen Prozess, den Kabbalisten als den „Bruch der Gefäße“ bezeichnen, die Einheit verloren haben. Ähnlich spricht auch die moderne Physik von der „gebrochenen Symmetrie“, durch die das ursprünglich einheitliche Dasein in die Vielfalt der Galaxien, Sterne, Planeten und Lebensformen zersplittert ist. Physiker suchen nach der verborgenen Symmetrie im Gewirr der alltäglichen Realität. Sie träumen davon, Gleichungen zu entdecken, welche die augenscheinlich unterschiedlichen Naturkräfte miteinander verbinden. Auch die spirituelle Suche forscht auf ihre Weise nach dem Weg aus der Vielheit in die Einheit.

Das Buch schließt mit Überlegungen zu einem möglichen Ende unseres Universums und mit einigen Gedanken über die nähere Zukunft.

Wo ist unser Platz im großen kosmischen Plan? Die Erde, unser kostbarer kleiner viereinhalb Milliarden Jahre alter Gesteinsball, umkreist die Sonne einmal jährlich. Unser ganzes Sonnensystem rotiert einmal in zweihundertfünfzig Millionen Jahren um das Zentrum der Milchstraße. Unsere Sonne ist ein unscheinbarer Stern, einer von hundert Milliarden in unserer Spiralgalaxie. Unsere Galaxie ist eine von vielleicht hundert Milliarden im beobachtbaren Universum. Andromeda, unser nächster Nachbar, ist zwei Millionen Lichtjahre weit weg. Wir beide – Andromeda und die Michstraße – gehören zur Lokalen Gruppe8, einem Galaxienhaufen am Rande des Virgo-Superhaufens, einer großen Ansammlung von Galaxien. Dahinter liegen so viele Galaxienhaufen und Superhaufen, dass allein ihre Katalogisierung mehrere Bände einnimmt. Allem Anschein nach sind sie alle in riesigen Feldern angeordnet, die den Zellen eines Schwammes ähneln.

Wir sind verschwindend klein, doch Teil von etwas Großem. In diesem Wissen streben wir nach Erkenntnis des Ganzen. Spiritualität und Wissenschaft sind zwei Verständnishilfen bei dieser Suche. Die Frage nach unserem Ursprung gehen sie mit unterschiedlichen Ansätzen an, die nicht miteinander verwechselt werden sollten; jeder Ansatz ist in seinem Bereich berechtigt. Ihre Erkenntnisse jedoch klingen hin und wieder aneinander an. Diesen Resonanzen nachzuspüren, vertieft unsere Erkenntnis, die dann von Geist und Herz genährt ist.

Teil 1

Der Urknall

EINS

AM ANFANG

Im Anfang war der Urknall – vor Milliarden Jahren. Im Ur-Vakuum gab es keine Materie, aber es war auch nicht völlig leer. Es befand sich vielmehr in einem Zustand minimaler Energie voller Potenzial, in dem es vor virtuellen Teilchen nur so wimmelte.9 Durch eine Quantenfluktuation, eine Art Blase, ging aus diesem Vakuum ein heißer, dichter Same hervor. Er war kleiner als ein Proton und enthielt doch die gesamte Masse und Energie unseres Universums. In nicht einmal einer Billionstelsekunde kühlte dieser Same ab und dehnte sich unbändig aus. Schneller als mit Lichtgeschwindigkeit blies er sich zur Größe einer Grapefruit auf.

Während dieses „Aufblasens“ – man spricht von Inflation – konnte sich die potenzielle Masse und Energie noch nicht als Teilchen manifestieren. Der Raum dehnte sich zu schnell aus, als dass aus dem Vakuum hätten Teilchen erstarren können. Als die Ausdehnung sich jedoch verlangsamte, fällte die im Vakuum latent vorhandene Energie als Teilchen und Antiteilchen aus. Diese hoben sich gegenseitig auf; nur jedes Milliardste Teilchen überlebte und wurde zum Baustein der Materie. Die gegenseitige Aufhebung setzte eine Flut von Energie frei, woraus die Strahlung des Urknalls entstand. Immer weiter dehnte sich die Kugel des Universums aus – und hat bis heute nicht aufgehört.

In seinen ersten Sekunden war unser Universum eine undifferenzierte Suppe aus Materie und Strahlung.10 Es dauerte ein paar Minuten, bis sich alles so weit abgekühlt hatte, dass Protonen und Neutronen die einfachen Atomkerne von schwerem Wasserstoff und Helium bilden konnten. Doch es war immer noch bei weitem zu heiß für die Bildung stabiler Atome. Innerhalb weniger Stunden wurde die Produktion von Atomkernen wieder eingestellt.

In den darauffolgenden dreihunderttausend Jahren11 ähnelte das Universum in gewisser Weise dem Inneren eines Sterns voller Photonen – strahlenden Energieteilchen. In diesem frühen Zeitalter nahmen die Photonen die Gestalt von Gammastrahlen an, einem Teilbereich des elektromagnetischen Spektrums, der für das menschliche Auge nicht sichtbar ist. Die Strahlung war so turbulent und energiereich, dass die Elektronen sich nicht zu Kernen zusammenfinden und keine vollständigen Atome bilden konnten. Kaum hatte sich ein Atom zu bilden begonnen, wurde es von der Strahlung auch schon wieder auseinandergerissen. Wildgewordene Photonen kollidierten mit freien Elektronen und legten nur eine verschwindend geringe Strecke zurück, bis sie in der nächsten Kollision aufgingen oder zerschmettert wurden. Da kein Photon entkommen konnte, war die Mischung aus Strahlung und Teilchen im Grunde milchig trübe wie ein dicker, undurchdringlicher Nebel.

Mit fortschreitender Ausdehnung des Universums sanken nach und nach seine Temperatur und sein Energieniveau. Als die Temperatur nach dreihunderttausend Jahren Abkühlung dreitausend Grad Kelvin12 erreicht hatte, trat ein Wandel ein. Da die Photonen nun Energie in kritischer Menge verloren hatten, konnten sie Elektronen nicht mehr aus ihrer Umlaufbahn um Atomkerne reißen. Ohne die ständige Belästigung durch die Photonen konnten die Elektronen sich nun zum ersten Mal auf eine feste Umlaufbahn um die Atomkerne einschwingen sowie stabile Wasserstoff- und Helium-Atome bilden, die Milliarden Jahre später zu Galaxien und Sternen anwachsen sollten. Es war auch für die Photonen eine Befreiung, dass mittlerweile keine ungebundenen Elektronen mehr zur Verfügung standen; denn nun konnten sie große Entfernungen zurücklegen, ohne mit einem Elektron zu kollidieren und dabei absorbiert oder gestreut zu werden. Die Photonen lösten sich von den Bausteinen der Materie. Da sie mit niedrigerer Frequenz schwangen, wurden sie sichtbar und flogen in alle Richtungen durch den Raum. Materie und Strahlung waren entkoppelt, und das Universum wurde durchsichtig. Das ist der Moment des „Es werde Licht!“13, Yehi or.

DAS ECHO DES URKNALLS

Seither, seit vierzehn Milliarden Jahren, ist der Raum von Strahlung durchdrungen. Mit der weiteren Ausdehnung und Abkühlung des Universums sank auch die Frequenz der Strahlung bis unterhalb des sichtbaren und des Infrarot-Spektrums in den Mikrowellenbereich ab. Diese kosmische Hintergrundstrahlung ist die Resthitze des Urknalls – sein fernes, aber anhaltendes Echo.

In den 1940er Jahren entwickelte der Physiker George Gamow die Theorie, dieses Echo zirkuliere im Universum immer noch. Eines Tages würden Wissenschaftler es entdecken, so seine Prognose. Dieser Tag kam 1965, als in New Jersey zufällig die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung entdeckt wurde.

Bei den Bell Telephone Laboratories in Holmdel, im US-Bundesstaat New Jersey, suchten die beiden Radioastronomen Arno Penzias und Robert Wilson den Himmel mit einer neuen hornförmigen Reflektor-Antenne mit über sechs Metern Durchmesser ab. Immer wenn sie die Antenne drehten, empfingen sie ein mysteriöses Hintergrund-Zischen. Zunächst schrieben sie es elektrostatischen Störungen zu, die durch Verschmutzungen – vielleicht die versammelten Hinterlassenschaften der Vögel – in der Horn-Antenne ausgelöst wurden. Sie nahmen die Antenne auseinander und reinigten sie, aber das Rauschen hielt an. Währenddessen entwickelten Wissenschaftler keine vierzig Kilometer weiter westlich in Princeton neue Theorien über kosmische Überreste des Urknalls. Penzias erfuhr von der Arbeit in Princeton. Beide Teams trafen sich und erkannten, dass die verwirrende Hintergrundstrahlung das Echo des Urknalls war. Ihre Temperatur lag dicht bei dem Wert, den Gamow vor zwanzig Jahren prognostiziert hatte – etwa drei Grad über dem absoluten Nullpunkt.

Die kosmische Hintergrundstrahlung bietet uns ein Bild des Universums dreihunderttausend Jahre nach dem Urknall, als Strahlung zum letzten Mal mit Materie in Wechselwirkung trat. 1989 wurde der COBE-Satellit (Cosmic Background Explorer) zur mikroskopisch genauen Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung in die Erdumlaufbahn geschossen. Drei Jahre später gab das COBE-Team bekannt, es seien leichte Abweichungen in der Temperatur der Strahlung entdeckt worden – Wellen im Gewebe der Raumzeit.14 Diese Abweichungen zeigen, dass die Materie nicht gleichmäßig verteilt war, dass Wasserstoff und Helium zusammengezogen worden waren und sich so bereits eine Struktur gebildet hatte, die sich schließlich zu Galaxien und Sternen entwickeln sollte. Die großräumigen Strukturen im heutigen Universum – die Haufen aus Tausenden von Galaxien – erhellen diese uralten Wellen, „wie Glitzer, der auf unsichtbare Klebstoff-Linien gestreut wird“.

Äonenlang dehnten sich Gaswolken aus. In den Bereichen unseres Universums, die geringfügig dichter waren als der Durchschnitt, tat die Schwerkraft ihre Wirkung und bremste 15