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1. Taschenbuchausgabe 2019

© 2019 der Taschenbuchausgabe by mvg Verlag
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Redaktion: Andreas Ehrlich, Dießen
Umschlaggestaltung: Manuela Amode, München
Umschlagabbildung: Julia Grudda
Satz: JournalMedia GmbH, Poing
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany

ISBN 978-3-7474-0071-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-402-0
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-403-7
ISBN E-Book (enhanced) 978-3-96121-417-4

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

falls Sie in diesem Buch jemals den Satz finden »Sie müssen dies oder jenes so machen!«, dann dürfen Sie mir sofort einen bösen Leserbrief schreiben. Denn gerade das Thema Rhetorik sorgt bei vielen für heftiges Kopfschütteln und Augenverdrehen, weil es eine Menge Trainer gibt, die mit diesem Satz häufig um sich werfen. Fakt aber ist: Sie müssen gar nichts! Sie haben dieses Buch gekauft, weil Sie hinsichtlich Ihrer rhetorischen Fähigkeiten (vermutlich) nicht zufrieden sind, weil es Sie ärgert, dass Sie manchmal nicht zu Wort kommen oder von einem Schaumschläger an die Wand geredet werden – und ich werde Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, das zu ändern. Dabei handelt es sich aber stets um Vorschläge und nicht um Vorschriften. Welche dieser Vorschläge und Tipps Sie letztlich annehmen und umsetzen, entscheiden Sie ganz allein. Also, lesen Sie sich in Ruhe alles durch, probieren Sie es aus, und entscheiden Sie dann, was davon für Sie persönlich gut funktioniert, was zu Ihnen passt und – ganz wichtig – womit Sie sich wohlfühlen.

Natürlich hoffe ich, dass das möglichst viel sein wird, aber Sie brauchen überhaupt kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Sie an der einen oder anderen Stelle sagen: »Das ist nichts für mich!« Denn in meinen Augen gibt es keinen schlechteren Redner als denjenigen, dem man anmerkt, dass er diverse Rhetorikseminare besucht und die Regeln einfach auswendig gelernt hat. Wenn ich nur noch einen Roboter am Rednerpult sehe und höre, der mich mit einstudierten Gesten und Effekten langweilt, dann verlasse ich häufig schnell wieder den Saal. Ich muss mich ja dann fragen, wie individuell seine Inhalte sein können, wenn er schon bei der Körpersprache auf das sprichwörtliche Schema F zurückgreift. Da ist mir ein Redner, der keine Ahnung von Rhetorik hat und »nach Gefühl« redet, hundertmal lieber. Übrigens: Versuchen Sie nicht, perfekt zu werden, denn eine perfekte Rede ist langweilig! Selbst erfolgreiche Moderatoren pflegen ihre kleinen Macken. Wenn ich früher meine Moderationen ausgearbeitet habe, habe ich bewusst auch mal ein »Äh« mit hineingeschrieben (siehe hier). Ich habe mir zudem ein Zeichen an der Stelle, gemacht, wo ich mich dann später versprechen oder wo ich nachdenken werde. Ich wollte, dass die Radiohörer mich als die nette Frau von nebenan betrachten und nicht als einen Star oder eine perfekt sprechende Barbiepuppe. Von denen lässt man sich nämlich nicht so gern die Wetterprognose erzählen – aber umso lieber von jemandem, der so wirkt, als sei er »einer von uns«.

An dieser Stelle kommt häufig der Einwand: »Aber ich muss mich doch perfekt vorbereiten ...« Dagegen sage ich nichts. Bereiten Sie wichtige Termine so gut wie möglich vor. Doch sobald Sie im Gespräch sind beziehungsweise Ihre Präsentation halten, konzentrieren Sie sich nur auf sich. Jeder Mensch hat Ecken und Kanten, und jeder ist anders. Deshalb will dieses Buch Ihnen auch nicht helfen, perfekt zu werden, sondern auf eine authentische Art zu überzeugen. Daher an dieser Stelle nochmals: Bitte nehmen Sie nur die Tipps und Anregungen an, bei denen Sie ein gutes Gefühl haben und von denen Sie glauben, dass sie zu Ihnen und Ihrer Persönlichkeit passen.

Im Mittelpunkt stehen in den folgenden Kapiteln die Grundlagen der Kommunikation. Doch keine Sorge: Auch wenn Sie schon »Rhetorikerfahrung« gesammelt haben, werden Sie hier trotzdem viel Neues finden. Denn in so manchem Seminar wird, bildlich gesprochen, ein wunderschönes Haus errichtet, dem jedoch das Fundament fehlt. Deshalb fangen wir ganz simpel mit den Grundlagen an, bauen also erst einmal den Keller und ein schönes Erdgeschoss. Wenn Sie sich danach noch für weitere Aspekte der Rhetorik interessieren, dann können Sie diese ohne Probleme »anbauen« (entsprechende Literaturempfehlungen finden Sie am Ende des Buches). Selbst ein Wolkenkratzer kann von einer guten Basis locker gehalten werden – Ihrem Wissensdurst sind also keine Grenzen gesetzt. Fühlen Sie sich aber schon mit diesen Grundlagen wohl, dann bleiben Sie einfach im Erdgeschoss wohnen. Nun noch kurz ein paar Worte zum Aufbau des Buches: In der Einleitung werde ich Ihnen ein paar Funktionsweisen unseres Gehirns erklären, auf die ich mich im gesamten Buch immer wieder beziehen werden. Daher ist dieser Abschnitt sehr wichtig, auch wenn Sie vielleicht im ersten Moment das Gefühl haben, dass das eigentlich nichts mit dem Thema »Reden« zu tun hat. Danach folgen die einzelnen Aspekte, auf die Sie in Ihrem Kommunikationsalltag achten können. Dabei gilt: Selbst wenn Sie all das interessant finden und die Tipps sofort in die Tat umsetzen möchten, sollten Sie nicht alles auf einmal angehen. Das hätte einen ähnlichen Effekt wie die guten Vorsätze zu Silvester: Die Euphorie wird schnell verschwinden, und irgendwann verlieren Sie komplett die Lust. Wenn Sie also beim Lesen merken, dass Sie an einem bestimmten Aspekt unbedingt arbeiten möchten, dann hören Sie einfach auf zu lesen – und zwar so lange, bis Sie diesen Punkt zu Ihrer Zufriedenheit umgesetzt haben. Erst dann sollten Sie wieder zum Buch greifen und sich dem nächsten Kapitel widmen. 

Sollten Fragen offenbleiben oder Sie Anregungen haben, können Sie mir jederzeit gern einen Brief oder eine E-Mail schicken. Ich freue mich auf Ihre Post und sage schon jetzt: herzlichen Dank. Und nun viel Spaß beim Lesen und Hören!

Ihre
Isabel García

Folgende Audioinhalten finden sie im Buch:

Kommunikationsfalle Satzmelodie

Track 1: Urlaubsbericht

Track 2: Wochenendschilderung

Track 3: Langsam vs. schnell sprechen

Track 4: Möglichkeiten der Betonung


Die Kunst der Pausen

Track 5: Radiomoderator

Track 6: Der perfekte Sonntag ohne Pausen

Track 7: Der perfekte Sonntag mit Pausen


So atmen Sie richtig

Track 8: Einatmen vor einer Aufgabe

Track 9: Lampenfieber durch Einatmen

Track 10: Körperspannung beeinflusst Stimme

Track 11: Emotionen beim Reden

Track 12: Emotionen beim Singen

Track 13: Redner verteilt Küsschen


Welcher Kommunikationstyp sind Sie?

Track 14: Feuer

Track 15: Erde

Track 16: Luft

Track 17: Wasser



Denkhirn versus Neandertalerhirn

Stark vereinfacht, besteht unser Gehirn aus zwei Bereichen. Einer davon ist der moderne Teil, den ich das Denkhirn nenne. Dabei handelt es sich um eine gigantische, unglaublich leistungsfähige Datenbank, in der alles abgespeichert ist, was Sie jemals gelernt haben – und auch sämtliche Beziehungen, die Sie jemals geführt haben, sind dort mitsamt den dazugehörigen Emotionen verzeichnet. Diese Datenbank ist zuständig für das »Produzieren« und Verstehen von Sprache, das Analysieren von Situationen, das Schmieden von Plänen und, und, und ... Kurz: Das Denkhirn ist, wiederum stark vereinfacht ausgedrückt, der Sitz dessen, was wir gemeinhin als Intelligenz bezeichnen.

Doch leider läuft diese absolut geniale Datenbank auf einem sehr, sehr alten Rechner. Können Sie sich noch an die Computer von vor 15 Jahren erinnern? Wenn ja, dann wissen Sie aus leidvoller Erfahrung bestimmt auch noch, was passiert ist, wenn man zu viele Programme gleichzeitig öffnen wollte. Richtig! Der Computer ist abgestürzt. Und genau das Gleiche passiert auch beim Denkhirn. Zu viele Informationen auf einmal bringen das Denkhirn zum Absturz, und Sie können nicht mehr auf Ihre Datenbank zugreifen.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie gehen in ein schönes Kaufhaus und möchten sich einen neuen Anzug kaufen. Sie wenden sich an einen Verkäufer, der Ihnen daraufhin gleich zehn schicke Modelle auf einmal zeigt. Ein grober Fehler, denn damit überfordert er Sie und vor allem Ihr Denkhirn! Die Folge: Ihr »Computer« gibt eine Fehlermeldung aus und fährt herunter. Ohne Ihre Datenbank aber können Sie keine Entscheidung mehr fällen, und so verlassen Sie das Kaufhaus unverrichteter Dinge wieder. Wenn der Verkäufer Glück hat, dann kommen Sie vielleicht am nächsten Tag noch einmal und geben ihm eine zweite Chance ... Ähnlich ergeht es uns, wenn wir uns einen neuen Telefonanbieter suchen möchten. Die Tarife sind so kompliziert und unterschiedlich dargestellt, dass wir häufig nach kurzer Zeit wieder aufgeben und bei unserem alten Tarif beziehungsweise Anbieter bleiben. Es sei denn, Sie machen sich die Mühe und vereinheitlichen die Informationen und stellen sie in einer Übersicht gegenüber. Sobald Sie nämlich die Fülle an Informationen in eine sachliche Ordnung gebracht haben, kommt Ihr Denkhirn problemlos mit der Datenmenge zurecht.Die Betonung liegt dabei auf »sachliche Ordnung«. Denn auch zu viele oder zu starke Emotionen bringen das Denkhirn zum Absturz. Wie häufig bereuen wir im Nachhinein Dinge, die wir während eines Streits gesagt haben? Wie häufig fallen uns die besten Argumente erst nach dem verbalen Angriff des Kollegen oder dem emotionsgeladenen Kundengespräch ein? Kein Wunder, denn sobald die Emotionen abflauen, können wir wieder auf unser Denkhirn zugreifen.

Mit anderen Worten: Zu viele Emotionen und zu viele Informationen sorgen dafür, dass unser Denkhirn »abstürzt«.

Aber was, werden Sie sich nun fragen, tritt an seine Stelle? Ganz einfach: das Neandertalerhirn. Ich nenne es so in Anlehnung an den Neandertaler-Effekt, den wir aus der Psychologie kennen (siehe auch Barbara Schott/Klaus Birker: »Kompetent verhandeln«). Das Neandertalerhirn ist sehr, sehr alt – es heißt auch Reptilienhirn – und dient nur einem Zweck: dem Überleben. Sobald es eine Situation als gefährlich einstuft, reagiert es im Bruchteil einer Sekunde: Herzschlag, Puls und Blutdruck erhöhen sich, um allen verfügbaren Sauerstoff schnellstmöglich in die Muskelbereiche zu transportieren, damit wir stärker und schneller werden. Gehör und Sehvermögen werden geschärft, während alle nicht überlebensnotwendigen Körperfunktionen wie beispielsweise die Verdauung oder das Immunsystem so weit wie möglich heruntergefahren werden, um keine Energiezu verschwenden. Auch das restliche Gehirn wird abgeschaltet, denn jetzt ist keine Zeit zu überlegen, ob der Schatten, den wir aus den Augenwinkeln wahrgenommen haben, wirklich eine Gefahr darstellt oder nicht. Jetzt gibt es nur noch drei Alternativen: Flucht, Totstellen oder Kampf. Das Totstellen wird allerdings oftmals »unterschlagen«, was vermutlich daran liegt, dass wir Menschen nicht so häufig darauf zurückgreifen wie die Tiere. Achten Sie einmal darauf, was passiert, wenn ein Hund auf einen aggressiven Rivalen trifft. Hat er die Möglichkeit zu fliehen, wird er das tun (Flucht), oder er wird verharren (Totstellen). Erst wenn diese beiden Optionen ausscheiden, wird er zum Kampf übergehen. Ein Hund an der Leine ist der ersten beiden Möglichkeiten von vornherein beraubt und wird daher immer kämpfen. Deshalb reagieren Hunde an der Leine aggressiver als frei laufende – aber das ist ein anderes Thema ...

Manchmal kann man das Verharren aber auch bei uns Menschen beobachten. Ich zum Beispiel habe eine extreme Spinnenphobie, und wenn ich eine große Spinne sehe, dann erstarre ich regelrecht. Ich bewege mich keinen Millimeter und rufe nach jemandem, der die Spinne dann (hoffentlich) aus dem Zimmer schafft.

tippTipp

Sie brauchen das Neandertalerhirn übrigens auch beim Sport. Denn wenn Sie an einem 100-Meter-Lauf teilnehmen, dann wollen Sie nicht denken, Sie wollen vor den anderen ins Ziel kommen – und das so schnell wie möglich. Beobachten Sie einmal Profi-Sprinter, zum Beispiel bei den Weltmeisterschaften: Die atmen bewusst ein paar Züge in die Brust, aktivieren damit das Neandertalerhirn und werden dadurch tatsächlich schneller. Ein Marathonläufer hingegen wird den Teufel tun und das Neandertalerhirn aktivieren. Er braucht sein Denkhirn, um die 42 Kilometer zu schaffen – und auch dabei spielt die Atmung eine entscheidende Rolle. Mehr dazu finden Sie ab Seite 55.

Flucht oder Angriff?

Bleiben wir also bei den beiden häufigsten Reaktionen: Flucht und Angriff – für unsere urzeitlichen Vorfahren, die in einer extrem feindlichen Umwelt lebten, sicher praktisch. Aber wann mussten Sie das letzte Mal um Ihr Leben kämpfen beziehungsweise rennen? (Ich hoffe, noch nie!) Und trotzdem reagiert unser Neandertalerhirn immer noch auf die gleiche Weise wie vor Tausenden von Jahren. Das ist einerseits natürlich gut, denn so stehen uns die beiden Verhaltensmuster im Notfall nach wie vor sofort zur Verfügung, andererseits blockiert es uns in vielen Situationen, in denen wir einen »klaren Kopf« dringend bräuchten. Wäre es da nicht schön zu wissen, wie Sie vom Neandertalerhirn zurück ins Denkhirn kommen, um wieder klar denken zu können, beziehungsweise wie Sie Ihren Gesprächspartner dorthin bekommen, damit er für Ihre Argumente wieder zugänglich wird? Denn solange das Neandertalerhirn beim anderen die Kontrolle hat, ist jedes Wort sinnlos.

Ein Beispiel: Oma Erna plündert ihren Sparstrumpf, um sich für die Hochzeit ihrer Enkelin etwas Schickes zum Anziehen zu kaufen. Sie geht in ein großes Kaufhaus, lässt sich ausführlich beraten und ersteht schließlich ein wunderschönes, sehr teures Kleid. Glücklich geht sie nach Hause und hängt erst einmal die Tüte mit dem Kleid an die Garderobe, weil sie zu erschöpft ist, um es gleich auszupacken. Am nächsten Morgen stellt sie fest, dass das Kleid leider etwas zerknittert ist. »Kein Problem«, denkt sie sich und fängt fröhlich an zu bügeln. Nebenbei läuft – wie immer morgens um kurz nach neun – ihre Lieblingsserie »Rote Rosen«. Sie schaut vergnügt zu, bis ... plötzlich ... der Held seine Herzensdame verlässt. »Das kann der doch nicht machen«, denkt sich Oma Erna. »Er kann sie doch nicht verlassen!« Doch dann erschrickt sie noch mehr, weil ihr klar wird, dass sie vor lauter Spannung mit dem Bügeleisen minutenlang auf einer Stelle geblieben ist. Das Ergebnis: ein ziemlich unschöner und vor allem offensichtlicher Brandfleck! Der Schock ist groß, denn nun braucht sie ein neues Kleid, hat aber keinen zweiten Sparstrumpf. Daher scheint ihr ein Umtausch die einzige Lösung. Also legt sie sich eine Geschichte zurecht, wie sie beim Auspacken die verbrannte Stelle entdeckt hat, die sicherlich schon vorher da gewesen sein muss ...

Was meinen Sie: Kann Oma Erna noch auf ihr Denkhirn zugreifen, wenn sie zurück ins Kaufhaus geht und der Verkäuferin ihre Lügengeschichte auftischt? Bei all den Gefühlen (Angst, Anspannung, Wut, Schuld ...), die sie gerade empfindet, sicher nicht. Sie befindet sich definitiv im Neandertalerhirn und hat nun die Wahl zwischen Flucht und Angriff. Und da Flucht in diesem Fall keine Option ist – sie braucht dringend ein neues Kleid –, geht sie zum Angriff über. Kein Wunder also, dass Reklamationsgespräche häufig so unerfreulich ablaufen. Umso wichtiger ist, dass die Verkäuferin Oma Erna wieder ins Denkhirn zurückführt, denn erst dann kann sie mit ihr das Problem ausdiskutieren. Denken Sie daran: Ihr Gesprächspartner ist in solchen Situationen – auch wenn er/sie dank eines teueren Anzugs/Kostüms vielleicht nicht so aussieht – nur Neandertaler, der von seinen Urinstinkten getrieben wird.

Wie redet man mit einem Neandertaler?

Ich könnte auch fragen: Wie redet man mit einem kleinen Kind, einem Hund oder einem Menschen, der kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht? Überlegen Sie einmal, wie ein Arzt in einer Notfallsituation redet. Einer meiner Seminarteilnehmer, der als Arzt in einem Kinderkrankenhaus arbeitet, berichtete mir davon: Wenn es um verletzte Kinder geht, sind die Emotionen bei allen Beteiligten besonders groß. Er und die Belegschaft in der Notaufnahme wissen, dass gleich ein Notfall kommt, aber sie wissen noch nicht, wie schwer das Kind verletzt ist. Damit die Schwestern und Pfleger »funktionieren« und alle professionell ihre Arbeit tun, achtet er bei seinen Anweisungen auf ein paar Punkte:

Damit zeigt er – dem Team und gegebenenfalls auch den besorgten Eltern – deutlich, dass er Herr der Lage ist und alles im Griff hat. Würde er schnell sprechen, seine Anweisungen in Bandwurmsätze packen und noch dazu hektisch atmen, wäre er fachlich gesehen natürlich trotzdem ein guter Arzt. Ob ihn die anderen allerdings auch als solchen wahrnehmen, ihm genauso vertrauen und folgen würden, ist jedoch fraglich.

An diesem Beispiel sehen Sie deutlich, dass es nicht so sehr darauf ankommt, was Sie sagen, sondern vielmehr wie Sie es sagen. Einer Geo-Studie zufolge beeinflusst das Was Ihr Gegenüber zu gerade einmal 7 Prozent, das Wie hingegen zu 93 Prozent.Wenn Sie so wie dieser Arzt mit einem Neandertaler reden, bekommen Sie die betreffende Person schnell wieder ins Denkhirn, in dem Inhalte und Argumente zählen. Natürlich wird die Art und Weise, wie Sie reden, auch im weiteren Gespräch eine wichtige Rolle spielen. Im Grunde führt uns die Frage, wie man mit einem Neandertaler redet, direkt zu den Grundregeln der Kommunikation und damit zu den häufigsten Fallen, in die viele von uns im Alltag regelmäßig tappen – und die wir im Folgenden etwas genauer betrachten wollen.

tippTipp

Sie wollen wissen, ob Ihr Gegenüber die Wahrheit sagt? Dann achten Sie auf die oben genannten Punkte! Denn jemand, der nichts zu verbergen hat, redet sich nicht sprichwörtlich um Kopf und Kragen, sondern bringt seine Aussagen ruhig auf den Punkt. Er hat eine tiefe, entspannte Stimme und macht Pausen (und kann diese auch aushalten). Natürlich ist das keine Garantie, aber dennoch ein guter Anhaltspunkt, denn deroder diejenige muss schon ein geübter »Profi-Lügner« sein, um sich derart gut unter Kontrolle zu haben.

Wenn Sie verstanden haben, wie Sie Ihr Gegenüber aus dem Neandertalerhirn herausholen können, dann wissen Sie auch, wie Sie es vermeiden können, selbst dort hineinzurutschen – und wenn es doch passiert, wie Sie wieder herauskommen.

Kommunikationsfalle Satzmelodie

Bei einer Aussage gehen wir am Ende mit der Stimme nach unten (»Das ist Peter«), während wir bei einer Frage am Satzende mit der Stimme nach oben gehen (»Ist das Peter?«).
Kommt Ihnen das bekannt vor? Mit Sicherheit, denn wir alle haben diese Regel in der Schule gelernt – zumindest theoretisch. In der Praxis sieht das allerdings anders aus: Die meisten Menschen gehen häufig mit der Stimme am Satzende nach oben, egal, ob dort ein Punkt beziehungsweise ein Ausrufezeichen oder ein Fragezeichen steht. Vor allem, wenn sie über etwas reden, das sie emotional berührt oder begeistert. Ein gutes Beispiel dafür sind Urlaubsberichte:

Wenn eine gute Freundin Ihnen von ihrem letzten Urlaub erzählt, bekommen Sie in der Regel zwar mit, dass sie begeistert beziehungsweise enttäuscht ist, aber vom konkreten Inhalt können Sie nicht viel erfassen. So einer Flut von Sätzen mit Fragezeichen können Sie einfach nicht folgen. Probieren Sie es einmal aus, und fragen Sie jemanden aus Ihrem Freundesoder Kollegenkreis, was er oder sie am letzten Wochenende gemacht hat. Sehr wahrscheinlich klingt das dann so ähnlich wie hier:

Das Mit-der-Stimme-oben-Bleiben

Es hat sich schon fast zu einer Art Volkskrankheit entwickelt. Der Grund dafür ist nicht zuletzt, dass unser Alltag immer hektischer wird und wir uns mittlerweile daran gewöhnt haben, alles so schnell wie möglich zu erledigen – auch das Reden. Und so überlegen wir bereits, während wir noch sprechen, was wir als Nächstes sagen wollen. Wir sind also gedanklich immer »auf dem Sprung«, und unsere Stimme springt fröhlich mit. Schade nur, dass das bei unserem Gegenüber so nicht ankommt. Er wertet das Mit-der-Stimme-oben-Bleiben nicht als Vorausdenken, sondern als Unsicherheit – was man ihm nicht verdenken kann. Denn wenn wir eine Aussage wie eine Frage betonen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie auch wie eine Frage wahrgenommen wird. (Was, glauben Sie, wird bei einem Kind eher den gewünschten Effekt erzielen: »Jetzt aber ab ins Bett?« oder »Jetzt aber ab ins Bett!«?) Wir stellen damit nicht nur unsere Aussage infrage, sondern unsere ganze Person. Wir wirken unsouverän und laufen so Gefahr, in die Schublade »inkompetent« einsortiert zu werden oder – noch schlimmer – in die der potenziellen Lügner (siehe →).

tippTipp

Falls Sie Hunde mögen, leihen Sie sich einfach mal den Hund Ihres besten Freundes oder den der Nachbarsfamilie. Denn ein fremder Hund reagiert nur dann auf »Sitz«,
»Platz« und diverse andere Kommandos, wenn sie auf Punkt gesprochen und nicht als Frage formuliert werden. Das ist auch der Grund, warum ich meinen Hund zum Seminarhund gemacht habe und ihn bei Trainings meistens dabeihabe. Es holt einen Abteilungsleiter schnell auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ein gut erzogener Hund selbst die simpelsten Anweisungen einfach ignoriert. Und das strahlende Lächeln bei Teilnehmern, deren (auf Punkt gesprochener) Befehl ausgeführt wurde, ist einfach großartig.

Bei unangenehmen Gesprächen – zum Beispiel einem Kritikoder Trennungsgespräch – ist diese Unsicherheit besonders fatal. Daher mein dringender Appell: Achten Sie in diesen Situationen nachdrücklich darauf, auf Punkt zu sprechen, also bei Ihren
Aussagen auch tatsächlich mit der Stimme nach unten zu gehen. Natürlich klingt das etwas härter, etwas weniger harmonisch, aber Sie richten wahre Dramen im Kopf und im Herzen des Betreffenden an, wenn Sie es nicht tun. Denn das Mit-derStimme-oben-Bleiben lässt viel Raum für Interpretationen (»Wie hat er das eigentlich gemeint?« »War das jetzt eine Abmahnung?« »Will sie sich wirklich von mir trennen, oder habe ich noch eine Chance?«) – und sorgt damit für schlaflose Nächte. Seien Sie also fair, und formulieren Sie Ihre Kritik etc. nicht nur inhaltlich klar, sondern auch in Bezug auf die Betonung.

tippTipp