Kühnel, Franziska Munich Lovers - Verbotene Früchte

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ISBN 978-3-492-98363-1

© Piper Fahrenheit, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2017

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: solominviktor / www.shutterstock.com und Rvector / www.shutterstock.com und Mariia Golovianko / www.shutterstock.com

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Diese Geschichte ist für alle, die es im Leben nicht leicht haben, und auch an jene, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Bedürftigen zu helfen. Ich bewundere euch und euren Einsatz. Ihr seid es, die beweisen, dass es immer Menschen geben wird, die einem die Hand reichen, wenn man es am nötigsten braucht.

PROLOG

Lisa

Helles Sonnenlicht flutet meine Augen. Wo zur Hölle bin ich? Vorsichtig, um das stete Pochen in meinem Kopf nicht zu verstärken, drehe ich mich auf die Seite und bin fast versucht, an die Decke zu springen. Wären da nicht diese unglaublichen Kopf- und Gliederschmerzen, hätte ich es sogar getan. Neben mir liegt Tom, laut schnarchend und so nackt, wie Gott ihn schuf. Fuck!, denke ich panisch. Warum schon wieder? Mein dröhnender Kopf gibt mir darauf leider keine Antwort. Stattdessen schickt er sehr unangenehme Informationen an meinen Bauch, der diese natürlich sehr ernst nimmt und prompt in die Tat umsetzt: Mein Magen krampft sich zusammen, und Magensäure schießt in meine Speiseröhre. Leise und nicht sehr galant krieche ich aus dem Bett und steuere blindlings in Richtung Toilette. Tom scheint einen ausgezeichneten Schlaf zu haben, denn er bekommt rein gar nichts mit. Weder das alles andere als leise Schließen der Tür noch mein wenig erotisches Würgen, als mir alles hochkommt, die Tränen in die Augen steigen und ich sehr schnell zusehen muss, dass ich die Kloschüssel treffe.

Stöhnend sinke ich gegen den Badewannenrand und versuche, meine Fassung wieder zu erlangen. Aber keine Chance. Anscheinend hat auch die sich von mir getrennt. Zitternd stehe ich auf und werfe einen Blick in den Spiegel. Gott, hätte ich das doch bloß gelassen!, stöhne ich innerlich auf. Ich sehe aus wie eine Alkoholleiche. Mein Haar steht in alle Richtungen ab, die Augen sind rot und verquollen, die Haut kreidebleich und das Make-up verschmiert. Und dann wäre da noch die Tatsache, dass ich nur einen BH und ein Höschen trage. Wenn ich nicht beim Erbrechen schon so viele Tränen vergossen hätte, würde ich jetzt heulen. Aber das bringt mich auch nicht weiter, also schlucke ich das Gefühl herunter und wende den Blick von meinem Spiegelbild ab. Stattdessen schnappe ich mir einen Waschlappen und rubble mir den gestrigen Abend aus dem Gesicht. Das Prickeln auf der Haut lenkt mich vorübergehend ab und ich seufze erleichtert auf. Und dann kommen alle – und zwar wirklich alle – Erinnerungen an den gestrigen Abend wieder hoch. Nora und Lucas haben Tom und mich in eine Bar eingeladen, um zu verkünden, dass sie heiraten werden. Was mich wiederum so dermaßen schockiert hat, dass ich mir einen Tequila nach dem anderen hinter die Binde gekippt habe. Ich kann mir noch nicht mal wirklich erklären, warum es mich so aus der Bahn geworfen hat. Nora und Lucas sind jetzt schon eine ganze Weile glücklich zusammen und einfach perfekt füreinander. Jedermann hätte damit gerechnet, dass Lucas ihr bald den Ring an den Finger stecken wird, so vernarrt, wie er in sie ist. Jeder – abgesehen von mir, wie es aussieht. Und anscheinend habe ich infolgedessen nicht nur zu jeder Menge Alkohol gegriffen, sondern mich auch von meinen Sexualhormonen leiten lassen. Eine Kombination, die noch nie gut für mich war. Vor allem, wenn Kerle wie Tom griffbereit sind: waschechte Machos mit aufgeblasenem Ego! Ich hatte mir geschworen, nie wieder etwas mit Lucas’ bestem Freund anzufangen. Aber diesen Schwur habe ich eindeutig gebrochen. Und jetzt muss ich schleunigst hier verschwinden.

 

Abermals reibe ich mir mit dem kühlen Lappen über das Gesicht, binde mir mit einem der Haargummis von meinem Handgelenk die Haare hoch und begebe mich auf die Suche nach meinen Klamotten. Glücklicherweise finde ich meine Jeans-Shorts sofort auf Toms Sofa. Mein Shirt allerdings ist nicht in Sichtweite. Dafür aber Toms T-Shirt. Kurzerhand ziehe ich es an. Vielleicht fällt es ihm gar nicht auf. Und falls doch, gebe ich es ihm irgendwann, wenn die Umstände vielleicht nicht mehr ganz so unangenehm sind, wieder. Schuhe und Tasche liegen – dem Himmel sei Dank! – im Flur auf dem Boden, sodass ich direkt verschwinden kann.

Auf Zehenspitzen schleiche ich zur Tür, öffne sie einen kleinen Spalt breit und zwänge ich hindurch. Ganz langsam und sachte ziehe ich die Tür wieder zu und atme erleichtert auf, als das Schloss mucksmäuschenstill einrastet.

»Muss ja ein ziemlich mieser One-Night-Stand gewesen sein, wenn du es so eilig hast, dass du noch nicht mal Schuhe und stattdessen das T-Shirt eines Kerls trägst.« Erschrocken fahre ich zusammen. Ich wage es nicht, mich umzudrehen, und schließe die Augen in der Hoffnung, mich mit der Methode einfach in Luft aufzulösen.

Da diese Taktik logischerweise nicht funktioniert, gebe ich mich, als meine Reaktion peinlich zu werden droht, geschlagen und bewege meinen geschundenen Körper 180 Grad nach links … und wünsche mir im nächsten Augenblick, ich hätte es gelassen.

Am Treppengeländer lehnt ein wirklich attraktiver Typ, die Arme vor der Brust verschränkt, eine Augenbraue nach oben gezogen und die Lippen zu dem anzüglichsten Grinsen aller Zeiten verzogen. Verdammt!

»Ich wüsste nicht, was dich das angeht«, krächze ich, zugegebenermaßen wenig beeindruckend. Aber zu meiner Verteidigung: Der Typ ist echt heiß, ich bin mächtig verkatert und außerdem komplett überrumpelt. Ist doch klar, dass meine Stimme dann nicht gerade fest und überzeugend klingt, oder? Er lacht auf und entblößt eine fast schon unanständig weiße, gerade Zahnreihe, die ihn sogar noch eine Spur anziehender macht. Andere Zeit, anderer Ort und vor allem weniger verkatert – und alles wäre wunderbar. Ich würde mich auf Mr. Sexy einlassen und flirten. Aber so ganz bestimmt nicht. Ich will einfach nur endlich weg hier! Also zwinge ich meine Lippen lediglich zu einem Lächeln und befehle meinen Beinen, einen Schritt nach dem anderen zu gehen.

»Ich bin übrigens Jonas!« Seufzend bleibe ich stehen. Muss das jetzt wirklich sein?

»Danke für die Info. War nett, dich kennengelernt zu haben«, entgegne ich barsch.

»Gern geschehen. Verrätst du mir auch deinen Namen?«, raunt er und beugt sich über das Geländer, sodass er nur noch eine Armeslänge von mir entfernt ist.

»Wozu? Willst du mich stalken? Vergiss es. Bei mir gibt es nichts zu holen.«

»Oh, ich sehe da eine ganze Menge«, stellt er fest, wackelt mit den Augenbrauen und kommt zu allem Überfluss noch auf mich zu. Na, das hat mir gerade noch gefehlt.

»Tja. Es gibt Wünsche, die nie in Erfüllung gehen«, seufze ich gespielt resigniert.

»Wir werden sehen«, entgegnet er frech grinsend und beugt sich sehr nah zu mir herunter. Ich weiche ein Stück zurück, was ich augenblicklich bereue. Mein Fuß hat nämlich das Ende der Stufe erreicht und findet auch irgendwie den Anfang der nächsten nicht. Ich gerate also ins Straucheln und sehe schon meinem Tod ins Auge, als mich plötzlich eine kräftige Hand am Arm packt und wieder in die Senkrechte manövriert. Mein Kopf prallt dabei etwas unsanft gegen eine ausgesprochen wohlgeformte Brust. Ich ringe angestrengt nach Luft und atme dabei den unglaublichen Duft meines Retters ein. Frisch und maskulin. Erst als ein Rumpeln durch die besagte Brust geht, hebe ich, erschrocken über mich selbst, den Kopf und blicke in ein Paar braun-grüne funkelnde Augen. Sie sind umrahmt von dunklen Wimpern und ziemlich niedlichen Lachfältchen. Man könnte darin versinken … wenn man wollte. Aber da ich gerade einen absolut katastrophalen Morgen erlebe und außerdem nach Erbrochenem und vermutlich auch nach Alkohol stinke, will ich ganz sicher nicht darin versinken. Meine Vernunft scheint zum Glück noch zu funktionieren. Ich stoße mich von dem Typen, diesmal etwas vorsichtiger, ab und entreiße ihm meinen Arm, um ihn mit dem anderen schützend vor meiner Brust zu verschränken.

»Ähm, danke«, stammle ich, vermeide es aber, ihm nochmals ins Gesicht zu gucken.

»Gern geschehen. Man hilft doch gerne einer Lady in Not.« Schnaubend betrachte ich meine rosa lackierten Fußnägel.

»Also ich muss dann gehen. Wie schon gesagt. War nett, dich getroffen zu haben, Jonas.«

»Gleichfalls. Nur hast du mir immer noch nicht deinen Namen verraten.« Ein letztes Mal hebe ich doch meinen Blick und schenke ihm ein kleines Lächeln.

»Denk dir doch einen aus.« Und damit lasse ich ihn stehen und laufe die restlichen Stufen – zum Glück ohne weiteren Fauxpas – nach unten.

»Okay. Coco«, ruft er lachend. Was mir erstaunlicherweise ein dümmliches Grinsen ins Gesicht treibt. Ich korrigiere ihn nicht, winke ihm aber kurz zu und stelle mich anschließend der Sonne, dem Verkehrslärm und dem ganzen anderen Kram, der fatal für meinen alkoholgebeutelten Körper ist.

1

Lisa

2 Monate später…

»Danke, dass du mitgekommen bist«, flüstert Nora erleichtert. »Ich mag Tom, aber einen Abend nur unter Kerlen würde ich nicht überstehen. Zu viel Testosteron, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Kein Problem. Nur tu mir einen Gefallen und halt mich von zu viel Alkohol und Männern fern.«

»Dein Wunsch sei mir Befehl!« Nora drückt mich an sich und gibt mir einen Kuss auf die Wange.

»Ach ja – und sag deinem Verlobten, dass du nicht sein Eigentum bist und ich dich für heute Abend beanspruche«, sage ich gerade so laut, dass Lucas mich hören kann. Seine Augen funkeln verschmitzt, als er mir durch den Rückspiegel einen Blick zuwirft.

»Die Message ist bei ihrem Verlobten angekommen. Ob ich sie allerdings den ganzen Abend entbehren kann, wage ich lieber nicht zu versprechen«, antwortet er und zwinkert uns zu. Nora errötet leicht und sieht ihn verliebt – man könnte sogar so weit gehen, ihren Blick als verträumt zu bezeichnen- an. Wieder einmal gerate ich ins Stocken. Kaum vorstellbar, dass Nora noch vor gut zweieinhalb Jahren dachte, dass sie nicht lieben könne. Aber so war es. Und jetzt ist sie bis über beide Ohren verliebt und wird diesem superheißen Geschäftsmann die Leine anlegen. Nora scheint wohl Ähnliches zu denken, denn sie spielt verzückt mit ihrem eleganten Verlobungsring. Lucas hat es ziemlich gut gemeint. Ein schmaler goldener Ring mit einem Brillant, der das Licht bricht, wenn die Sonne auf ihn scheint. Mir persönlich ein bisschen zu sehr schickimicki, doch Lucas hat das nötige Kleingeld für so einen Ring, und warum sollte er es nicht für seine Zukünftige ausgeben? Aus verlässlichen Quellen weiß ich, dass Nora den Ring zwar auch zu protzig findet, ihn aber trotzdem liebt. Und ich freue mich für die beiden. Auch, wenn ich im ersten Moment ziemlich geschockt war und mich, nüchtern betrachtet, recht kindisch verhalten habe. Es ist schließlich etwas Tolles, wenn die beste Freundin heiratet. Es ist nur … Nora und ich waren immer eine Einheit. Und jetzt, da sie verlobt ist, habe ich Angst, dass sich dieses Bündnis lösen könnte. Trotzdem bin ich froh, dass Nora ihr Glück gefunden hat. Nur wäre es echt schön, wenn auch mir langsam mal der ultimative Traummann über den Weg laufen würde. Aber bisher keiner in Sicht. Also habe ich seit der Nacht mit Tom beschlossen, dass ich so lange abstinent lebe, bis der Eine kommt. Komme, was wolle. Dass ich aber Tom heute wieder begegnen werde, macht mich trotzdem nervös. Seit dem Vorfall habe ich ihn nämlich nicht mehr gesehen. Nora musste ziemlich lange betteln, bis ich mich dazu breit schlagen ließ, sie zu begleiten. Aber ich werde es überleben.

»Mach dir keinen Kopf. Es wird bestimmt nicht so schlimm«, raunt Nora mir zu. Sie weiß ganz genau, worüber ich nachdenke. Schließlich kennt sie die ganze Geschichte.

»Tue ich nicht«, lüge ich unumwunden. Nora bedenkt mich mit einem wissenden Blick, kommt aber nicht dazu, etwas zu sagen, da Lucas uns mitteilt, dass wir da sind. Ich danke Gott, dass er mich vor diesem Lüg mich nicht an, ich weiß ganz genau, dass du dir einen Kopf machst-Gespräch gerettet hat und steige aus, kaum dass Lucas eingeparkt hat. Nora folgt mir, bleibt aber stehen, als Lucas ihr die Hand entgegenstreckt. Sie wirft mir einen entschuldigenden Blick zu und ergreift sie.

»Na los, küss sie, damit ich sie den Rest des Abends für mich haben kann«, stöhne ich scherzhaft. Lucas tut wie geheißen und zieht Nora in seine Arme. Irgendetwas sticht in meiner Brust, als ich mit ansehen muss, wie ihre Körper miteinander verschmelzen. Schnell drehe ich mich weg, sonst erleide ich noch einen Herzinfarkt oder so.

»Dann lasst uns mal reingehen, Ladies.«

Ein Glück, dass das vorbei ist. Nora zuliebe setze ich mein strahlendstes Lächeln auf und folge ihr in die schicke Bar. Und mit ›schick‹ meine ich supermegateuer. Wahrscheinlich kosten die Barhocker schon mehr als die Hälfte meiner Einrichtung. Aber es ist schön. Brechend voll, laut und irgendwie schräg, aber toll. Jedenfalls ist es etwas anderes als die Bar, in der Nora, Leo, meine Schwester und ich uns immer treffen. Im Grunde sind es zwei verschiedene Welten. Unsere Bar ist eher für das gemeine Fußvolk. Aber hier? Hier feiern die Reichen. Ich komme mir ein wenig fehl am Platz vor. Nora anscheinend auch, denn ihre Augen sind geweitet, und sie wirkt etwas ängstlich, was mich ernsthaft überrascht. Ich hätte viel eher gedacht, dass sie solche Etablissements kennt. Nicht nur seit sie mit Lucas zusammen ist, sondern wegen der ganzen Escort-Jobs, die sie früher gemacht hat. Na ja, mir soll es recht sein. Dann bin ich zumindest nicht die Einzige, die sich hier unwohl fühlt.

»Na, das nenn ich mal protzig«, bemerkt Lucas und grinst. »Kommt, suchen wir Tom. Der dürfte wohl eher nicht hier unten sein. Sonst hätten wir ihn schon längst entdeckt.«

Und Lucas hat recht. Tom befindet sich tatsächlich oben. Im Privatbereich, um genau zu sein. Also, das nenne ich protzig. Und irgendwie übertrieben. Seine Abschiedsparty im engsten Kreis feiern, schön und gut, aber gleich so abgeschottet? Vielleicht ist das ja üblich unter diesen Leuten, und ich habe davon nur keine Ahnung?

Zugegebenermaßen etwas überrumpelt, lasse ich die neue Location auf mich wirken. Alles wirkt sehr elegant und ruhiger als da unten. Immerhin kann man sich so entspannt unterhalten, ohne gleich angegraben zu werden. Das hilft meiner selbstauferlegten Abstinenz ungemein.

»Hey. Toll, dass ihr da seid!« Toms unverkennbare Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Er umarmt Lucas und küsst Nora auf die Wange, wofür er einen bösen Blick kassiert, und widmet sich dann mir. Ich versuche, meine Lippen zu einem Lächeln zu verziehen, was mir aber ordentlich missrät. Noras Miene verrät alles.

»Hey. Also danke, dass ich kommen durfte«, murmle ich verlegen.

»Klar. Schließlich bist du eine Freundin. Warum solltest du nicht kommen dürfen?« Toms Stimme klingt wie eh und je. Locker und ein kleines bisschen arrogant. Für ihn scheint das keine große Nummer zu sein. Warum also bin ich dann so eingeschüchtert? Normalerweise habe ich auch eine ziemlich große Klappe. Warum also den Schwanz einziehen? Doch bevor ich mir eine Antwort überlegt habe, hat Tom seine Lippen auf meine Wange gedrückt. Doch anstatt sie zu küssen, beginnt er leise zu flüstern: »Übrigens … wenn du dein Shirt wieder haben willst, musst du mir meines bringen. Ich liebe dieses T-Shirt nämlich.« Augenblicklich erstarre ich zur Salzsäule. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er sofort darauf zu sprechen kommen würde.

»Ich gebe es Lucas bei Gelegenheit mit. Meines kannst du behalten oder wegwerfen. Ich brauche es nicht«, erwidere ich stockend.

»Zu schade. Es stand dir wirklich gut.« Sein Flüstern hat einen rauen Unterton angenommen, der mir etwas Angst macht, da ich genau weiß, was dieser in mir auslösen kann.

»Hey Kumpel. Das reicht. Lass sie doch erstmal ankommen.« Lucas zieht Tom von mir weg und ich kann endlich wieder atmen.

Nora sieht mich betreten an, als wolle sie sich für Tom entschuldigen. Ich schüttle den Kopf, um ihr zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist. Jetzt, da Lucas ihn aus meiner Nähe geschafft hat, kann ich mich wieder entspannen. Vielleicht sollte ich mir doch ein Glas Sekt oder so was gönnen. Solange es kein hochprozentiger Alkohol ist, kann ja nichts schiefgehen. Außerdem ist Nora da. Die wird mir heute nämlich wirklich nicht entkommen können. Und wenn wir uns aneinander ketten müssen.

Zufrieden mit meinem Vorsatz, dirigiere ich Nora zur Bar.

»Jetzt guck mich nicht so an. Ich bestell mir schließlich keinen Tequila«, murre ich auf Noras skeptischen Blick hin.

»Ich hab nichts gesagt. Sei nur vorsichtig.«

»Und genau dafür habe ich ja dich!«, sage ich lachend und bestelle uns beiden einen Sekt.

»Du bist unmöglich.«, erwidert Nora ebenfalls kichernd.

»Und du eine Spaßbremse!« Ich strecke ihr provokant die Zunge raus und proste ihr zu. Mit dem Glas an den Lippen lasse ich meinen Blick durch den Club schweifen und halte inne. Zwischen Lucas und Tom steht ein Kerl, den ich nie wieder vergessen werde. Jonas! Der extrem heiße Kerl, der mich dabei ertappt hat, wie ich aus Toms Wohnung geschlichen bin. Der Typ, der mich vorm Genickbruch bewahrt hat. Der Mann mit den schönsten Augen, dem süßesten Grinsen und dem verlockendsten Duft der Welt. Ob er sich noch an mich erinnert? Ich hoffe nicht! Denn das wäre einfach zu peinlich! Meine Wangen werden heiß. Ob vor Aufregung, der allgemeinen Hitze oder Scham, weiß ich nicht genau, aber es ist wohl besser, wenn ich mich rarmache. Doch noch bevor ich meinen Blick von ihm abwenden und verschwinden kann, fängt er ihn auf und hält ihn fest. Ein unverschämt attraktives Lächeln huscht über seine Lippen. Er hat mich wiedererkannt. Scheiße!

2

Jonas

Große schokoladenbraune Augen starren mich an und halten meinen Blick gefangen. Ein wunderschöner Mund formt ein stummes Oh, bevor er hinter einem Sektglas verschwindet. Unwillkürlich muss ich grinsen. Dass ich die kleine süße Coco, den unglaublich heißen One-Night-Stand meines Bruders, hier wieder sehe, hätte ich nicht gedacht.

»Hey, sag mal, wie heißt denn die Kleine da drüben?« Lucas folgt meinem Finger und sein Blick verdüstert sich.

»Nora, meine Verlobte«, knurrt er. Wow. Das hätte ich nun wirklich nicht erwartet. Anscheinend ist mein Bruder doch nicht der treue Freund, für den Lucas ihn hält. Vögelt einfach mit der Zukünftigen seines besten Kumpels und Geschäftspartners. Gut, Tom ist ein Arschloch, aber das ist sogar für seine Verhältnisse eine ein ganz schöner Tiefschlag.

»Beruhig dich. Ich denke, er meint Lisa«, sagt Tom plötzlich und lacht.

»Wenn das die kleine Blondine dort drüben ist, dann ja.« Auf der Stelle entspannt sich Lucas’ Körperhaltung. Seine muss also die Brünette sein.

»Glück gehabt, Kleiner«, feixt Tom und klopft mir auf die Schulter. Wie ich das hasse. Im Grunde hasse ich das alles hier. Und ich wäre auch gar nicht hier, hätte ich nicht eine Mission zu erfüllen, ehe sich Tom für eine Zeit aus dem Staub macht. Eine Mission, die ich wirklich ungern erfülle. Aber sie ist meine letzte Option. Ich brauche nämlich Kohle. Für etwas, das mir sehr am Herzen liegt.

»Pff00«, mache ich lediglich, weil ich es mir nicht gleich mit meinem Bruder verscherzen will, nehme einen Schluck Bier und beobachte die Kleine wieder. Lisa. Passt irgendwie zu ihr. Obwohl mir Coco ja auch gefallen hat. Ihr Haar hat nämlich nach Kokosnuss geduftet.

»Bei ihr wirst du aber auch keine Chance haben«, meint Tom wissend.

»Wieso?«

»Bettgeschichten hat sie abgeschrieben«, antwortet Lucas für meinen Bruder.

»Muss wohl daran gelegen haben, dass ihre letzte so mies war«, sage ich, wohlwissend, dass Tom nichts von unserem Treffen im Hausflur ahnt.

»Halt mal den Ball flach. Du hast doch keine Ahnung, mit wem sie schon alles im Bett war«, braust Tom auch sofort auf. Wenn ich davor nicht gewusst hätte, wie der Hase läuft, wüsste ich es spätestens jetzt. Ich muss mir schwer das Lachen verkneifen, genau wie Lucas.

»Na, dann werde ich mir Lisa mal genauer anschauen. Wenn ihr mich entschuldigt.« Grinsend drücke ich mich an den beiden vorbei und steuere geradewegs auf Lisa zu. Lucas’ Verlobte merkt es sofort und lenkt Lisas Aufmerksamkeit umgehend auf mich. Entsetzt reißt sie die Augen auf und leert vor Schreck ihr Glas. Offenbar erinnert sie sich auch an unsere »Begegnung«.

»Lisa! Wie schön, dich wiederzusehen«, begrüße ich sie. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie die Augenbrauen von Nora in die Höhe schießen. Sieht wohl so aus, als wäre unsere After-One-Night-Stand-Begegnung unser kleines Geheimnis geblieben.

»Hi, äähhhm …«, stottert sie. Sie versucht, ihre Überraschung zu überspielen. Wie süß.

»Jonas«, stelle ich mich persönlich bei Nora vor, um Lisa aus ihrer Qual zu retten.

»Hi. Ich bin Nora. Lucas’ Verlobte.« Nora schüttelt mir lächelnd die Hand und mir wird sofort klar, warum Lucas sie sich geschnappt hat. Sie ist wahnsinnig heiß. Trotzdem braucht er sich keine Gedanken zu machen – ich bevorzuge Blondinen. Lisa, die sich mittlerweile von ihrem Schock erholt hat, setzt ein nahezu überzeugendes falsches Lächeln auf.

»Was machst du denn hier? Bist du mit Tom befreundet?« Ihre Stimme klingt seltsam hoch. Fast schon piepsig. Nicht mal annähernd so sinnlich wie beim letzten Mal. Sie hat eindeutig Angst, dass ich ihr Geheimnis erzähle.

»Er ist mein Bruder«, erläutere ich deshalb knapp und zwinkere ihr zu. Schockiert reißt sie die Augen auf und errötet. Ich grinse in mich hinein und kann nicht anders, als mich zu fragen, ob sie beim Orgasmus einen ähnlichen Gesichtsausdruck hat.

»Ich wusste gar nicht, dass Tom einen Bruder hat«, krächzt sie.

»Wundert mich nicht. Tom würde mich niemals freiwillig als einen Teil seiner Familie präsentieren«, gebe ich, zugegebenermaßen ziemlich mürrisch, zurück. Aber es stimmt. Tom, der Erfolgreiche, kann mit seinem kleinen Sozialarbeiter-Bruder nicht viel anfangen. Damit ist er nicht der Einzige in der Familie. Alle bis auf unsere Großmutter halten nur wenig von meiner Berufswahl. Was vermutlich daran liegt, dass ich damit nicht so viel Kohle scheffle wie alle anderen Loders. Einer muss halt das schwarze Schaf in der Familie sein, und wenn mir diese Aufgabe zuteilwird, kann ich damit umgehen.

»Warum sollte er nicht? Du siehst nicht so aus, als wärst du aus der Gosse und ihm peinlich«, wirft Nora verwundert ein. War ja klar. Sie kennt Tom auch nur als den superlieben Typen, so wie alle anderen auch.

»Bin ich aber. Na ja, ich lebe nicht auf der Straße, aber mein Beruf macht mich doch irgendwie zum Abschaum – zumindest in meiner Familie.«

»Und der wäre?«

»Sozialarbeiter. Ich bin für ein ganzes Jugendzentrum voller hormongesteuerter Jungs der Aufpasser«, erkläre ich, lasse dabei aber die Tatsache aus, dass deren Familienverhältnisse zum Kotzen sind.

»Oh.« Lisa spricht diese zwei Buchstaben mit solch einer Grazie, dass ich versucht bin, die Einzelheiten doch zu erzählen. Nur um sie zu beeindrucken.

»Das ist doch super. Warum sollte Tom sich denn dafür schämen? Schließlich hilfst du Jugendlichen dabei, festen Fuß in der Gesellschaft zu fassen.« Noras Blick bleibt dabei ziemlich skeptisch. Sie werde ich bestimmt nicht davon überzeugen können, dass mein Bruder ein geldgeiler Saftsack ist. Lisa dagegen wirft mir einen sehr verständnisvollen Blick zu. Es wirkt fast so, als wüsste sie, wovon ich rede.

»Mhm. Wenn du meinst.« Mehr kann ich darauf nicht erwidern, denn mir ist die Lust vergangen, darüber zu reden. Zu meinem Glück taucht Lucas in genau dem richtigen Moment auf. Mit einem breiten Grinsen umfasst er Noras Taille und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie lächelt schüchtern und wirft Lisa einen bedeutungsvollen Blick zu, woraufhin diese resigniert seufzt und die Augen verdreht.

»Von mir aus. Aber wehe, du bringst sie mir nicht wieder«, droht sie grinsend, aber gleichzeitig ernst.

»Versprochen. Aber jetzt muss ich sie dir entführen.« Breit grinsend und mit einem Glanz in den Augen, der nur Sex bedeuten kann, zieht er Nora weg. Binnen weniger Sekunden hat die Menge sie verschluckt.

»Wo sind die beiden denn hin?«, frage ich interessiert. Ich wüsste unheimlich gern, ob dieser unschuldig wirkende Mund Wörter wie »vögeln« oder »ficken« aussprechen kann. Einerseits kommt mir Lisa tough vor. Andererseits scheine ich sie doch nervös zu machen. Und das gefällt mir irgendwie.

»Tanzen«, antwortet sie augenrollend. Ich glaube ihr kein Wort.

»Also meine Theorie ist ja, dass Lucas einen geeigneten Platz gefunden hat, um seine Verlobt zu vögeln.«

»Deine Theorien scheinen nicht die besten zu sein«, entgegnet sie hochmütig.

»Da bin ich anderer Meinung. Lucas ist schließlich ein Mann. Und glaub mir, ich weiß nur zu gut, was Männer denken, wenn sie attraktive Frauen um sich haben.« Grinsend tippe ich mir an die Schläfe.

»Was du nicht sagst. Aber trotzdem liegst du falsch. Guck, dort.« Lisa deutet auf die Tanzfläche. Ich folge ihrem Finger und tatsächlich – Lucas tanzt mir Nora. Wenn auch ziemlich anzüglich.

»Okay, sie sind auf der Tanzfläche. Aber meinst du nicht, dass ihr ›Tanzen‹ eher Trockensex gleicht?« Lisas Augenbrauen schießen fragend in die Höhe.

»Ach ja? Wie würdest du denn tanzen bei so einem Gedränge? Glaubst du ernsthaft, du wärst so toll, dass sich die Menge für dich teilt, wenn du die Tanzfläche betrittst?«

»Wenn du es versuchen willst, dann zeige ich es dir nur zu gerne!« Darauf hat sie keine Antwort mehr. Sie schüttelt einfach nur den Kopf und fängt hysterisch an zu kichern. Das ist irgendwie süß.

»Nein, danke. Ich gehe mir jetzt noch einen Drink besorgen.«

»Klasse. Ich komme mit!« In mir macht sich mit einem Mal das wahnsinnige Bedürfnis breit, Lisa heute Nacht in mein Bett zu bekommen.

3

Lisa

Ich kann es immer noch nicht fassen. Der Typ, dem ich vor zwei Monaten buchstäblich in die Arme gefallen bin, ist ausgerechnet Toms Bruder. Und ich gebe es ungern zu, aber er treibt mich mit seinem verschmitzten Lächeln, seinen unglaublich intensiven braun-grünen Augen und seinem frechen Mundwerk echt in den Wahnsinn. Außerdem bringt er mich in Versuchung. Sein Vorschlag, mich in seinen Armen genauso aufreizend zu bewegen, wie Nora in Lucas’, hat mich fast meine guten Vorsätze vergessen lassen. Aber nichts da! Ich werde nicht mit dem Bruder meines letzten One-Night-Stands ins Bett steigen. Auf gar keinen Fall. Trotzdem reagiert mein verräterischer Körper auf jede Berührung, die beim Gehen zwischen uns zustande kommt. Ich bin mir sicher, dass er das mit Absicht macht. Einen Drink habe ich wirklich bitter nötig. Aber kein Tequila, das steht fest. Ein weiteres Glas Sekt wird es auch nicht tun. Oder ich versuche es mit einer Pina Coladã. Jonas bestellt sich ein Bier und folgt mir weiter auf Schritt und Tritt. Na, das kann ja heiter werden … Ich kann nur hoffen, dass er es doch irgendwann leid ist, auf der Abschiedsparty seines verhassten Bruders zu sein, und sich eine andere Gespielin sucht, die er ganz sicher ins Bett schleifen kann. Und zwar eher früher als später.

Weiterhin tue ich so, als würde mich seine Anwesenheit kalt lassen und suche mir einen Platz zum Sitzen. Ich finde eine kleine Ecke und lasse mich auf die lederne Bank nieder, meinen Drink in der Hand, den Strohhalm zwischen den Lippen. Jonas setzt sich mir gegenüber. Wer hätte das erwartet? Er nippt ein paar Mal an seinem Bier, stellt es dann vor sich auf den Tisch und beugt sich zu mir rüber.

»Also, ich finde es nur fair, dass du mir ein bisschen was über dich erzählst, nachdem ich dir von mir erzählt habe«, raunt er mir zu und verzieht seine Lippen wieder zu einem anzüglichen Grinsen.

»Ich wüsste nicht, was es über mich zu wissen gilt, das dich interessieren würde.«

»Och, da gäbe es eine ganze Menge. Aber wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, stelle ich dir einfach ein paar Fragen.« Augenzwinkernd nippt er wieder an seinem Bier.

»Was soll das werden? Speeddating?«

»Wenn du willst? Wir sollten nur das Tempo drosseln. Ich will nicht in drei Minuten abgefertigt werden und dich an den nächsten Vollpfosten hier weiter geben.«

»Ach, du gibst es zu?«

»Was?« Irritiert zieht er seine Augenbrauen zusammen.

»Dass du ein Vollpfosten bist. Es gibt nicht viele, die sich das eingestehen.«

»Haha. Sehr lustig. Aber jetzt mal ernsthaft. Was kann ich dich fragen?« Er meint das wirklich ernst. Ich muss zugeben, dass mich das beeindruckt. Sein Interesse hat nichts damit zu tun, dass er mich ins Bett kriegen will. Er möchte wirklich etwas über mich wissen. Vielleicht sollte ich ihm doch eine Chance geben.

»Meinetwegen. Stell eine Frage, und ich überlege mir, ob ich darauf antworte.« Ein zufriedenes Lächeln huscht über seine Lippen.

»Also gut. Ich frage dich besser nicht nach deinem Alter, weil ich gehört habe, dass ihr Frauen das gar nicht ab könnt.« Ich werfe ihm einen giftigen Blick zu.

»Das gilt in der Regel nur für Frauen, die die 40 schon überschritten haben. Also, wenn du es unbedingt wissen willst: Ich bin 29.«

»So alt schon? Herrje, dann hat sich das hier wohl erledigt.«

Lachend bewerfe ich ihn mit dem Schirmchen meiner Pina Coladã.

»Hey! Damit hättest du mich wirklich töten können!«, empört er sich lachend.

»Tja, scheint wohl heute nicht mein Glückstag zu sein«, entgegne ich seufzend. Jonas’ Augen werden schmal und ein seltsam verspieltes Glitzern bringt seine Iris zum Leuchten. Ich spüre, wie mir heiß wird, was diesmal ganz sicher nicht an der erhöhten Raumtemperatur liegt.

»Also gut. Wie du willst. Dann verrate mir doch mal deine Körbchengröße.«

»Darauf kriegst du sicherlich keine Antwort.«

»Tja. Dann muss ich wohl schätzen.« Sein Blick wandert zu meinen Brüsten und studiert sie eingehend. Auf der Stelle wird mir sogar noch wärmer. Wie heiß kann einem Menschen eigentlich werden, eher er daran stirbt? Ich schätze, wenn das so weiter geht, werde ich es bald erfahren.

»Mhmm … Ich würde sagen, dass das eindeutig ein C-Körbchen ist. 85 oder so.« Fast hätte ich mich an meinem Drink verschluckt. Wie zur Hölle konnte er das wissen? Jonas merkt, dass er einen Treffer gelandet hat und klatscht triumphierend in die Hände. »Das Spiel macht Spaß, findest du nicht?«

»Kein bisschen. Und solltest du noch so eine anzügliche Frage haben, kannst du mit dir selbst spielen.«

»Aye aye Captain. Dann reden wir halt über die langweiligen Sachen.« Er rollt übertrieben theatralisch mit den Augen. »Dann verrat mir doch mal, womit du deine Moneten verdienst.«

Erleichtert atme ich auf. Mit der Frage bewegen wir uns auf ungefährlichem Terrain. »Ich bin Lehrerin.« Jonas’ Augen weiten sich.

»Ohne Scheiß? Ich hätte jetzt mit allem gerechnet, aber nicht damit.«

»Soll das heißen, ich wirke nicht intelligent genug?«, entgegne ich beleidigt.

»Nein. Du siehst einfach nur nicht aus wie eine Lehrerin.«

»Tja. Bin ich aber. Ich bin Lehrerin an einer Realschule.«

»Oh Gott. Dann sag mir wenigstens, dass du dich noch um die ganz Kleinen kümmerst.«

»Nein. Meine Klasse ist zufälligerweise eine zehnte.«

»Mädchenklasse?«

»Gemischt!«

»Unterrichtsfächer?«

»Deutsch und Geschichte!«

»Meine Fresse! Jetzt wird mir so einiges klar.«

»Ach ja?«

»Du hast nicht zufälligerweise einen Mathias in deiner Klasse?«

»Gibbon?«

»Ja.« Jonas grinst breit und schüttelt den Kopf.

»Was?«

»Ach nichts. Ich verstehe nur gerade, was Mathias gemeint hat, als er sagte, seine Deutschlehrerin sei nicht von dieser Welt.«

»Und was soll ich darunter jetzt verstehen?«

» Er ist so verknallt in dich, dass er mehr Stunden mit Grammatik und dem ganzen Pipapo verbringt als mit anderen Dingen. Und ich dachte, er will einfach nur besser in der Schule werden.«

»Das ist er tatsächlich. Seine Deutschnote ist ausgezeichnet. Und in Geschichte ist er auch auf einem gutem Weg.«

»Ja, weil er versucht, dich zu beeindrucken«, feixt Jonas. »Ach, hätte ich doch auch nur so eine heiße Geschichtslehrerin gehabt. Dann hätte ich mich mit absoluter Sicherheit angestrengt und es sogar noch auf eine drei gebracht«, sagt er seufzend, als schwelge er in Erinnerungen.

» Ich glaube nicht, dass deine Theorie stimmt. Viel eher glaube ich, dass er wirklich versucht, sein Leben in die Hand zu nehmen.«

»Mag sein. Aber ich glaube, dass du der Grund bist, warum er urplötzlich seinen Arsch hoch kriegt. Bisher war er in der Schule nämlich immer gerade so geistig anwesend.«

»Na, dann freu dich doch einfach für ihn und mach nicht so ein Tamtam drum. Und wehe, du sprichst ihn darauf an«, ermahne ich ihn.

»Jetzt mach mal halblang. Ich bin vielleicht nicht der Superverdiener, aber ich habe mehr als genug Ahnung von meinem Job«, verteidigt er sich. Augenblicklich bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Natürlich ist er gut in seinem Job. Der Erfolg mit Mathias spricht Bände.

»Tut mir leid. Ich glaube dir, dass du dich gut um deine Jungs kümmerst. Mathias macht sich außerordentlich gut. Ohne ein Vorbild könnte er das nicht.«

»Danke.«

»Du brauchst dich nicht zu bedanken. Es stimmt. Und mal ehrlich: Ich finde deinen Beruf auch tausendmal besser als den von Tom. Business ist nicht so meins.« Jonas’ Miene hellt sich wieder auf. Ich glaube, es hat ihm noch nie oder zumindest sehr selten jemand gesagt, dass er tolle Arbeit leistet und mehr für unsere Gesellschaft tut als andere.

»Du könntest die Neuigkeit ruhig mal in meiner Familie verbreiten«, schnaubt er abfällig. Irgendwie tut er mit leid. Im Gegensatz zu Nora glaube ich ihm nämlich, dass er in Toms Schatten steht. Und das ist ziemlich bitter. Wenn der eigene Bruder auf einen hinabsieht … Jetzt schäme ich mich noch mehr dafür, mit ihm geschlafen zu haben.

»Scheiß doch einfach drauf, was die anderen von dir denken. Konzentrier dich einfach auf deine Arbeit. Außerdem hast du durch deine Berufswahl gute Chancen bei Frauen. Wir, und damit meine ich alle Frauen, finden Männer, die mit Kindern umgehen können, ziemlich anziehend. Ist so eine Evolutionssache.«

»Ach ja? Und du? Wie stehen meine Chancen bei dir?« Jonas setzt wieder sein anzügliches Grinsen auf. Hätte ich diesen Satz doch bloß gelassen.

»Gar keine. Männer habe ich abgeschrieben.«

»Also bist du jetzt scharf auf Frauen? Oh, ein Dreier mit zwei Frauen würde mir auch gefallen«, schwärmt er.

»Da muss ich dich enttäuschen – selbst wenn ich auf Frauen stehen würde, wäre ich ganz sicher keine, die sich auf einen Dreier einlässt.«

»Sehr schade, wirklich.« Er schiebt seine Unterlippe nach vorne, sodass er wirkt, als wäre er traurig. Unwillkürlich muss ich lachen. Und das ist etwas Besonderes. In den meisten Fällen bringen mich Typen nur zum Lachen, wenn ich sternhagelvoll bin. Aber Jonas ist anders. Er schafft es scheinbar mühelos, mich zu unterhalten. Vielleicht kann man eine Freundschaft nicht ausschließen.

»Du hast ein wirklich schönes Lachen.« Wow. War das gerade ein Kompliment? Und dazu noch eines, das nicht anrüchig ist?

»Danke.« Warum zur Hölle werde ich jetzt rot? Sonst bin ich doch auch nicht so empfindlich. Jonas quittiert mein Erröten mit einem Augenzwinkern. Seine Erwiderung jedoch geht unter, als Nora und Lucas sich zu uns gesellen. Ihre Augen glänzen, und beide haben dasselbe dümmliche Grinsen im Gesicht. Jonas hatte also recht. Sie hatten tatsächlich gerade irgendwo in diesem Gebäude Sex. Sofort wirft Jonas mir diesen Habe-ich-es-dir-nicht-gesagt-Blick zu und Nora, der dieser Blick nicht entgangen ist, läuft knallrot an. Lucas dagegen scheint die Situation zu genießen.

»Und was macht ihr so?«, fragt Nora, um den unangenehmen Moment zu überspielen.

»Speeddating«, entgegne ich spöttisch. Jonas, der sich mit Lucas ein stummes Blickduell liefert, grinst breit.

»Na ja, ohne Speed. Was übrigens wunderbar funktioniert.«

»Und über was unterhaltet ihr euch bei diesem Nicht-Speeddating?«, wirft Nora skeptisch ein.

»Tiefsinnige Themen.«

Nora verzieht ihr Gesicht und wirkt, als wäre sie im falschen Film.

»Na ja. Eigentlich haben wir nur darüber geredet, dass er keine Chance bei mir hat …«

»Was nicht ist, kann ja noch werden!«, unterbricht mich Jonas.

Ich ignoriere seinen Kommentar. »Und dass er nichts von mir als Lehrerin hält«, führe ich meine Antwort zu Ende.

»Das stimmt doch gar nicht! Ich konnte es nur nicht glauben«, verteidigt er sich mit erhobenen Händen. Leider kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.

»Aber um ihn zu verteidigen: Ich wäre auch niemals darauf gekommen, dass du Lehrerin bist«, mischt sich jetzt auch noch Lucas ein. Empört schnappe ich nach Luft.

»Also hört mal. Lisa ist eine ausgezeichnete Lehrerin. Wer glaubt ihr, wer ihr seid, dass ihr so über sie redet!« Dafür liebe ich Nora. Selbst wenn sie keine Ahnung hat, setzt sie sich doch immer für mich ein.

»Das hat doch auch keiner gesagt, Schatz. Lisa sieht nur einfach nicht wie die typische Lehrerin aus«, entschuldigt sich Lucas bei Nora und drückt seine Nase gegen ihrem Hals. Anscheinend flüstert er ihr dabei auch irgendwelche anrüchigen Dinge ins Ohr, denn ihre Wangen färben sich wieder rosa, und sie senkt beschämt den Blick. »Oh Mann, Leute. Wir wissen alle, dass ihr vorhin Sex hattet. Also könntet ihr euch bitte wieder wie zwei normale, zivilisierte Menschen benehmen?« Jonas hat hingegen gar keine Probleme mit dem Thema. Und leider kann auch ich mir ein Lachen nicht verkneifen. Was vor allem auch daran liegt, dass Nora schockiert dreinblickt. Lucas, dem es gar nicht gefällt, wenn man Nora in Verlegenheit bringt, blitzt Jonas feindselig an.

»Na gut. Nachdem wir das geklärt hätten, können wir wieder zur Tagesordnung zurückkehren«, versuche ich, die peinliche Situation zu retten.

»Finde ich auch«, pflichtet mir Nora eilig bei.

»Dann reden wir lieber darüber, wie es ohne Tom weitergeht«, schlägt Lucas unbefangen vor. Wenn er wüsste, dass dieses Thema sowohl bei mir als auch bei Jonas einem Spießrutenlauf gleicht, hätte er es wahrscheinlich gelassen.

4

Jonas

Ich glaube, es wird Zeit, dass ich das Weite zu suche und mich endlich darum kümmere, weswegen ich eigentlich hier bin. Wenn jetzt Toms Fanclub darüber zu sprechen beginnt, was für ein wichtiger Mensch er ist, will ich nicht dabei sein.

»Ich brauche etwas frische Luft«, murmle ich als Entschuldigung und stehe auf. Lisa sieht mich verständnisvoll an und verzieht ihren schönen Schmollmund zu einer Grimasse. Sie weiß, warum ich mich verziehe. Oder ahnt es zumindest. Nora und Lucas nicken mir nur kurz zu und starten ihre Diskussion über das tragische Fehlen meines Bruders. Nichts wie weg hier! Eilig bahne ich mir einen Weg durch die Menge. Lisa hatte recht: Die Tanzfläche ist mehr als überfüllt. Und mittendrin – der Mann der Stunde. Super! Dann werde ich wohl doch noch warten müssen.

Befreit hole ich tief Luft, als ich mich durch die dichte Menge aus tanzenden Leibern geschoben habe, und lasse meine verspannten Handgelenke knacksen. Ich habe nicht mal gemerkt, dass ich meine Hände verkrampft habe. Das Geräusch und das Kribbeln sind irgendwie wohltuend. Ich entspanne mich. Seufzend schließe ich die Augen und konzentriere mich darauf, was ich später zu meinem Bruder sagen möchte. Es ist einfacher, sich eine Rede zurechtzulegen. Tom wird gerne mit Fakten bombardiert und geht stets strukturiert vor. Und je sachlicher man mit ihm spricht, desto größer ist die Chance auf Erfolg.

 

Plötzlich spüre ich eine Hand auf meinem Schulterblatt, die mich aus meinen Gedankenreißt. Wahrscheinlich will eine dieser angetrunkenen Frauen mit mir tanzen. Aber sie wird Pech haben. Die Lust auf Frauengesellschaft ist mir für heute vergangen.

»Hey.«

Überrascht drehe ich mich um, als ich Lisas Stimme erkenne. Mit ihr hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.

»Hey. Warum bist du nicht bei den anderen geblieben?«

»Ich dachte, du hättest vielleicht gerne Gesellschaft. Außerdem bin ich auch nicht scharf darauf, mir eine Lobrede auf Tom anzuhören.« Ein schiefes Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus.

»Klar, gerne. Was willst du denn machen?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Hauptsache, wir kommen hier weg.«

Diesen Wunsch erfülle ich ihr nur zu gerne. Wahrscheinlich würde ich ihr gerade jeden Wunsch erfüllen. Plötzlich erscheint mir meine Mission gar nicht mehr so wichtig. Was dumm ist, ich weiß. Aber ich kann nicht anders.

»Soll ich dich nach Hause bringen?«

»Wenn du möchtest.«

»Gerne. Aber ich muss dich enttäuschen, wenn du dachtest, ich würde dich fahren. Ich bin zu Fuß hier. Meine Wohnung ist nämlich nur zwei Straßen weiter.«

Ein Lächeln huscht über ihre Lippen. »Kein Problem. So weit wohne ich auch nicht von hier entfernt.« Ich kann nicht anders, als sie anzugrinsen. Was für ein Glück. Ich hatte nämlich schon damit gerechnet, dass sie vorschlägt, mit der Tram zu fahren.

»Na dann, nichts wie los.«

»Warte noch kurz. Ich schreibe Nora schnell, dass ich gehe. Sonst macht sie sich Sorgen und denkt, ich hätte dich aufgerissen«, entgegnet sie kichernd. Eigentlich gehen mir kichernde Frauen total auf die Nerven. Aber bei Lisa ist es süß. Wahrscheinlich, weil sie einer wahnsinnigen Sex-Bombe gleicht, trotzdem aber gleichzeitig unschuldig und reif wirkt.

»Und was wäre, wenn?«, platzt es, zugegebenermaßen sehr provokant, aus mir heraus.

»Dann reißt sie mir sowas von den Arsch auf. Ich habe sie nämlich darum gebeten, auf mich aufzupassen und mich zur Schnecke zu machen, sollte ich meinen Vorsatz brechen«, erklärt sie lachend, während sie hastig auf ihrem Smartphone herumtippt. »So. Fertig. Ich bin bereit für eine Wanderung.« Entschlossen steckt sie ihr Handy in die Tasche und sieht erwartungsvoll zu mir auf. Mann, wie gerne würde ich ihr diesen unschuldigen Blick austreiben … Aber ich kann sie irgendwie nicht dazu überreden. Nicht, weil ich es nicht will, sondern weil ich nicht zulassen kann, dass sie ihre guten Vorsätze über den Haufen wirft. Außerdem mag ich Lisa als Mensch. Ein One-Night-Stand würde das alles versauen. Also verkneife ich mir weitere Anspielungen und lege ihr die Hand auf den Rücken, um sie durch die Menge zu geleiten.

 

Schweigend gehen wir ein paar Meter, und ich bin überrascht – nie hätte ich gedacht, dass Schweigen so angenehm sein kann. Aber mit Lisa ist es ganz einfach.

»Also, wie ist es so, Sozialarbeiter zu sein? Willst du das dein ganzes Leben lang machen oder ist das nur übergangsweise?«, fragt Lisa und reißt mich damit aus meinen Grübeleien.

»Es macht wahnsinnigen Spaß mit den Jungs. Sie sind eine tolle Truppe und machen mittlerweile nur noch ganz selten Blödsinn. Aber nichts Schlimmes. Also kein Diebstahl oder so was. Sie prügeln sich nur ab und an ganz gerne.«

»Dann ist Mathias wohl ein ziemlich guter Kämpfer. Ich habe noch nie auch nur eine Schramme an ihm entdeckt.«

»Mathias ist einer der Wenigen, die absolut keinen Hang zur Gewalt haben. Außerdem ist er schulisch momentan viel zu beschäftigt«, necke ich sie.

»Ich bin zwar immer noch nicht deiner Meinung, aber es freut mich, dass er ein anständiger Kerl ist.«

»Ja, das stimmt wohl. Und ob ich den Job für immer machen möchte? Eigentlich habe ich darüber noch nie so genau nachgedacht. Aber ich denke schon. Irgendwie gefällt es mir, den Jungs einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Warum sollte ich also jemals damit aufhören? Sie haben ja sonst niemanden.« Mir fällt selbst auf, wie wahnsinnig kitschig das klingt. Aber es ist die Wahrheit. Die Jungs bedeuten mir viel. Sie sind meine Familie.

»Wenn alle Menschen so denken würden wie du, gäbe es viel weniger in Armut lebende Kinder«, sagt Lisa seufzend. Es macht mich stolz, dass ich sie beeindrucken konnte.

»Stimmt wohl. Aber was ist mit dir? Wie kamst du dazu, Lehramt zu studieren?« Lisa überlegt sich ihre Antwort ziemlich lange. Vielleicht habe ich sie in Verlegenheit gebracht.

»Manchmal weiß ich das selbst nicht so genau. Ich scherze zwar immer, dass ich damals betrunken war, aber eigentlich war es eine bewusste Entscheidung. Mir macht es schon Spaß zu unterrichten, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Es ist nämlich gar nicht so, dass Lehrer so viel Freizeit haben und sich in den Ferien auf die faule Haut legen. Unterrichtsvorbereitung ist fast noch schlimmer als das Unterrichten selbst – vom Kontrollieren diverser Arbeiten mal abgesehen. Aber ich mache es gerne. Außerdem will ich den Schülern wirklich etwas beibringen. Sie sollen sich bei mir auch nicht langweilen. Ich will, dass sie Spaß am Lernen haben. Weshalb ich meinen Unterricht auch nicht streng nach Vorschrift gestalte. Ich meine, es gibt nichts Schlimmeres als monoton redende und überstrenge Lehrer.«

Da stimme ich ihr vollkommen zu. Es macht keinen Spaß, 45 Minuten lang still zu sitzen und genauestens darauf zu achten, was man tut.

»Also bist du die lockere Deutsch- und Geschichtslehrerin, die sich Ärger einhandelt, weil sie gegen den Lehrerkodex verstößt?«, pruste ich.

Lisa fällt in mein Lachen mit ein. »So kann man es sagen, ja. Viele meiner Kollegen verstehen die Art und Weise, wie ich unterrichte, nicht. Aber das ist mir egal. Der Notendurchschnitt meiner Klasse ist zumindest in Deutsch und Geschichte über dem Schnitt. Und das beweist doch, dass meine Methode fruchtet.«

»Ich glaube auch, dass du das gut machst. Mathias ist der beste Beweis. Lass die anderen einfach neidisch sein. Vielleicht sind sie es irgendwann leid und steigen zu deiner Methode um.«

»Wohl kaum, aber das macht nichts.« Sie schenkt mir ein verlegenes Lächeln. Ich wusste es von Anfang an: Lisa ist mehr als die Sexbombe, die sie vor gibt zu sein. Dass meinem Bruder das noch nicht aufgefallen ist, wundert mich nicht im Geringsten. Solange seine Partnerin weder Geld noch Status besitzt, wird sie nicht mehr als ein kleiner Fick für ihn sein. Gut, ich bin vielleicht auch kein Heiliger, aber zumindest lasse ich nicht nur die reichen Weiber an mich ran. Deshalb wundert es mich auch, dass er trotzdem noch Kontakt zu Lisa hat. Schließlich hätte er sie gar nicht erst auf seine Abschiedsparty einladen können. Allerdings kann man Lisa auch schwer widerstehen. Ihr Körper ist eine Augenweide. Dazu noch ihr unschuldiges Gesicht – und alles salutiert.

»Oh mein Gott! Ich liebe diesen Laden«, ruft Lisa aufgeregt. Ich folge ihrem Blick und entdecke ein kleines Café. An sich wirkt es ganz gewöhnlich. Warum die Aufregung?

»Ist der Kaffee dort so gut?«, frage ich irritiert.

»Ja, auch. Aber dort kann man mit Katzen spielen oder sie streicheln, während man seinen Kaffee trinkt. Die sind wirklich niedlich und total zutraulich«, erklärt sie. In ihre Augen tritt ein Glanz, den ich noch nie bei einer Erwachsenen gesehen habe. Ich dagegen kann nur das Gesicht verziehen.

»Ernsthaft? Ein Katzen-Café? Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«

»Nein, überhaupt nicht. Es ist toll. Das solltest du echt mal ausprobieren«, schwärmt sie. Vielleicht sollte ich wirklich mal mit ihr dorthin gehen. Ich bin zwar eher ein Hunde-Mensch, aber Katzen sind auch okay.

»Vielleicht. Mal schauen.«

Lisa grinst breit und wirft noch einen letzten Blick in das dunkle Café, bevor wir weitergehen.

 

»Ich könnte ja mitkommen«, schlägt sie leise, fast überhörbar, vor. Und damit ist die Sache für mich gebongt. Mit ihr dorthin zu gehen ist bestimmt in Ordnung.